03. - 09.06.2023
Nichts zu machen...
Da die Wohnwagentür unseres neuen kleinen Freundes am Morgen noch verschlossen ist, bleiben wir für ein Hörspiel und das Ende des Heldenbuches noch im warmen Bett liegen. Sobald wir aber die erste Regung am Ende des Platzes wahrnehmen, saust das Moggelchen los, um seine Existenz in Erinnerung zu rufen.
Jetzt stelle auch ich mich vor und sobald die Kinder spielen, tauschen wir Erwachsene Reiseerfahrungen aus. Stefan und Nici kommen gerade von Albanien und möchten nach Kroatien, während wir ja die entgegengesetzte Route vor uns haben. Es wird Mittag, bis wir fertig sind mit erzählen...
Um wenigstens noch ein kleines Abenteuer erlebt zu haben, fahren wir für eine Schluchtwanderung etwa 25 km südlich. Ausnahmsweise ist der Camperguide hier mit seiner Beschreibung sehr ungenau: Nicht erst nach einigen hundert Metern, sondern bereits nach einigen Metern endet der Weg zwischen den Felsen für alle, die ohne Canyoning-Ausrüstung unterwegs sind.
Hartgesotten, wie wir sind, trage ich den kleinen Mann noch zwei Mal huckepack über den eiskalten Fluss und streife mit ihm durchs kniehohe Grünzeug, um ganz sicher zu gehen, dass hier nichts mehr geht – aber es bleibt dabei: Das war nicht einmal ein Schluchtspaziergang...
Vorsicht Feuer!
Wir kehren also um nach Zabliak.
Dort kaufen wir im Postamt Postkarten und Briefmarken und berichten unseren Daheimgebliebenen von dieser Pleite. Dann holen wir uns noch frischen Burek und fahren so ausgerüstet zu unserem Platz von gestern zurück.
Beim Durchstreifen des Waldes um den Schotterplatz herum entdecken wir zuerst einen riesigen Ameisenhaufen und dann eine Feuerstelle. Sofort beginnen auch wir Holz zu sammeln, um ein Lagerfeuer vorzubereiten. Ähnlich den kleinen Tierchen finden wir Stämme, die unsere Körpergröße überragen, so dass die Säge aus dem Survival-Camp herhalten muss zum Zersägen unserer Beute.
Vielleicht haben unsere Freunde Lust zum Grillen?
Sobald sie von ihrem Ausflug zurückkehren, werden wir sie fragen!
Sie haben nicht nur Lust, sondern zufällig sogar eine Familienpackung mit Würstchen!
Es kostet einiges an Aufwand, das Feuer anzumachen und am Brennen zu halten, aber wir alle geben unser Bestes. Schließlich gelingt es Stefan die Flammen mit Hilfe von Teelichtern und einem zum Fächer umfunktionierten Katalog zum Lodern zu bringen, so dass wir wirklich Grillen können.
Auch wenn wir völlig eingeräuchert werden, genießen die Kinder dieses Erlebnis bis zum Löschen der Flammen mit etwas Flußwasser.
Nicht einmal die maximal handwarme Dusche vor dem ins Bett gehen schmälert diese Freude...
Wir fliegen...
Am Morgen hilft uns Stefan unsere Drohne in Betrieb zu nehmen. Er hat eine der gleichen Marke und gibt den entscheidenden Tip, so dass wir fortan Fotos und Filme mit dem fliegenden Ding erstellen können. Endlich macht das Teil auch für mich ein wenig Sinn...
Dann brechen wir auf Richtung Albanien.
Da es den ganzen Vormittag mit wenig Unterbrechung regnet, ist heute eine lange Fahrt geplant.
Lediglich an der Tara-Schlucht steigen wir für ein Paar Bilder und 365 Meter Zipline fahren aus.
365 Meter langweilen uns aber fast schon...
Doch noch in der Hauptstadt...
Bald wird ersichtlich, dass das geplante Ziel zu weit ist für den heutigen Tag. So disponiere ich um und fahre bis Podgorica. Dort weiß ich um einen Stellplatz mit kleinem Pool, Sauna und Waschmaschine, so dass wir aus den Zitronen des Tages doch noch Limonade produzieren können: Ich kann pünktlich mit WLAN an meinem Online-Seminar in Gewaltfreier Kommunikation teilnehmen, während zwei Maschinen Wäsche gewaschen werden und der Moggel brav im Wasser plantscht.
Wie immer trifft das Thema ganz genau ins Schwarze: „Groll loslassen“ wird geübt und ich erfahre erneut Klarheit über mich und meine aktuelle Situation.
Was habe ich? Was fehlt mir? Woher kenne ich das? Und was kann ich dagegen tun?
Ich bin sehr dankbar für all die Menschen, die mir das Leben schenkt – sie kommen so passend und sind so wohlwollend; ich darf immer mehr wachsen und reifen mit den Herausforderungen und der Liebe, die ich durch sie erfahre...
Danke, Leben!
Spät, aber sehr erfüllt gehen wir ins Bett.
Gleich nach dem Frühstück hüpfe ich nochmal in den Pool. Es ist ein Träumchen, wenn ich den Tag mit Schwimmen beginnen kann, selbst wenn ich in 2 Zügen am anderen Beckenrand bin...
Dann legen wir zu zweit die Wäsche zusammen: Das Moggelchen die einfachen Sachen wie Handtücher, Geschirrtücher, Waschlappen und Socken und ich den ganzen Rest.
Wir machen Malte abfahrbereit mit Leeren und Füllen der verschiedenen Tanks und starten Richtung Albanien.
Albanien - wir kommen...
Mit Albanien geht es mir, wie mit der Slowakei: Ohne genau zu wissen warum, werde ich nicht wirklich warm mit diesem Land. Vielleicht, weil ich keinen für mich passenden Reiseführer für dieses Land gefunden habe? Weil ich daher nicht weiß, was ich in den Tagen des Aufenthalts dort unternehmen will? Weil ich ohne Internet noch aufgeschmissener bin beim Orientieren als sowieso schon? Weil ich Bedenken habe, ob ich als Frau mit Kind und teurem Auto sicher bin? Weil ich keine Menschen aus Albanien kenne und daher bislang keinen positiven Bezug habe?
Mit Vorzeigen der Ausweise, Stempel und Überprüfung der Autopapiere verlassen wir Montenegro und passieren mit dem gleichen Aufwand die Grenze nach Albanien.
Keine 50 Meter nach dem Grenzübergang werden wir schon angesprochen auf eine Prepaid-Karte fürs Telefon. Perfekt – Albanien sammelt sofort Pluspunkte bei mir!
Schnell rufen wir alle Verwandten in Deutschland an, um noch möglichst viel Guthaben der montenegrischen Karte zu verbrauchen. Dann bauen wir uns die nächste SIM-Karte ein und haben auch sofort Empfang.
Burg mit Arm und Brust...
Wir fahren bis Shkodra, das auf der albanischen Seite des Skadarsko Jezero liegt. Dort parken wir mit viel Aufwand in einer engen Gasse und laufen dann zur Burg Rozafa.
Dort suchen wir die Knochen von Rozafa, die laut Reiseführer dort – eingemauert – begraben sein soll:
Der Legende nach versuchten drei Brüder diese Burg zu errichten, doch jede Nacht fiel ihnen ihr Tagwerk wieder zusammen. Schließlich erhielten sie von einem Alten den Rat, den bösen Geistern der Zerstörung ein Menschenopfer zur Besänftigung zu bringen.
Die Wahl fiel auf die Frau, die den Männern am nächsten Morgen als Erste das Essen brächte. Da die beiden älteren Brüder ihre Frauen warnten, traf das Schicksal Rozafa, die Frau des Jüngsten, die gerade Mutter geworden war.
Sie willigte zum Schutz der Stadt ein unter der Bedingung, dass man eine kleine Öffnung in der Mauer ließ, in die sie eingemauert werden sollte, damit sie durch diese ihr Baby sehen, streicheln und stillen könne.
Bis sie im Gemäuer starb, kümmerte sie sich so um ihren kleinen Sohn.
Das milchige Wasser, das bis heute an manchen Tag aus der Burg fließt, soll Reste der Muttermilch Rozafas enthalten und Frauen mit Schwierigkeiten beim Stillen helfen.
So, so...
Wir haben sie leider nicht gefunden! Den Arm nicht und die Brust auch nicht!
Toni aus Tirana...
Nach einem schnellen Snack beraten wir, ob wir von hier aus das albanische Gebirge im Norden des Landes erkunden oder lieber Richtung Süden, in die Hauptstadt und zu den heißen Quellen, ziehen.
Da wir gerade aus den Bergen kommen, entscheidet sich das Kind sofort für letzteres und ich habe keine Einwände.
In Tirana finden wir am Rand der Stadt im Innenhof eines Hotels einen guten Platz zum Schlafen. Toni, der Sohn des Hotelbesitzers, kümmert sich rührend um uns und hat für alle Gäste leicht verständliche Informationen zur Stadtbesichtigung vorbereitet.
Wir können uns also entspannen, etwas Federball spielen, kochen, kuscheln und schlafen – der morgige Tag ist in trockenen Tüchern!
Mit dem Bus fahren wir am nächsten Morgen in die Innenstadt Tiranas. Die für 10 Uhr gebuchte Free Walking Tour erreichen wir leider wegen wahnsinnigem Verkehrsaufkommen zu spät, aber die Informationen, die wir nach unserem Dazustoßen erhalten, reichen für einen ersten Eindruck völlig aus.
Die Stadt ist voller Gegensätze: Christen, Muslime, Orthodoxe, Ketten aus den kapitalistischen Ländern, vom Sozialismus geprägte und arm gebliebene Menschen, orientalische Musik, amerikanisches Fastfood, Hochhäuser und Bruchbuden, Bauruinen und bunte Häuser – es ist lebendig hier!
Sehr eindrücklich erzählt unser Guide von seinen eigenen Erfahrungen mit dem Wechsel vom sozialistischen Regime zum westlichen Lebensstil. Die völlige Überforderung mit den Neuerungen, die nach 30 Jahren Abschottung von der Welt das Land und die Menschen überrollten. Die Angst vor Coca-Cola und Bananen...
Ich bin immer wieder betroffen, wie wenig diese Zeit bislang aufgearbeitet zu sein scheint und wie schnell es zu einer Wiederholung kommen könnte.
Die Welt ist klein...
Nach dem Mittagessen in einer skurrilen Bar machen wir uns auf den Rückweg.
Im Bus – der, was an den Aufklebern an den Wänden ersichtlich wird, wie alle Busse hier ein ausrangiertes Modell aus Deutschland ist – sitzen wir neben einer jungen Frau, die uns in gebrochenem Deutsch anspricht und erzählt, dass sie in hofft, noch dieses Jahr in Freiburg als Krankenschwester arbeiten zu können. In der Hand hält sie ihre übersetzten Zeugnisse, die mit Sicherheit demnächst in der Zeugnisanerkennungsstelle bei meinen Kolleginnen auf dem Schreibtisch liegen werden.
Die Welt ist klein...
Schnell ist alles zusammengepackt, so dass wir noch weiterfahren nach Berat, in die Stadt der 1000 Fenster.
Auf dem Weg zum von mir ausgewählten Parkplatz werden wir beim Wenden angesprochen, ob wir einen Stellplatz suchen. „Ja, das tun wir!“, antworte ich wahrheitsgemäß und werde eingeladen Malte für 7 Euro in der Ecke des großen Schotterplatzes zu stellen.
Albania-Rally 2023
Ich sage sofort zu, denn der ganze Platz ist voll mit Motocross-Motorrädern und Quads.
Das Paradies für meinen Moggelmann – wir sind mitten in die Albania-Rally 2023 geraten und dürfen direkt neben den Teams aus aller Herrenländer nächtigen.
Das Kind ist völlig aus dem Häuschen und statt die 1000 Fenster zur besichtigen, beschäftigen wir uns den restlichen Abend mit Fahrzeugen. Wir kommen ins Gespräch mit den Tschechen, den deutschen Teams und einem unheimlich freundlichen Engländer, der – wie ich – in Durham studiert hat. Zufällig erfahren wir dabei, dass er bislang sogar auf Platz 1 des Rennens steht.
Was für ein Glück wir wieder haben: Wir lernen hier echte - und auch noch äußerst attraktive - Stars kennen!
Nur schwer kann ich das Kind am späten Abend davon überzeugen, dass nun Schlafenszeit ist, da wir am Morgen vermutlich sehr früh von Motorenlärm geweckt werden.
Auf jeden Fall möchten wir beim Start noch dabei sein und zusehen, wenn sich diese fantastischen, technisch hochinteressanten Fahrzeuge auf den Weg machen!
Schon vor 7 Uhr sind wir wach und kontrollieren, wie es um die Organisation des Rennens steht: Hat das deutsche Team das fehlende Radlager noch geliefert bekommen? Sind die Motorräder schon abfahrbereit? Was macht unser englischer Freund Paul Chambers?
Ganz anders, als wir uns das vorgestellt haben, fahren die Fahrzeuge nicht zeitgleich ab, sondern im 3 Minuten-Takt. So können wir jedes Motorrad und jedes Cross-Car einzeln beobachten, würdigen und beglückwünschen. Das dauert zwar seine Zeit, aber wir bleiben tapfer bis zum letzten Fahrzeug am Straßenrand stehen.
Und es kommt mir fast so vor, als freue sich das deutsche Team über unsere Anwesenheit!
Verlaufen...
Am späten Vormittag fahren wir in die Osum-Schlucht, Albaniens tiefste Schlucht, um dort eine Wanderung zu machen. Für die knapp 40 km brauchen wir über eine Stunde, obwohl die Straße geteert und breit genug für zwei Fahrzeuge ist.
Zum Bereisen dieses Land sollte man Zeit haben!
Je näher wir unserem Ziel kommen, um so tiefer zieht sich der Riss der Erde durch die Landschaft. Links und rechts neben dem äusserst dreckigen Fluss ragen meterhoch die schwarz-braunen Felswände.
Letztlich nur mit Hilfe der Einheimischen finden wir nach 3 km Laufen auf der kaum befahrenen Straße den Einstieg in die im Reiseführer spärlich beschriebene Tour. Wenige Meter später queren wir den Canyon auf einer alten Brücke und steigen auf der anderen Seite des Flusses steil nach oben. Auf kleinen Trampelpfaden versuchen wir die Route zu halten, was natürlich nicht gelingt. Wir verlaufen uns gnadenlos und kommen immer tiefer in die Berge. Nur noch Schildkröten queren unseren Weg...
Zum Glück kann ich mit Google Maps grob in die Richtung der nächsten Straße laufen, die dann in Serpentinen wieder ins Tal führt. Wir passieren verlassene und noch bewohnte Berghöfe, sehen die Esel und Pferde, die hier immer noch für die Landarbeit vor den Karren gespannt werden, geraten zwischen die Kühe und Hühner und am Ende zwischen einige – wie immer hier meist deutsche – Touristen, die uns signalisieren, dass wir wieder in der albanischen Zivilisation und in der Nähe des Parkplatzes angekommen sind.
Ich klebe von oben bis unten. Immer wieder wird mit bewußt, was für ein Abenteuer wir hier erleben.
Was wird diese Zeit mit meinem Moggel machen? Wird sie ihn später selbstsicher und mit Vertrauen in die Menschen durchs Leben laufen lassen? Oder ist das alles eine gnadenlose Überforderung für das Kind?
Ich hoffe, er wird mir alle Fehlentscheidungen verzeihen und das Gute sehen, das ich beabsichtigt habe.
... und verfahren!
Nach einem kurzen Snack machen wir uns auf Richtung Permet. Dort – so habe ich gehört – soll es heiße Quellen geben, die am Rand eines Nationalparks kostenfrei zugänglich sind.
Ich orientiere mich an den Straßenschildern und Google Maps, die eindeutig in die gleiche Richtung weisen und mir eine Strecke von knapp 40 km ankündigen. Etwa 5 km später werde ich jedoch stutzig: Das blaue Schild mit der Aufschrift „Permet“ weist auf eine Schotterstraße.
Vorsichtshalber halte ich an, überprüfe das Ziel mit dem Navi und werde noch verwirrter, denn dort wird mir eine Strecke von knapp 250 km angegeben. Um ganz sicher zu gehen drehe ich um und fahre ein paar Kilometer in die andere Richtung, um dann festzustellen, dass diese Straße alsbald ganz endet. Also erneut wenden und zurück zur Abzweigung an der Schotterpiste...
Wieder halte ich an. „Das kann doch nicht sein!“, sagt mir mein Bauchgefühlt ganz laut als ich ein Hupen hinter mir höre. Ein weißer Kastenwagen mit Münchner Kennzeichen überholt mich und fährt in erstaunlichem schnellem Tempo auf die Piste. Der Mann am Steuer sieht entschlossen aus und ich frage mich, warum ich zweifle...
„Also gut...“, meine ich da noch Schulterzuckend zum Moggel, „was die Bayern können, können wir schon lang!“
Wir nehmen dieselbe Strecke. Die Piste ist übersät von Schlaglöchern und großen Steinbrocken. Es geht bergab und bergauf, einspurig und ab und an mit tiefen Pfützen. Gäbe es Gelegenheit zum Wenden, würde ich es tun...
S
o aber denke ich bei jeder Kurve „Es wird bestimmt gleich besser. Bestimmt wird es hinter der nächsten Kurve besser. Ganz bald wird es besser – da bin ich mir sicher!“
Diese Hoffnung - oder auch diese Selbsttäuschungsmechanismus - scheint sich durch mein ganzes Leben zu ziehen...
Wie sagt ein guter Freund so oft zu mir: "Du bist einfach Prinzessin Denial!"
Mehrere Male drehen die Reifen durch, aber Malte packt mit viel Zuspruch unsererseits auch diese Stellen. Der Münchner bleibt in Sichtweite vor uns und wie ich im Vorbeifahren sehen konnte, fährt er genauso wenig Allrad-Antrieb, wie wir...
„Also schaffen wir das!“, rede ich mir und dem Moggel ein.
Nach rund 40 Minuten aber kommen wir an einen Berg, den Malte nicht bezwingt. Die Vorderreifen drehen durch und ich muss halten.
Das ist das Ende! Denn wieder anfahren geht bei der Steigung und mit 3,5 Tonnen auf Schotter schlecht. Ich versuche rückwärtszufahren, um auf einem weniger steilen Stück nochmals Anlauf zu nehmen... und schon sitzen wir fest: Ich bin zu weit nach rechts gekommen und mit dem Hinterrad in einen Graben reingefahren. Wir sitzen auf!
Jetzt geht es weder vorwärts noch rückwärts weiter und wir sind mitten am Berg im Nirgendwo. Hier wird kein Auto mehr vorbei kommen...
Mir wird ganz flau! Zum Glück bleibt wenigstens mein Kindchen cool!
Wir werden gerettet...
Wir beginnen mit unsere kleinen zusammenstreckbaren Schaufel und den bloßen Händen die Erde unter Malte abzutragen und den Graben mit Steinen zu füllen. Wagenheber oder andere nützliche Gerätschaften haben wir selbstverständlich nicht dabei...
Da höre ich Motorengeräusche. Tatsächlich kommt aus dem Tal ein schwarzes Auto die Serpentinen hoch. „Juhu! Wir sind gerettet!“, jubele ich. Ich kann es kaum fassen: "Dass hier ein weiteres Fahrzeug vorbei kommt, hätte ich im Leben nicht gedacht!", erkläre ich dem Moggelchen meine unbändige Freude.
Das Paar aus Israel, das in dem gemieteten Geländewagen sitzt, bietet uns an zum nächsten Dorf zu fahren und dankbar nehme ich das an. Schnell noch Geld und Schlafanzüge eingepackt und schon sitzen wir auf der Rückbank ihres Gefährts.
Die ganze Fahrt über denke ich nur: „Nie im Leben kommen wir hier mit unserem fahrenden Haus hoch! Nie, niemals nicht, nein! Wir müssen umdrehen!“
Knapp 5 km weiter kommen wir vor einem kleinen Haus, vor dessen Eingang eine alte Frau steht, zum halten. Sofort bietet sie Alkohol und Cafe zu kaufen an, aber wir brauchen ja etwas ganz anderes! Als wir auf Englisch mit ihr sprechen, holt sie sogleich ihre Tochter...
Ich schildere meine Not und wirke - tatsächlich den Tränen nahe - recht verzweifelt. Während die Israelis weiterfahren, holen die beiden Frauen ihre Männer. Google Translater übersetzt meine ganze Geschichte auf albanisch und sofort wird der alte Mitsubishi gestartet und Schaufel, Hacke, Abschleppseil gepackt.
Nun fahren wir die Strecke noch einmal und wieder ist mir klar, dass wir auf keinen Fall hier weiterkönnen. Nur wie wir wenden sollen – wenn wir überhaupt aus diesem Graben kommen - ist mir völlig schleierhaft!
Bei Malte angekommen, machen sich die Männer gleich ans Werk. Auch sie graben weiter die Erde ab und überlegen dann, wie Malte rausgezogen werden kann. Zum Glück kommt just in dem Moment ein weiterer Jeep um die Ecke.
Toyota, Vierradantrieb, komplette Geländeausstattung und deutsches Kennzeichen – der Himmel meint es wieder gut mit mir!
Die zwei Albaner und Roman schaffen es tatsächlich mit vereinten Kräften – und Romans Ausrüstung – uns aus der Misere zu befreien. Vorsichtig fahren sie unser Schiff dann rückwärts den Berg hinunter, um in der nächsten Kurve zu wenden. Ein weiterer inzwischen diazugestoßener albanischer Jeep-Fahrer packt kurzerhand ebenfalls an...
Dann kann ich hinter Roman und Mandy zurückfahren zu unserem Ausgangspunkt. Falls wir nochmals Unterstützung benötigen behalten die zwei uns aufmerksam über den Rückspiegel im Auge.
Das Moggelchen macht in aller Eile noch ein Bild vom eher guten Teil der Straße...
Zurück auf geteerten Wegen...
Ich bin so erleichtert über den positiven Ausgang des Erlebnisses, dass ich keine Worte dafür finde!
Und ich nehme mir fest vor, mich an diese Dankbarkeit zu erinnern, sobald ich das nächste Mal in meinem Leben auf irgendeinen Mann schimpfen will.
Dankbarkeit forever! Männer sind spitze!
Klebrig, dreckig, hungrig und erschöpft stellen wir uns – neben einem Wohnmobil aus Göppingen – auf den Parkplatz am Ende der Schlucht, verabschieden uns mit einem Schnack von unseren zwei deutschen Rettern und machen uns dann daran zu duschen, uns frisch anzuziehen, zu kochen, alles auf der Fahrt Herausgefallene wieder an seinem Platz zu sichern und dann zu schlafen.
Das Dachfenster haben wir dabei weit offen, denn der Sternenhimmel hier im Nirgendwo ist fantastisch!
Das Moggelchen schläft sofort ein, während ich kein Auge zu tue und nochmals alles vor meinem inneren Auge Revue passieren lasse.
„Ich habe einfach nicht alle Tassen im Schrank!“, ist das finale Urteil über diesen Tag.
"Gott sei Dank, hat der da oben immer ein Auge auf mich und alles, was ich hier so anstelle..."