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TEIL III: 5. WOCHE – ÖSTERREICH: AB IN DEN SÜDEN!

21. - 26.05.2023

Zurück vom anderen Stern...

Am Sonntag kehre ich zur Mittagszeit aus einer mehr als völlig verrückten Woche zurück in die normale Welt. Es kommt mir vor, wie eine Zeitreise oder wie Beamen – völlig surreal...

 

Hans reist an seinem 67. Geburts- und Moggels 6. Tauftag mit dem kleinen Mann an und übergibt mir mein geliebtes Kind für die kommenden Wochen zum Weiterreisen. 

Nachdem sich die erste Wiedersehensfreude gelegt hat, essen wir gemeinsam mit den ebenfalls noch anwesenden anderen Seminarteilnehmern im Seinz Mittag. Stolz stelle ich meinen Buben, von dem ich so viel gesprochen habe, vor und ernte Zustimmung: Er ist ein zuckersüßes Kerlchen!

Immer wieder umarmen und küssen wir uns vor Freude aneinander.

Die Vorbereitungen laufen...

Dann tauschen wir alles, was aus Tübingen noch in Maltes Bauch Platz finden muss und was zurück darf in die Katharinenstraße. Unter anderem werden meine heißgeliebten Nähmaschinen durch ebenso heißgeliebte ferngesteuerte Autos ersetzt.

Im Anschluß laufen wir den Berg vom Hotel nach Bad Kohlgrub hinunter, um dort anläßlich des Festtages ein Eis zu schlemmen. Das Kindchen und ich gönnen uns jeweils drei Kugeln, während Hans einen Windbeutel mit Eis schnabuliert.

 

Auf dem Rückweg besprechen wir noch kurz das Allernötigste von dem, was in meiner Abwesenheit erledigt werden muss und dann heißt es Abschied nehmen. 

Ich kann noch gar nicht fassen, dass es nun tatsächlich ein weiteres Mal auf große Fahrt geht. Seit unserer Abreise Ende April sind wir ja nicht wirklich weit gekommen...

 

Nach dem wir Grauwasser und Toilette geleert haben, zieht es uns für die Nacht an den Tegernsee. Dort finden wir zum Abendessen einen Parkplatz direkt am See, aber auch direkt an der Straße. Bei diesem Verkehr werden wir die ganze Nacht kein Auge zu tun – ich fahre daher nach einigem Abwägen noch zehn Kilometer weiter und stelle Malte in einer abgelegenen Straße mitten im Wohngebiet ab: Hier haben wir eine sehr ruhige und erholsame Nacht.

 

Am nächsten Morgen warten weitere Erledigungen auf uns: In Rosenheim tauschen wir bei Obi eine leere Gasflasche gegen eine volle und tanken dann gerade so viel Sprit, dass es nach meinen Schätzungen bis Salzburg reicht. Im Supermarkt geben wir die letzten deutschen Pfandflaschen ab und füllen unseren Kühlschrank für die nächsten Tage.

Los geht die wilde Fahrt...

Wir flitzen am Chiemsee vorbei nach Österreich.

Unsere erste Station ist Flachau. Dort treffen wir Johann, den ich vor 14 Jahren auf meiner vorletzten Etappe meines Jakobswegs von Tübingen nach Santiago de Compostela kennengelernt habe. 

Drei Wochen lang sind wir gemeinsam durch Spanien gepilgert und haben uns aus unserem Leben erzählt. Seither hatten wir immer wieder Kontakt über Email, Telefon und Whatsapp, aber niemals die Gelegenheit für einen persönlichen Besuch. 

 

Endlich lerne ich nun seine Heimat und auch seine Emmi kennen, die uns damals großzügigerweise erlaubt hat, ein Zimmer zu teilen. Johann hatte so Begleitung mit Pilgererfahrung und Fremdsprachenkenntnis und ich jemand, der täglich 42 km mit mir lief und nachts nicht schnarchte. Das war definitiv win – win!

Wir werden herzlich mit Hollerschorle und Honig-Kipferl empfangen. 

Auf der Dachterrasse mit wundervollstem Ausblick auf die schneebedeckten Berge tauschen wir uns über die neuesten Neuigkeiten aus. 

Immer wieder bin ich erstaunt, welche Wunder der Jakobsweg bewirkt: 14 Jahre Kontakt ohne ein einziges Treffen und dann sofort Anschluß an die alten Gespräche.

 

Am späten Nachmittag fahren wir mit einem kurzen Abstecher an den Millstätter See nach Villach. Von unserem Besuch im letzten Jahr wissen wir, dass man hier gut klettern und wunderbar baden kann. Warum also nicht nochmals hier campieren?

An der Sport-Arena finden wir am Abend ein gutes Plätzchen direkt neben dem Felsen, den wir am nächsten Morgen erobern wollen.

Ich werde Sie anzeigen!

Unsanft werden wir am Morgen durch heftiges Klopfen an unserer Tür geweckt. Da wir unerlaubterweise auf dem Grundstück des DAV geparkt haben, werden wir von einem Mann desselbigen Vereins rüde zurechtgewiesen und beschimpft. Er schreibt unser Kennzeichen auf und fotografiert Malte. „Ich werden Sie anzeigen! Sie hören von meinem Rechtsanwalt!“

 

Ich steige aus und versuchte die Situation zu entschärfen. Nach höflichen Erklärungen meinerseits beruhigt sich der Fremde und verspricht auf eine Anzeige zu verzichten, wenn wir das Gelände bald verlassen. Ich sichere ihm dies zu und hoffe, dass ich mich auf seine Worte auch verlassen kann...

Wir beeilen uns, unsere Kletterübungen an dem dem Parkplatz gegenüberliegenden Felsen zu beginnen. Es ist noch nicht einmal 8 Uhr in der Früh, als wir unsere Klettersteigausrüstung anlegen. Mehrere Routen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden durchziehen den knapp 30 Meter hohen Stein. Nach 3 Stunden sind wir müde – das passt genau zu meinem Versprechen...

Nach einer Runde kuscheln kehren wir zu Malte zurück und packen unsere sieben Sachen.

Am Faaker See...

Unser nächstes Ziel ist der Faaker See ein paar Kilometer weiter. Von einem Parkplatz im Wald aus starten wir die 10 km lange Seeumrundung mit dem Rad. 

 

Das schöne Seebad in Drobollach bietet die geeignete Kulisse für ein Picknick. Schade, dass ich nicht an unsere Badesachen gedacht habe, denn wir hätten uns sonst kurz im Wasser abkühlen können...

 

Immer wieder stoßen wir in Österreich auf den Adria-Alpe-Trail oder den Jakobsweg. 

Von letzterem komme ich wohl nirgendwo auf meinen Reisen los. Seit über 20 Jahren kreuzt er meine Wege...

Übung macht den Meister!

Am späten Nachmittag steht nochmals Klettersteigen auf dem Programm. Das Moggelchen möchte unbedingt zum Kanzani-Berg, an dem er im Oktober 2021 das erste Mal Erfahrungen mit dieser Sportart gemacht hat. 

Anfangs bin ich skeptisch, aber dann wird mir klar, dass ich nirgendwo sonst seine Fortschritte beim Klettern so gut sehen kann, wie hier. 

 

Kaum sind wir angekommen will das Kindchen los. „Komm, Mama! Lass uns gehen!“, quengelt er ungeduldig und kann es nicht erwarten, bis ich unseren Rucksack gepackt habe. 

Ebenso ist es dann am Felsen: Wo wir uns vor 1,5 Jahren langsam vorangetastet haben, klettert der Bursche nun zügig alleine. Ohne Zögern wagt er sich über die Seilbrücke und durch die Felsspalten – es ist eine wahre Freude das zu beobachten!

 Mit den ersten dicken Regentropfen erreichen wir Malte. 

So ein Glück, denn in Sekunden schüttet es wie aus Eimern. Ein dickes Gewitter tobt, während wir im Trockenen gemütlich Abendessen. 

 

Für die Nacht fahren wir nach Villach und parken in der Nähe der Karawanken-Therme. 

Wasser im Freien und Drinnen...

Da Regen angesagt ist, lassen wir uns am Mittwoch auf Moggels Wunsch hin ausgiebig im Wasser verwöhnen. Auch wenn die Sauna leider erst ab 16 Jahren besucht werden kann, bescheren uns die warmen Becken mit Massagestrahl, Lichtbad und Sprudelliegen entspannte Stunden. Rutschbahn, Sportbecken und eine große Portion Pommes sorgen für etwas Abwechslung in unserem Wellness-Tag.

 

Als wir am Nachmittag schon Runzeln bilden, verlassen wir das Bad, gehen noch kurz einkaufen und tanken und zuckeln dann über den Wurzenpass nach Kranjska Gora in Slowenien.

 

Mit der dynamischen Meditation von Osho und einer eiskalten Dusche starte ich den nächsten Tag: Besser könnte man sich auf das Outdoor-Paradies „Julische Alpen“ gar nicht vorbereiten...

Welcome back in den julischen Alpen...

Gleich nach dem Frühstück laden wir die Fahrräder ab und radeln ins naheliegende Naturschutzgebiets Naravni Rezervat Zelenci. Dort führt uns ein Steg durch ein kleines Sumpfgebiet zum herrlich schimmernden Zelenci-See, an dem die Save Dolinka ihre Reise zur Donau in Belgrad startet. Im Hintergrund erheben sich die immer noch schneebedeckten Berge und verwandeln die Szenerie in ein perfektes Postkartenmotiv.

Auf dem Weg zu unserem eigentlichen Ziel, der Martuljek-Schlucht, passieren wir das Zentrum von Kranjska Gora. Im Sportladen finde ich eine neue Sonnenbrille und eine Handy-Tasche für das Fahrrad; mit dem Diebstahl meines E-Bikes in Pilsen ist auch einiges an Zubehör abhanden gekommen...

 

Außerdem investieren wir 10 Euro in 4 Postkarten und Porto nach Deutschland. 

Ich nehme mir vor, dass wir auf unserer nächsten Reise nur noch Whatsapp schreiben!

Oder eine einzige Karte von der ganzen Tour nach Hause schicken...

Slap!

Rund 6 km radeln wir bergab bis zum Einstieg auf den Wanderweg zum Wasserfall. Neben dem durch die Schlucht mäandernden Fluss laufen wir Bergauf zum Wasserfall Spodnji Martuljkov, der dort rund 50 Meter in die Tiefe stürzt. Wasserfall heißt auf slownisch „Slap“– meiner Meinung nach ein onomatopoetisches Wort: Man hört das Wasser beim Aussprechen auf Stein aufprallen und in alle Richtungen spritzen. 

 

Es treibt uns immer weiter in die Berge bis wir beim nächsten Wasserfall, dem Zgornji Martuljkov, ankommen...

Auf dem Weg dorthin erklärt mir das Kind in aller Ausführlichkeit, wie wir die Evolution für uns nutzen können: Seiner Theorie nach würden sich nämlich – wenn wir 10 Jahre lang im Wasser leben (und dafür müsse man nur eine Dauerkarte im Tübinger Schwimmbad erwerben) – unsere Körper an die Umgebung anpassen. So könnten wir uns ganz einfach zu Wassertieren entwickeln. Evolution halt!

 

Wir einigen uns darauf, uns zu Robben zu verwandeln und uns dann von Onkel Hans besuchen und trainieren zu lassen. Natürlich überlegen wir auch, womit wir uns als Robben füttern lassen und welche Kunststücke wir gerne einüben möchten. 

Auch Alternativen, die in Frage kämen, wenn das mit dem Verwandeln in Robben nicht so einfach werden würde wie gedacht, werden in Erwägung gezogen. Bis hin zur Paarung wird alles durchdacht und besprochen...

Probieren geht über studieren...

Auf dem Rückweg füllen wir unsere Brottüte und die leere Tupperdose mit Tannenwipfelspitzen. Tante Google hat mir vor kurzem verraten, dass man die zum Erstellen von Hustensirup verwenden kann. Ich habe das noch nie probiert, aber bin ja stets für Experimente offen! Und das Moggelchen ist sowieso für jeden Schabernack zu haben...

 

Am Abend bleiben wir auf dem bisherigen Stellplatz. 

Da in Slowenien freistehen verboten ist und ich unser Budget lieber für Aktivitäten als fürs Übernachten ausgeben möchte, ist das die günstigste Option. 

 

Die Story-Telling-Hypnose-Sitzung per Zoom, zu der mich Manuela dankenswerterweise eingeladen hat, lässt mich ganz entspannt in Reich der Träume gleiten. Leider vergesse ich sofort nach dem Aufwachen die Erkenntnisse, die mir mein Unterbewußtsein in Form von zahlreichen Bildern geschenkt hat. 

So ein Mist aber auch: Dann muss ich wohl nochmals an einer Sitzung teilnehmen und Schreibzeug neben dem Bett deponieren...

FreizeitSpiele für groß und klein...

Den Morgen starte ich mit meiner altbewährten Viertelstunde Hula Hoop und dem Mobility Flow. Dann kommt Malte an die Reihe: Sie wird aufgeräumt und geputzt und ganz zum Schluß gehört meine volle Aufmerksamkeit meinem kleinen Schnarcher, der heute geräuschvoll länger schläft als sonst und nur nach sanftem Wecken zum Augenöffnen bereit ist.

 

Um 9 Uhr ziehen wir los und fahren über Italien mit wundervollen Ausblicken ins Outdoor-Paradies nach Bovec. Als wir im Herbst 2021 dort waren, konnten wir leider nur noch eine der dort angebotenen Aktivitäten buchen. Daher ist das Motto heuer: „Wir lassen uns nichts entgehen!“

Für 11.30 Uhr habe ich uns zum Ziplinen angemeldet (www.ziplineslovenia.si). Mit mehr als 3,5 km Seil auf 5 Querungen eines Tales verteilt konnte sich Bovec jahrelang der längsten Zipline Europas rühmen. Aber selbst wenn dieser Rekord inzwischen anderweitig vergeben ist, macht es unheimlich Spaß mit Klettergurten gesichert in über 150 m Höhe mit bis zu 50 km/h über die Bäume zu schweben. 

 

Das Moggelchen ist anfangs skeptisch, fängt aber schon bei der ersten Fahrt mit einer der Begleitpersonen Feuer – sowohl für das Ziplinen, als auch für die Begleitperson! Erst beim vierten Abschnitt darf ich seine Tandempartnerin sein und mit ihm und jeder Menge Schwung über die Schlucht fliegen.

Völlig geplättet vom Adrenalin kehren wir nach 3 Stunden zurück ins Stadtzentrum. Nach einer kleinen Stärkung sind wir uns einig, dass wir am Nachmittag noch eine Runde Raften drauflegen möchten. Zum Sonderpreis bekommen wir Ticket für ein Boot um 16.30 Uhr.

 

Pünktlich starten wir auch dieses Mal das Abenteuer. Gemeinsam mit 5 weiteren Touristen aus Deutschland und den Niederlanden werden wir ans Ufer der Soca gefahren. Dort erhält jeder einen langen Neopren-Anzug, Schuhe, Schwimmweste und Helm. Dann geht es zum Boot und ins eiskalte Wasser. Unser Guide macht von Anfang an einen guten Job – kein Wunder: Er ist mehrfacher Weltmeister im Raften mit dem brasilianischen Open-Men-Team.

Mühelos lenkt er uns durch die Stromschnellen und gibt ab und an Anweisung, wie wir Paddeln sollen. Wenn es zu rau wird, teilt er uns in gebrochenem Englisch mit, dass es nun angebracht wäre, sich im Boot in Sicherheit zu bringen und sobald die „Gefahr“ gebannt ist, wird mit den Paddeln in der Luft gefeiert. 

 

Es macht unheimlich Spaß – auch wenn der Moggelmann beim ersten Kontakt mit dem eisigen Wasser beleidigt sein kleines Schnütchen verzieht und im Nachhinein konstatiert, dass das Vormittagsprogramm deutlich mehr seinem Geschmack entsprochen hat. 

 

Als wir zur Abendessenszeit zu Malte zurückkehren, sind wir beide erschöpft.

Vorsichtig packe ich meinen rechten Fuß aus: Der mittlere Zeh, der beim Seminar vor einer Woche deutlich in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist immer noch geschwollen und schmerzt.

Schonen und kühlen...

Ich glaube nach wie vor, dass ich ihn gebrochen habe. Aber da meine beiden Schwägerinnen im medizinischen Bereich bewandert sind, hole ich Rat ein.

„Auf jeden Fall schonen und kühlen!“, lautet die Devise für die nächsten Zeit.

Das wird schwer, habe ich doch für morgen eine 25 km lange Wanderung durchs Soca-Tal geplant...

 

Mal sehen, wie der Zeh am Morgen wirkt. 

Wenn er besser aussieht, schaue ich am Abend einfach nicht mehr hin.

Ich weiß aus anderen Lebensbereichen, dass das auf jeden Fall hilft!