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TEIL III: 6. WOCHE – SLOWENIEN UND KROATIEN: TRANSIT

27.05. - 02.06.2023

WANDERn AUF DEM ALPE-ADRIA-TRAIL...

Früh am Morgen wache ich auf und packe unseren Rucksack für eine lange Tagestour. Essen, Trinken, Handtücher und Badebekleidung. Während ich unsere sieben Sachen zusammensammle, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf: 25 km liegen vor uns und ich bin am rätseln, ob wir das schaffen. So weit sind wir bislang noch nie mit kaputtem Zeh und ohne Kinder- oder Fahrradwagen gelaufen. Können wir die Tour vielleicht ein bisschen kürzen? Aber wenn das der schönste Teil des Trails ist, dann verpassen wir ja was... Und hält der Bus überhaupt irgendwo mittendrin, so dass wir einen guten Einstieg finden?

 

Auch das Moggelchen schlägt heute bald die Augen auf und ist vor lauter Aufregung zügiger startklar als gewohnt.

So bleiben uns bis zur Abfahrt unseres Busses nach Trenta noch mehr als eine ganze Stunde.

 

Da wir direkt neben dem Supermarkt parken, gehen wir noch Wasser und Gemüse kaufen, aber selbst das dauert nur 15 Minuten...

Wir beratschlagen uns und beschließen, 20 Minuten lang zu versuchen am Supermarkt per Anhalter  loszukommen. Sollte das nicht klappen, hätten wir immer noch genug Zeit, um zum Busbahnhof zu kommen.

Es dauert keine 10 Minuten, bis ein netter Slowene mit einem weißen VW-Bus anhält. 

 

Wir haben mal wieder Glück: Wie sich im Gespräch mit dem Fahrer herausstellt, wohnt er schon lange in Soca und kennt den Trail so gut wie seine Hosentasche. Er empfiehlt uns ab Soca die Hälfte der eigentlich geplanten Strecke zu laufen und fährt uns bis direkt vor den Einstieg.

 

Danke lieber Gott, liebes Universum, liebes Leben!

AN DER SOCA ENTLANG...

Nach wenigen Schritten sind wir am Flussufer, an dem wir die nächsten Stunden die Soca Richtung Bovec begleiten. Der türkis schimmernde Fluss zwängt sich anfangs durch eine enge Schlucht mit Wasserfällen und Gumpen und wird dann immer breiter und flacher. Über schaukelnde Hängebrücken wechselt der Weg wieder und wieder von der linken zur rechten Uferseite und zurück.

Wir halten oft: Entweder um das Farbenspiel der Natur zu genießen, uns mit Essen und Trinken zu stärken, Felsen zu beklettern oder Spuren wilder Tiere aus vergangenen Zeiten zu begutachten. Wir vermuten aufgrund der großen, runden Fußabdrücken, dass es nicht nur in Bayern, sondern auch hier gefährliche Obatzte gibt! 

 

Es ist unglaublich schön und ich nehme mir fest vor, diese Strecke irgendwann mit dem Moggelmann im Kajak zu befahren. Auch er ist von dieser Idee begeistert und greift sie gleich für weitere Planungen auf. 

Überhaupt ist heute wieder einer dieser Tage, an denen sein kleines Göschlein läuft und läuft und läuft. Sogar Dr. Blutrich – den ich fast schon für verstorben hielt – wird erwähnt: „Er ist seit so vielen Monaten in Paris unterwegs,“ erklärt mir das Kind, „dass seine Wohnung in meinem Kopf vor lauter leer stehen schon ganz staubig geworden ist!“

SCHONEN UND KÜHLEN...

Bis wir das Flussufer kurz vor Bovec Richtung Städtchen verlassen ist es schon nach 15 Uhr und wir sind platt. Wie gut, dass wir uns fürs Trampen und damit für die halbe Strecke entschieden haben.

Nachdem wir uns also brav geschont haben, gibt es – ebenso brav – noch die empfohlene Kühlung...

 

Auch auf der Fahrt Richtung Triest bleiben wir noch lange an der Seite der Soca. 

Lediglich am am Boca Slap, Sloweniens größtem Wasserfall was die Wassermenge anbelangt, und an der Napoleonbrücke, die von beiden Seiten ein wunderschönes Bild mit diesem leuchtenden Flusswasser ergibt, gönnen wir uns eine kleine Pause. 

Länderhemmung...

Die letzte Nacht in Slowenien verbringen wir in letzter Reihe versteckt auf einem öffentlichen Parkplatz in Gorizia. Da morgen Pfingstsonntag ist, wird uns schon keiner erwischen...

 

Den Feiertag begehen wir mit frischen Croissants und der Planung für die nächsten Tage.

Sollen wir nach Triest? Oder für eine Radtour an die Küste? Wie wäre es damit gleich nach Rijeka zu flitzen? 

Ich bin ratlos und fühle mich überfordert: Immer muss ich entscheiden – kann das nicht jemand anderes für mich machen?

 

Mir wird klar, dass mich mal wieder diese Länderhemmung überfallen hat. Die rational nicht nachvollziehbare Lähmung, bevor man das eine, bereits ein wenig vertraute Land verlässt und in ein anderes, noch unbekanntes reist. 

 

Nur mit einem festen Tritt in Helgas Hintern – die ist nämlich nicht wie Moggels Schweinehund seit Monaten schon weg, sondern im Gegenteil seit Januar sehr präsent – raffe ich mich auf und lege fest: Wir spazieren auf dem Rilke-Sentiero an Italiens Küste, lassen Triest links liegen und fahren bis Rijeka durch. 

 

Geschafft! Ich habe es entschieden!

Im Käfig...

Auf der Fahrt erzähle ich dem Kind von Rilke und dem Panther, den wir im Gymnasium auswendig zu lernen hatten. Bei einem kurzen Halt schlagen wir diese Zeilen nach und überlegen, was sie uns sagen wollen. 

Ich bin erstaunt, welches Fazit der Moggel zieht: „Man sollte niemandem die Freiheit nehmen, Mama! Das tut nicht gut!“ 

 

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

so müd geworden, dass er nichts mehr hält.

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe

und hinter tausend Stäben keine Welt.

 

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

in der betäubt ein großer Wille steht.

 

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,

geht durch der Glieder angespannte Stille – 

und hört im Herzen auf zu sein.

                                           Rainer Maria Rilke 1902

 

Ich würde so gerne einige der Stäbe meines Lebens ausreißen und die Radien meiner Kreise wieder vergrößern.

Mehr Freiheit!

Drei LÄnder an einem Tag...

In Duino-Aurisina streifen wir kurz Castello Vecchio die Duino und eilen dann gleich weiter. Der Rilke-Weg führt über rund 2 km an den Klippen entlang und ist – vermutlich da es Sonntag ist – sehr gut besucht. Zwischen all den lustwandelnden Italienern erhaschen wir immer wieder Blicke auf die Adria.

„Meer! 8 Monate waren wir jetzt ohne Dich!

 

Da wir keine Vignette für Slowenien gekauft haben, zieht sich die Fahrt nach Rijeka in die Länge. Als wir ankommen passieren wir Decathlon und halten an, um einige Shirts für Korsika zu kaufen. So viel Geld für Plastik auszugeben widerstrebt mir, aber Baumwolle oder Wolle-Seide trocknen nicht schnell genug, wenn wir jeden Tag per Hand die Kleider waschen werden... Also muss es wohl sein!

 

Ohne uns die Stadt genauer anzuschauen, fahren wir weiter. Opa Hans, der ja früher oft hier war, hat am Telefon geraten, unsere Zeit lieber in Split oder Dubrovnik zu investieren.Die Nacht bringt uns zum Naturpark Grabovaca bei Perusic. Auf einem abgelegenen Schotterparkplatz im Wald haben wir eine ruhige Zeit.

Abtauchen mit dem kleinen Wassermann...

Am Morgen motiviere ich mich zu einer dynamischen Meditation nach Osho und putze dann voller Energie das halbe Wohnmobil. Der Moggelmann hört währenddessen das Hörspiel vom kleinen Wassermann, das nach dem kleinen Gespenst nun sein Lieblingshörspiel ist. 

 

Kurz überlegen wir eine Wanderung durch den Naturpark zu machen, aber dann reicht uns ein Streifgang durch den kleinen Wildkräutergarten. 

 

Auch auf der Fahrt nach Zadar lauschen wir den Geschichten von Otfried Preußler. Selbst als ich einkaufen gehe, kann sich das Moggelchen nicht vom Radio loseisen. Nicht einmal meine Überlegungen von der Novi Maslenicki-Brücke Bungee-Jumping zu machen berühren ihn...

 

Ich erinnere mich an meine Kindheit und daran, wie fasziniert ich von den Geschichten war, die mir vorgelesen wurden und die ich auf Kassette hören durfte. Ich konnte völlig in diese Welt abtauchen und mir scheint, meinem Kind ergeht es ebenso.

Zurück in Zadar...

Gedanklich in die Phantasiewelt versunken fahren wir nach Zadar und suchen in Erinnerung an unseren Aufenthalt im Oktober 2021 einen strandnahen Parkplatz. Es dauert eine Weile, bis wir fündig werden, aber dann sind schnell zwei Parkscheine für Malte gelöst und die Fahrräder abgeladen.

 

 

Zwei Dinge wollen wir in der Stadt erledigen: Das Moggelchen möchte in dem Laden, in dem wir sein Face Shield gekauft haben, eine passende Kamera dazu erwerben und ich möchte nochmals zu der Meeresorgel, die wir mit Tante Claudi schon begutachtet haben. Beides lässt sich relativ schnell erledigen, so dass wir den Rest der Zeit einfach mit Bummeln und am Meer sitzen verbringen.

Libellentänze...

Gegen Abend fahren wir nach dann Lascovica zum Krka Nationalpark. Auf einem Campingplatz am Rande des Parkes beschäftigen wir uns noch eine Weile mit der neuen GoPro-Kamera und schlafen dann zufrieden ein.

Voller Elan frühstücken wir am Morgen und spülen dann das Geschirr der letzten Tage. 

In unseren Rucksack packen wir alles, was wir für unseren Ausflug in den Nationalpark brauchen und sicherheitshalber noch eine Getränkeflasche extra obenauf, denn die Route dorthin mit dem Rad wird auf dem Rückweg nur bergauf gehen und schweißtreibend werden.

 

Kaum haben wir uns auf die Fahrräder geschwungen, sind wir auch schon die 4 km bergab geflitzt. Da es noch früh am Morgen ist können wir in aller Ruhe und ohne die großen Touristenströme über die Stege flanieren und die unzähligen Libellen beobachten, die übers Wasser tanzen.

Wasser Marsch!

Im Vergleich zu unserem letzten Besuch, der im Herbst war, fließt nun viel Wasser über die vielen, kleinen Stufen hin zum Wasserfall. Auf unserem Weg treffen wir auf Ringelnattern, Enten, Vögel und Wasserläufer. 

 

Als die Besucheranzahl zunimmt erklimmen wir die 517 Stufen zur Höhle des Parkes, in der es dem kleinen Mann jedoch schnell unwohl wird. Als ich mit der Taschenlampe zwei riesengroße Spinnen beleuchte, möchte er lieber wieder zurück ins Tageslicht. 

Fledermäuse bekommen wir also nicht zu Gesicht...

 

Stattdessen sind wir bereit für den Snack im Mühlen-Restaurant, auf das wir uns schon seit dem Grenzübertritt nach Kroatien freuen. Wie bei unserem letzten Besuch setzen wir uns an einen Tisch im Wasser und bestellen Fanta und Vesperteller. Es schmeckt hervorragend!

11%

Gestärkt treten wir dann den Rückweg an. Ich stelle mich schon darauf ein, dass wir nach wenigen Metern Steigung schieben werden, aber der Moggel lässt sich hervorragend motivieren. Mit ein klein wenig Hilfe – in Form meiner Hand auf seinem Rücken – strampelt er tatsächlich 4 km mit 11% Steigung zurück. 

 

Ich bin sehr stolz auf diesen zähen Burschen und belohne diese Anstrengungsbereitschaft gerne mit einem Eis für ihn und mich...

 

Kaum haben wir Malte erreicht, beginnt es zu regnen. Wieder einmal sind wir gerade noch rechtzeitig einem Gewitter entkommen und können das Prasseln der Tropfen im Trockenen genießen. 

Nach einer Dusche und etwas Arbeit am Reisetagebuch fahren wir zur Madonna von Loreto. Ich habe lange überlegt, ob wir diesen Umweg machen sollen, bin aber bei der wunderbaren Aussicht mit riesigem Regenbogen bei unserer Ankunft sofort sicher, dass die Entscheidung dafür die richtige war.

 

In aller Ruhe essen wir beim Sonnenuntergang zu Füßen Marias unsere Spaghetti mit Gemüsesoße und gönnen uns zum Nachtisch noch einen alkoholfreien Cocktail. 

 

Was für ein wunderbarer Tag liegt hinter uns!

technische Probleme...

Für die Nacht finden wir ein ruhiges Plätzchen neben einem Friedhof. Das erste Mal schlafe ich auch verbotenerweise freistehend tief und fest. Der Schotterplatz liegt so abgelegen, dass wir garantiert niemandem im Weg stehen und uns maximal böswillige Menschen hier vertreiben oder gar anzeigen werden. 

Und an die glaube ich ja nicht - mein Mantra ist und bleibt: "Die Menschen sind gut! Die Menschen sind gut! Die Menschen sind wirklich gut!"

 

Gleich nach dem Aufstehen kümmern wir uns endlich um die Kamera, die der Moggelmann in Zadar erstanden hat. Zwei Tage hing der Akku nun zum Aufladen an unserem Wechselrichter, so dass heute nichts mehr schief gehen kann. 

Tatsächlich können wir – solange die Pseudo-GoPro am Kabel hängt – fotografieren und filmen, aber sobald wir das kleine Ding vom Strom nehmen, tut sich nichts mehr. 

 

Was könnte da los sein? 

Wir konsultieren alle unseren männlichen, technikaffinen Unterstützer in Deutschland, und fahren mit folgenden Ideen nach Split ins Elektrogeschäft: 

1)    Das Kabel ist kaputt und lädt daher nicht

2)    Trotz langer Ladezeit war nicht ausreichend Strom zur Verfügung, weil Malte zu wenig Saft hergibt

3)    Irgendetwas ist falsch mit dem Akku.

 

Dort lädt die freundliche Verkäuferin den Akku mit einem neuen Kabel an einer echten Steckdose. Nach einem 20-minütigen Bummel durch das Einkaufszentrum aber ist der Akku immer noch leer. Er scheint also kaputt zu sein.

Lösungen finden...

Das Moggelchen ist am Boden zerstört und weint sich in meinen Armen aus. Als Beruhigung eingekehrt ist, beraten wir die Möglichkeiten und befragen Tobias, was er von unseren Optionen hält:

1)    Wir kontaktieren den Besitzer des Ladens in Zadar und beschweren uns,

2)    Wir fahren die rund 200 km zurück, werfen dem Händler den ganzen Krempel vor die Füße und nehmen dann eine neue Kamera mit

3)    Wir suchen in Split einen Laden, der möglicherweise einen funktionierenden Akku an uns verkauft,

4)    Wir kaufen hier eine neue Kamera,

5)    Wir kaufen uns in Deutschland eine neue Kamera und können dort dann auch den Service in Anspruch nehmen.

 

Nachdem wir bei Nr. 1 erfolglos sind, einigen wir uns, dass gefühlt Nr. 2 die richtige Lösung für uns wäre, aber sinnigerweise Nr. 3-5 in Angriff genommen werden sollten. 

4 Stunden tigern wir daher durch Split um am Ende erfolglos und immer noch gefrustet ein großes Eis zu essen. Erst die zwei Soldaten, die vor dem Diokletianpalast für ein Bild mit dem Moggel posieren, bringen uns wieder zum Lachen.

Die Luft ist raus...

Leider hält die Freude nicht lange an, denn als wir die engen Gässchen der Altstadt verlassen, um mit den Rädern zurück zu Malte zu fahren, ist der Hinterreifen von Moggelmanns Fahrrad platt. Wir schieben unsere Drahtesel an der Promenade entlang zu verschiedenen Fahrradläden, bis wir einen finden, bei dem uns freundlicherweise Sofort-Hilfe geleistet wird.

Damit er einen neuen Schlauch ins hintere Rad einbauen kann, schließt er sogar extra seinen Laden!

 

Kurz vor 19 Uhr kommen wir endlich an unserem fahrbaren Häuschen an und flitzen dann weiter Richtung Dubrovnik. Zumindest bis wir einen Friedhofsplatz finden, auf dem wir Abendessen und Schlafen können...

 

Am nächsten Morgen starten wir den Tag in aller Ruhe. Kaum haben wir die Küstenstraße wieder erreicht, gabeln wir zwei junge, trampende Männer auf, die auch nach Dubrovnik möchten. Für ein gutes Reisekarma nehme ich Anhalter soweit wie möglich mit – man kann ja nie wissen, wann man selbst wieder eine Mitfahrgelegenheit braucht und dann für Unterstützung dankbar ist.

Dalmatien pur...

Fast 3 Stunden fahren wir an der Küste entlang, bis wir unsere letzte Station in Kroatien erreichen. Die Suche nach einem Parkplatz ist mühsam, da alles überlaufen ist von Touristen. Unsere Tramper lade ich daher am Hafen ab, während ich wieder aus der Stadt fahre.

 

Weit außerhalb werden wir fündig und radeln dann rund 30 Minuten auf Straßen ohne Fahrradspur im verrückten südländischen Autoverkehr bis zur berühmten Altstadt. 

Die engen, verwinkelten Gässchen und vielen hübschen Häuschen sind wirklich beeindruckend. Wir bummeln ausgiebig, bewundern die vielen auf den warmen Steinen schlafenden Katzen, kaufen Postkarten, schlecken das obligatorische Eis und umrunden dann für einen horrenden Eintrittspreis die Stadt auf der alten Stadtmauer.

Der Ausblick auf die Dächer Dubrovniks und die in der Sonne blitzende Adria gefällt uns sehr. 

Müde von der Sonne und den unzähligen Stufen kehren wir zu unseren Rädern und – mit ihnen – zu Malte zurück. 

Eine große Portion Nudeln mit Hackfleischbällchen und Lauchsoße schenkt uns ausreichend Energie, um Richtung Montenegro weiterzufahren.

Land Nr. 20...

Weil unser Bedarf an Städten vorerst mehr als gedeckt ist, lassen wir Herceg Novi links liegen und fahren über Bijela Richtung Kotor. Die ersten zwei für uns sichtbaren Campingplätze am Straßenrand sind ausgebucht, so dass wir den dritten – egal um welchen Preis – nehmen. Die Verhältnisse hier sind einfach: Eine kalte Dusche und ein einziges Waschbecken im Freien für alle, keine Ent- und Versorgung fürs Wohnmobil, aber ein Stellplatz direkt am Wasser. 

Das Wasser in der riesigen Bucht ist angenehm warm und hat nur wenig Wellengang. Das animiert das Kind natürlich dazu, das Stand-Up-Paddelboard auszupacken zu wollen.

Wir fahren daher nach Perast, pumpen das Brettchen auf und paddeln damit zu den zwei Inseln Gospa od Skrpjela und Sveti Dorde, die aus Schiffswracks und Steinen künstlich aufgeschüttet und damit zu einer Touristenattraktion geworden sind.

 

Im Anschluß daran will der Moggelmann die ganze Bucht queren und so kommen wir nicht nach einer, sondern erst nach 4 Stunden wieder bei Malte an. Diese spontane Planänderung bringt uns jede Menge Spaß, aber kostet uns auch einen leichten Sonnenbrand.

Tote im Nationalpark...

Auch Kotor lassen wir im Anschluß an unsere Paddeltour links liegen und fahren stattdessen am frühen Abend auf über 10 km Serpentinen in die Berge Montenegros. Mehrmals muss ich rückwärts zu einer Ausweichstelle fahren, um die eher faulen Montenegrer mit ihren Autos durchzulassen. 

Immerhin winken sie mir dafür freundlich zu und die phantastischen Ausblicke sind jede Mühe wert!

 

Unterhalb des Njegos-Mausoleums im Nationalpark Lovcen finden wir einen wunderbaren Platz für die Nacht, auf dem es sich im Lauf des Abends noch andere Deutsche und Schweizer gemütlich machen. 

 

Das Moggelchen packt freudig sein ferngesteuertes Auto aus und macht einen ausgiebigen Tauglichkeitstest was das Schlammpfützen-Durchfahren angeht. Ich tausche derweil mit den Neuankömmlingen Reisetips aus und bereite dann unser Abendessen vor.

 

Völlig entspannt fallen wir nach einem leckeren Salat mit Lachs beide ins Bett und schlafen auch bald ein. Ich habe wilde Träume...

Am nächsten Morgen frühstücken wir ausgiebig.

 

Gerade als ich die Fahrräder für die Fahrt zum Njegos-Mausoleum ablade, donnert es. Ich bin guter Dinge, dass wir trotz der grauen Wolken die vor uns liegenden 4 km trocken überstehen, aber kaum sind wir die ersten 500 m gefahren, fallen dicke Regentropfen auf uns herab. Wir drehen um und können gerade noch die Türe öffnen und in Maltes Bauch schlüpfen, bevor es Hunde und Katzen regnet. 

 

Fast eine Stunde müssen wir warten bis der Regen aufhört. Es hat merklich abgekühlt und so fahren wir doch lieber motorisiert zum toten Dichterfürsten. Da man vom Parkplatz immer noch über 400 Stufen erklimmen muss, haben wir ja trotzdem ein wenig Sport vor uns.

Das tägliche Gewitter...

Die Grabstätte des Petar Njegos ist beeindruckend: Ein großer, nüchterner und durch den Marmor kühl wirkender rechteckiger Klotz mit fantastischem Ausblick über die Berge Montenegros bis zum Meer. Wir erfahren anhand eines Flyers einiges über den Bau und im Gespräch mit den Angestellten vor Ort auch ein bisschen etwas über den jung an Tuberkulose Verstorbenen. 

Leider kann uns niemand eines seiner Gedichte aufsagen. Das hätte mir gefallen!

Wieder bei Malte angekommen fahren wir durch bis Cetinje. Dort möchten wir das Städtchen und das im Reiseführer aufgeführte Kloster besichtigen. Außerdem soll es in der ehemaligen Hauptstadt wunderbare Börek und Baklava geben. 

 

Leider werden unsere Pläne erneut von einem Gewitter durchkreuzt. Lediglich in das Cafe mit den Baklava schaffen wir es noch ohne völlig durchnässt zu werden. Dort sitzen wir dann 1,5 Stunden über verschiedenen Süßspeisen aus dem Balkan und warten auf das Ende des Unwetters.

Da der Moggel friert und wir für den erneuten Temperatursturz nicht eingekleidet sind, fahren wir zurück zu Malte und kuscheln uns dort mit einem Buch ins Bett. Erneut beginnt es zu regnen, was uns mit warmem Tee und unter der weichen Decke überhaupt nicht stört. 

 

Gegen Spätnachmittag machen wir uns – in Regenkleidung – erneut auf, um wenigstens noch einen kurzen Blick auf das Kloster zu werfen. Es lohnt sich jedoch nicht wirklich...

Wir haken Cetinje ab unter „Erfahrung“ und im Kleingedruckten vermerke ich: „Kein zweites Mal nötig“. 

Über sieben Brücken...

Damit wir den Tag wenigstens schön abschließen, fahre ich noch zur Brücke Rijeka Crnojevica am Skadarsko Jezero. Am Ufer des Flusses reiht sich ein Restaurant ans andere und damit wir uns so richtig sattsehen können an dem romantischen Bild, gehen wir in einem davon kurzerhand Fisch und Burger essen. 

„Ist das nicht ein herrlicher Abend, Mama?“ fragt das Kind begeistert und ich kann heute endlich das erste Mal sagen: „Ja, das ist echt toll!“ 

 

Umringt von Deutschen verbringen wir eingepfercht auf einer kleinen Wiese unweit der Restaurants und direkt am Wasser ohne jeden Service für 15 Euro unsere zweite Nacht dieser Reise auf einem offiziellen Campingplatz. 

... und lebendes im Nationalpark

Als Ausgleich für diese eher maue Leistung bietet der Campingplatzbesitzer eine günstige Bootstour auf den Skadarsko Jezero an. Ich bin dagegen – egal bei welchem Preis – , aber der Moggelmann möchte unbedingt daran teilnehmen und bietet an, sein reichliches Urlaubsgeld dafür zu opfern. Was bleibt mir übrig, als da einzuwilligen?

 

Um 8 Uhr beginnt der Trip. Mit 4 anderen deutschen Urlaubern laufen wir zum Anlegesteg auf der anderen Seite des Flusses und steigen dort in das schnittige Boot unseres Gastgebers. Mit gemäßigtem Tempo fährt er den Fluß entlang. Wir sehen eine Wasserschlange, viele kleine und von mir nicht identifizierbare Vögel, mehrere Dutzend Kormorane und Schwäne und bevor wir auf den See kommen auch eine Hand voll Pelikane. 

Dann beindruckt die Bergkulisse der albanischen Seite des Sees. Albanien – ich habe gar keine Vorstellung von diesem Land!

 

Im „kleinen Amazonas“, den wir dann ganz langsam durchschippern, ist das Wasser so von Bäumen und Wasserpflanzen durchwuchert, dass nur noch eine kleine Schneise für das Boot bleibt. Tatsächlich fühle ich mich ein bisschen wie im Urwald, bevor es mit dem Anfangstempo wieder zurück zum Campingplatz geht.

„Das war schön! Danke, Du Lieber!“, drücke ich meinen kleinen Schatz. Er strahlt über sein kleines Gesichtchen: „Ja, das war toll!“

 

Auf dem Fahrt Richtung nach Podgora erhaschen wir nochmals einen Blick auf den Flusslauf von oben. Wahnsinn!

Ab in den Norden...

Obwohl Hauptstädte normalerweise Pflicht sind, fahren wir an Podgora vorbei. Nach Zadar, Split und Dubrovnik haben wir beide genug von Menschenmassen und suchen eher die Abgelegenheit und Stille. Nächstes Ziel ist daher der Nationalpark Durmitor, der im Norden des Landes liegt.

 

Das serbisch-orthodoxe Kloster Ostrog, das – gefühlt – mitten im Nirgendwo in den Bergen in eine Felswand gehauen wurde, ist ein geeigneter Zwischenstop auf dieser Strecke. 

Es ist zwar genauso viel frequentiert, aber bietet eine andere Stimmung, als die Fußgängerzone einer Küstenstadt.

Außerdem müssen wir für die Besichtigung zuerst den Berg mit den heiligen Hallen erklimmen, was etwa 40 Minuten in Anspruch nimmt und ziemlich anstrengend ist.

Nach Betreten der winzigen Kapelle, die die Hauptattraktion des Klosters zu sein scheint, erhalten wir von einem Pater eine Segnung mit Öl und Kreuzzeichen. Dann werden wir angewiesen Kreuz und Ikone zu küssen. 

Ich bin leider gar nicht mit den Ritualen der orthodoxen Kirche vertraut und daher unsicher, ob ich alles richtig mache. Auch das Moggelchen weiß nicht so recht, wie ihm geschieht. Aber wir geben bei allem unser Bestes und lassen uns ansonsten von den Gläubigen vor und hinter uns tragen beziehungsweise weiterschieben...

 

Auf dem Rückweg zu Malte begegnen wir einer Schildkröte. 

Ob die auch ins Kloster will?

... und zum schwarzen See

Am späten Nachmittag erreichen wir Zabliak und finden direkt neben dem Eingang des Nationalparks für 3 Euro einen bislang leeren, offiziell fürs Campen ausgeschriebenen Schotterplatz zum Übernachten. 

Genauso hatte ich mir Montenegro vorgestellt... viel Natur, wenig Menschen und preiswerte Angebote!

 

Wir stellen Malte ab und machen uns für einen Abendspaziergang auf zum schwarzen See, den man laut Reiseführer gut in 2 Stunden umrunden kann. Schon nach der erste Kurve werden wir von einem netten Montnegrer angesprochen, der uns mit seinem Vater und dessen Freund die ganze Umrundung begleitet. 

Angeregt unterhalten wir uns über die Sehenswürdigkeiten in der Nähe und über „Rammstein“ – das einzige, was Anto aus Deutschland kennt und liebt! Ob er schon mitbekommen hat, dass die gerade negativ aufgefallen sind?

Neue Freunde...

Als wir zurückkommen, parkt eine deutsche Familie am anderen Ende des Schotterplatzes. Ohne zu zögern läuft der Moggel los, um sogleich die Kinder zu begrüßen. Die zwei süßen Jungs von etwa 4 und 6 Jahren werden sofort von ihm in Beschlag genommen: Endlich jemand zum Spielen! Jemand anderes, als die Mama!

 

Bis zum Abendessen packen die Jungs alles an Spielgeräten aus, was wir in Maltes Heck mitschleppen. Es ist eine wahre Freude zu sehen, wie gut die Burschen miteinander auskommen. 

Hoffentlich ergibt sich morgen nochmals die Gelegenheit für etwas gemeinsame Zeit!

Ich muss jedenfalls versprechen, eine weitere Nacht hier zu bleiben um die Chance für ein Wiedersehen zu erhöhen...