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TEIL III: 10. WOCHE – ITALIEN: WOCHE DER WELTKULTURERBSEN

24. - 30.06.2023

Ganz im Glück...

Mit den ersten Flugzeugen, die Korfu verlassen, wache ich auf. Die Erde bebt dabei so stark, dass es schlicht unmöglich ist, diese Erschütterung zu ignorieren. 

Auch der Moggelmann schlägt kurz darauf die Augen auf. Er hat sich noch nicht einmal für sein Morgen-Pipi aus dem Alkoven geschält, als er fragt: „Mama, ist schon Zeit zum Bootsverleih zu gehen?“ 

 

Ich habe es geahnt: Das Kind ist so voller Vorfreude, dass bis um 9.30 Uhr nichts mehr mit ihm anzufangen ist. „Mama, wie lange noch?“ wechselt sich ab mit „Und wieviel Uhr ist jetzt?“. Selbst das Badetasche packen beruhigt die Lage nicht; ganz im Gegenteil – dadurch wird alles noch viel greifbarer...

Als es für den kleinen Mann nicht mehr auszuhalten ist, geht er nach draußen, um die Katzen durch den Hafen zu jagen. 

Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt stehen wir am Boot und erhalten eine kurze Einweisung. „Alles wie beim Automatik-Auto, nur weniger Gänge!“, würde ich die Informationen als Laie zusammenfassen. 

Nach einer kleinen Probefahrt dürfen wir allein los...

 

Zuerst fahren wir an der Küste entlang in den Süden der Insel. Sobald wir außer Sichtweite sind, lasse ich das Kind ans Steuer. Leider führt die Straße direkt am Ufer entlang, so dass wir keine abgelegenen Strände finden, bei denen wir von einem Boot profitiert hätten. 

Daher drehen wir nach rund einer Stunde um und probieren es nördlich von unserem Ausgangspunkt. Hier ist die Landschaft weniger verbaut, aber wir trauen uns wegen der Quallen nicht ins Wasser. 

Tja...

Schließlich ankern wir kurz vor der Mäuse-Insel in der Nähe des Hafens und schwimmen dort an Land. Ich merke, dass die Wirkung des Tauchkurses von Kroatien verpufft ist: Meine Angst vor den Tieren im Wasser ist zurück! Ich mag gar nicht auf die Steine am Ufer treten, um nicht auf irgendein Lebewesen zu stehen, das mich dann in Notwehr beißt... Paranoia!

 

Zurück an Bord ist es auch schon Zeit, das Boot wieder abzugeben. 

Schön wars; sehr kurzweilig! Ein glückseliger Moggel steigt am Steg an Land. 

Früher war ich genauso...

Gespannt darauf, was wir nun an Sprit zu zahlen haben, beobachten wir den Besitzer beim Öffnen des Tanks. „Du hast kaum etwas verbraucht!“, lobt er den kleinen Kapitän. „Weil Du so gut gefahren bist, schenke ich Dir das Benzin!“. 

 

Ich bin gerührt! So viele Männer haben eine große Freude an meinem interessierten, freundlichen Buben. Sich selbst als Kind in ihm zu erkennen, animiert sie anscheinend sehr großzügig zu uns zu sein. Wie nett....

Frisch geduscht setzen wir uns nach dem Bezahlen für einen Schnack an den Bootsstand und werden prompt auf einen Drink eingeladen. 

Die Griechen sind echte Gentlemen!

Über den Wolken...

 Erst am frühen Nachmittag raffen wir uns auf und gehen zumindest noch an die Mauer an der Einflugschneise, um den Flugzeugen von unten beim Landen und Abfliegen zuzusehen. Dann möchte ich los: Schließlich übernachten wir heute Abend auf einem Campingplatz mit Pool und Waschmaschine und ich möchte beides auch noch nutzen...

Auf dem Campingplatz Dionysus werden wir herzlich empfangen und erhalten wieder einen Sonderpreis. Was ist nur los hier? Haben die etwa alle auf uns gewartet? Ist irgendwas an mir anders als sonst? Pheromone oder so?

 

Drei Maschinen Wäsche hüpfen in die Maschine und auf die Leine, während wir uns am wundervoll großen Pool noch abkühlen. 

Korfu gefällt mir wirklich gut! Ich gebe 9 von 10 Sternen!

Der eine Stern Abzug ist einzig auf die unzähligen Stechmücken zurückzuführen, die uns das Leben schwer machen...

An meinen beiden Beinen zähle ich 69 Stück!

Am Sonntagmorgen regnet es leicht. Der Himmel ist grau und ich freue mich: Endlich ein bisschen weniger Hitze! 

... Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein!

Wir sind uns schnell einig, dass wir bei diesem Wetter einen richtig faulen Tag machen. Ein bisschen Schwimmen, ein bisschen Putzen, ein bisschen Lesen, ein bisschen Baden, ein bisschen Drohne fliegen und ein bisschen Reiseblog updaten. 

 

Klingt entspannt? Ist entspannt! 

Nach so vielen Wochen Programm haben wir uns diese kleine Pause auch echt verdient...

Da uns der gestrige Tag so gutgetan hat, streichen wir am Montagmorgen das ursprünglich für den Tag geplante Programm der Besteigung des höchsten Bergs Korfus kurzerhand und wiederholen stattdessen das vom Vortag: Chillen von morgens bis abends. 

 

Der einzige Unterschied ist, dass wir nicht nur ein bisschen, sondern richtig viel Baden. 

Kroko aus Mallorca und Donald, der Schwimm-Donut, leisten uns dabei Gesellschaft.

 

Ab und an habe ich ein schlechtes Gewissen: Jetzt sind wir auf einer griechischen Insel und schauen uns nichts an, als den Campingplatz, auf dem wir nächtigen. Aber dann erinnere ich mich daran, dass ich leichte Unterleibsschmerzen habe und durchaus auch mal nichts machen darf, statt immer irgendetwas zu müssen...

Fährtag...

Damit ich vor unserem großen Reisetag nochmals am Morgen schwimmen kann, bleiben wir eine weitere Nacht. Der Campingplatz ist sowieso so gut wie leer – da machen unsere spontanen Entscheidungen nichts aus...

 

Um 9.00 Uhr fahren wir an den Hafen und nehmen die Fähre aufs Festland. Sie ist relativ leer und ich kann die letzten Bilder für den Reisebericht bearbeiten. Endlich!

Vom Ankunftsort ist es dann nur 1 km bis zum internationalen Hafen, in dem das Schiff nach Brindisi auf uns wartet. 

Beim Buchen der Tickets hat das System von Direct Ferries Nathanael nicht abgespeichert, so dass ich beim Passenger-Term halten und ihn anmelden muss. Das hat zur Folge, dass Malte kurz auf blinde Passagiere untersucht wird. Da Helga, Dr. Blutrich und Pumuckl unsichtbar sind, haben wir aber nichts zu befürchten...

 

Dann heißt es anstehen und warten. 

Ein riesiger LKW aus Bulgarien wird vor uns auf die Fähre gewunken. Er muss rückwärts durch den ganzen Laderaum fahren und hat dafür nur eine ganz enge Spur. Mehrere Männer geben ihm Anweisungen und ich bewundere ihn für seine Manövrierarbeit. 

Unter den Rettungsbooten schlagen wir unser Lager auf: Die Hängematte passt dort genau zwischen zwei Geländer in den Schatten. Wir bauen Lego, hören Musik, tanzen und erkunden ab und an die Decks über und unter uns. 

 

Immer wieder fragt mich das Moggelchen, ob mit der Fähre alles in Ordnung ist: „Mama, ist der Wasserspiegel noch so hoch wie vorhin? Was war das für ein Geräusch gerade eben? Wer darf denn zuerst in ein Rettungsboote einsteigen, wenn ein Schiff untergeht?“ 

Aus irgendeinem Grund hat er bei dieser Überfahrt Angst davor, dass wir versinken... 

 

Gegen 21.00 Uhr erreichen wir ohne Zwischenfall das italienische Festland. Rasch fahren wir einen für Wohnmobile ausgewiesenen Parkplatz in Brindisi an, essen etwas und machen uns fürs Bett fertig.

Monopoli-Stadt...

Am nächsten Morgen ziehen wir gleich weiter. Sabine hat uns verschiedene Empfehlungen für die Region um Bari gegeben und da ich weiß, dass sie unseren Reisestil gut kennt, verlasse ich mich ganz auf ihre Angaben.

 

Unser erster Halt ist Monopoli. Am Rand des Hafens stellen wir Malte ab und schlendern ins Zentrum. Stadtmauer, Schloss, Kathedrale und unzählige malerische Gässchen mit kleinen Läden machen das Städtchen sehenswert. Besonders ist aber auch, dass die sonst für Italien üblichen Touristenströmen fehlen. 

 

Wir essen unser erstes, echtes italienisches Eis und probieren gleich noch von der leckeren Focaccia und den Mandelkeksen. Was für eine Schlemmerei...

Trulli, Trulli, Trullala...

Dann fahren wir knapp 20 km weiter ins Landesinnere nach Alberobello, das für seine kegelförmigen, weißen Hirtenhäusern, die Trulli, bekannt ist. Diese getünchten Rundhäuser mit den grauen Steindächern findet man zwar überall in der Gegend, aber nirgendwo so konzentriert, wie hier.

 

Zusammen mit vielen Italienern laufen wir durch das historische Stadtviertel, das 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde und rund 1500 dieser meist einstöckigen Gebäude umfasst. Die meisten davon sind bewohnt und daher nicht zu besichtigen, aber fast alle, die Souvenirläden beherbergen schauen wir uns auch von innen an. 

Die Häuschen sind wirklich putzig und eindeutig etwas vollkommen Neues für mich. Schade nur, dass so viel unnützes und geschmackloses Zeug darin verkauft wird... 

Zu gerne würde ich wissen, wie es in den Trullis Alberobellos aussieht, die bewohnt werden und wozu die verwendet werden, die man so im Vorbeifahren in der Landschaft um die Stadt herum entdeckt.

 

Als es am späten Nachmittag zu regnen beginnt, machen wir uns auf den Rückweg und nutzen den angebrochenen Tag dazu nach Matera weiterzufahren, wo mit der Sassi-Felsensiedlung das nächste Weltkulturerbe auf uns wartet.

über das verliebt sein...

Generell haben wir auf den Fahrten viel Zeit, die wir entweder mit Hörspielen, Musik oder oftmals auch Gesprächen verbringen.

 

Heute hören wir nach längerer Pause eine neue Folge „Bibi und Tina“. Es geht um die Rivalität zwischen Jungen und Mädchen, die sich am Ende dann in Verliebtheit wandelt.

 

„Mama...“, beginnt das Kind, „ich bin auch verliebt. Eigentlich ist es ein Geheimnis, aber ich verrate es Dir!“ Ich freue mich für ihn. Verliebt zu sein ist so ein schönes Gefühl!

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich in der Zeit vor Schulbeginn auch das erste Mal im Leben verliebt war...

 

„Woher weißt Du das denn?“ frage ich dennoch nach. 

„Das spüre ich!“ ist die Antwort. 

„Und wo spürst Du das?“ lasse ich nicht locker... 

„Vom Kopf bis zu den Zehen. Ich spüre es überall!“ werde ich informiert. 

„Bis zu den Zehen?“ bin ich erstaunt. „Sieht man das denn auch?“

Das Moggelchen überlegt. Er zieht seine Socken aus und betrachtet seine Zehen. „Nein, man sieht nichts...“ stellt er dann fest. 

 

„Weißt Du, Mama, so nach 10-12 Jahren spürt man nichts mehr vom Verliebtsein. Aber am Anfang, da schüttet man Hormone aus und merkt es überall!“. Woher er all diese Informationen hat?

Und im Stillen denke ich: „Ja, mein Liebster, das weiß ich! Diese Phase kenne ich...“

Aber er grinst: „Ich bin noch in der Anfangsphase!“

Mittelalterliches im 20. Jahrhundert...

Mit einer Führung durch die Stadt starten wir den nächsten Vormittag. Unsere ortskundige Begleitung gibt uns bei einem Blick auf die eine Hälfte der Felsensiedlung eine Einführung in die Entstehung derselben: Seit dem Mittelalter wurden die im gelben Tuffstein liegenden natürlichen Höhlen von den Einwohnern Materas ausgehöhlt und durch Vorbauten zu Wohnungen umgebaut. Bis ins letzte Jahrhundert bewohnten Familien mit Kindern und Tieren, mit ihrem dem gesamten Besitz, ohne Strom, fließendes Wasser oder Kanalisation diese „Häuser“. 

Anfang der 1950er, als noch immer rund 15.000 Menschen dort hausten, schritt die italienische Regierung mit einem Umsiedelungsprogramm ein und erklärte die Höhlen zu Regierungseigentum. 

 

Das Wohnen in Neubauten jedoch war gewöhnungsbedürftig für die einfachen Leute und viele kehrten im Lauf weniger Jahre zurück. Heute stehen etwa 50% der Häuser leer, 30% wurden mit Unterstützung der Regierung als Hotel, Restaurant, Bar oder Geschäftsgebäude restauriert und ungefähr 20% sind in Privatbesitz und nach wie vor bewohnt.

Mit unserer kleinen Gruppe besichtigen wir ein typisches Wohnhaus und zwei Kirchen, sehen öffentliche Brunnen und Backhäuser, bewundern die hippen Cocktails-Bars und erfahren, dass James Bond „Keine Zeit zu sterben“ und Mel Gibsons „Passion Christi“ hier gedreht wurden. 

 

Die Stimmung, die mich in den Gassen der Felsensiedlung überkommt, ist schwer beschreibbar: Auf der einen Seite bin ich fassungslos, wie lange die Menschen hier unter allereinfachsten Bedingungen lebten, auf der anderen Seite fasziniert, wie wenig es am Ende zum Leben braucht...

... Und modernes im 1. Jahrhundert!

Wir überlegen auf die andere Seite der Stadt zu fahren und dort in den Naturhöhlen herumzustromern, aber angesichts der fortgeschrittenen Zeit entscheiden wir uns nach einer weiteren, sehr leckeren Focaccia dafür weiterzuziehen.

 

3 Stunden fahren wir bis nach Pompeji, wo schon wieder ein Weltkulturerbe zu sehen ist.

Zuerst verirren wir uns mit Malte in den engen Gassen und bleiben fast stecken, aber dann finden wir ein ruhiges Plätzchen in einer Seitenstraße mit ausreichend Breite zum Parken, ganz nahe an den Ruinen der versunkenen Stadt. 

Gleich nach dem Aufwachen suche ich nach einem Video, das den Vesuv-Ausbruch und das Schicksal Pompejis für Kinder erklärt. Mit diesem Teaser schaffe ich es, das Moggelchen davon zu überzeugen, möglichst früh loszuziehen und Anziehen sowie Frühstücken rasch hinter uns zu bringen. Schnell sind auch die Fahrräder abgeladen und startklar gemacht. 

 

Für die 2 km zur Porta Marina brauchen nur 10 Minuten, so dass wir tatsächlich noch vor den großen Touristenströmen ankommen und in eine Gruppe für eine Führung in deutscher Sprache rutschen, die nur 2 weitere Personen neben uns umfasst.

 

Ich glaube, die Bedingungen könnten nicht besser sein dafür, ihn für dieses Weltkulturerbe zu begeistern... 

Unsere Führung beginnt mit den verschiedenen Theatern für Komödie und Tragödie, Konzerte und Gladiatorenkämpfen. Dann entdecken wir das Straßensystem der Stadt und verschiedene Arten von Häusern. Im Anschluß daran besuchen wir die öffentlichen Thermen und schließlich enden wir an dem „Markt“-Platz, an dem Politik, Religion und Wirtschaft aufeinandertreffen.

 

Ich bin restlos begeistert! 

 

Wie konnten die Menschen im 1. Jahrhundert derart kultiviert leben? 

Mit mehrstöckigen Gebäuden, Wasserleitungen, Zisternen, Fußboden- und Wandbeheizung, Dachdämmung, Fresken, Mosaiken und so weiter und so fort... 

Und wie fantastisch ist es, dass wir all das durch den Ausbruch des Vesuvs so gut erhalten vor uns haben und studieren können? 

 

Nicht, dass ich sagen wollte, ich bin froh über das Unglück, das dabei geschah! Die Gipsabdrücke der Menschen, die ums Leben kamen, treffen mich schmerzvoll direkt im Herzen...

Je länger wir unserer Archäologin lauschen, umso mehr erinnere ich mich an meinen Lateinunterricht und die Bilder in den Büchern. 

Das erste Mal habe ich den Eindruck, dass es nicht nur trockenes, unnützes Wissen ist, das ich da angehäuft habe. Vielmehr fühlt sich alles so lebendig an, dass ich mir ganz bildlich vorstellen kann, wie es war, vor 2000 Jahren gelebt zu haben.

 

Und ich lerne Neues! 

Beispielsweise, dass zu dieser Zeit ein Penis ein Glücksbringer war - als könnte er das heute nicht mehr sein?

Die Spuren des Regens vom Vortag künden ja davon...

Selbst der Moggelmann ist äußerst interessiert und stellt einige kluge Fragen. 

Ich wünsche mir so sehr, dass diese Neugier lang erhalten bleibt, diese Begeisterung für Neues, die Freude an der Vielfalt auf der Welt, die Lust etwas in seiner Tiefe zu begreifen...

 

Als wir am frühen Nachmittag die weltberühmten Ausgrabungsstätten verlassen, bin ich ganz froh nun einige Zeit Auto fahren zu können. Während das Kindchen aufmerksam Hörspielen zum Thema „Pompeji und Vesuvausbruch“ lauscht, hänge ich meinen Gedanken zum Gesehenen nach.

 

Bei starkem Regen, der zeitweise auch in Graupel wechselt, erreichen wir Civitella Alfedena im Nationalpark d´Abruzzo, Lazio e Molise, wo wir für die Nacht bleiben.