28.8. - 03.09.2022
Farmers Market...
Auf dem Weg zu Varbergs Kallbadhuset sehe ich am Straßenrand handschriftlich beschriebene Holzschilder, die für einen „Farmers Market“ am 27. und 28.8. werben. Ich bin neugierig: Ob das ein lokaler Gemüsemarkt ist? Oder ein Verkauf anderer traditionell schwedischer Waren?
Schnell schaue ich im Internet nach mehr Informationen und finde tatsächlich ein aussagekräftigeres und sehr ansprechendes Plakat bei Facebook.
Ungeniert – wie ich auch sein kann – nutze ich die Gunst der Stunde im Umkleideraum und frage bei Einheimischen nach, wo dieser Markt stattfindet. Wir werden über Google auf einen Aussiedlerhof in der Nähe verwiesen, was das Ganze noch spannender macht.
Ich beschließe, dass wir sofort nach dem Saunieren zur „Strömma Farmlodge“ fahren. Wenn es ein Bauernhof ist, können wir sicher auch vor Ort übernachten. Sollte es nicht gut aussehen, verlieren wir zumindest keine Zeit und fahren einfach heute noch weiter...
In Tvaaker angekommen, erhalten wir von einem Nachbar des Farmbesitzers die Erlaubnis über Nacht auf dem Gelände zu bleiben. Bei ihm können wir uns auch über den Markt informieren und beschließen einstimmig, dass sich das Ganze lohnend anhört.
Bis die Veranstaltung um 11.00 Uhr beginnt, machen wir Frühsport, spülen, räumen auf und Frühstücken den leckeren Obstsalat, den wir am Vorabend zusammen geschnippelt haben.
Als wir unseren Eintritt bezahlt und sich die Pforten geöffnet haben, finden wir uns auf einem wunderschön dekorierten, unglaublich großen Farmgelände wieder. Eine für die Abgeschiedenheit des Hofes erstaunlich große Menge Einheimischer verteilt sich mit uns an den zahlreichen, verschiedenen Ständen, an denen Gemüse, Honig, Getränke, Käse, Würste, Brote, Schmuck, Töpfersachen, Geschirr, Kleidung und andere hübsche Kleinigkeiten – alles aus der Umgebung – angeboten werden.
Verschiedene kostenlose Bastelmöglichkeiten für die Kinder und im 30 Minuten-Takt wechselnde Bands machen den Aufenthalt auf dem Markt zu einem perfekten Programm für uns drei. Die gesamte Atmosphäre ist wie in einem gelungenen Film – wir können unser Glück hier gelandet zu sein, kaum fassen.
Wir probieren alles, was zum Kosten angeboten wird, schnabulieren fluffige Kanelbullar und kaufen in unserer Euphorie leckeren Käse und alkoholfreien Champagner aus Kombucha.
Erst gegen 15.00 Uhr können wir uns loseisen und den Weg nach Göteborg antreten.
„Das“, so sind wir uns auf der Fahrt einig, „war wunderschön!“
Sich selbst führen...
Da ich bei Park4night auf allen Parkplätzen Göteborgs von Einbrüchen lese, checke ich uns auf einem der wenigen Campingplätze der Stadt ein.
Noch ein Fenster weniger können wir wirklich nicht gebrauchen!
Wir nutzen die Möglichkeiten des Campingplatzes, spülen und duschen mit warmem Wasser und schauen – als das kleinere Kind im Bett ist – in Vorbereitung auf die nächsten Tage Astrid Lindgrens biografischen Kinofilm an.
Am Morgen fahren wir dann mit Malte ins Zentrum. Ein Parkplatz im Hafen hat zumindest für den Tag akzeptable Kritiken und bietet außerdem die Möglichkeit gebührenfrei mit dem Schiff in die Altstadt zu kommen.
Dort folgen wir einem Online-Spazier-Vorschlag, denn trotz intensiver Recherche war keine geführte Walking-Tour buchbar. Letztlich erweist sich dieser Umstand aber als sehr passend für uns, denn so können wir zwischen den einzelnen vorgeschlagenen Sehenswürdigkeiten ausgiebig bummeln...
Besonders gut gefällt uns allen an diesem Nachmittag Göteborgs Palmenhaus.
In einem schönen Park gelegen, beherbergt es verschiedenste Palmen, riesige Kakteen und tropische Blumen.
Gegen 17.00 Uhr kehren wir erschöpft zu Malte zurück und machen uns auf den Weg Richtung Vättern.
Völlig ungeplant entdecken wir eine Fahrstunde vor unserem eigentlichen Ziel einen wunderschönen und explizit für Wohnmobile ausgewiesenen Platz in Ulricehamm: Direkt am Wasser, neben einem großen Park inklusive neuem Spielplatz und mit Badehaus und Sauna.
Kurzerhand werden die bisherigen Pläne umgeworfen, denn hier ist es schön und wir
möchten bleiben.
Den Rest der Strecke bis Gränna vertagen wir einfach auf den nächsten Tag!
Schämst Du Dich nicht?!?
Während ich mich am Morgen für einen Gang in den Park anziehe, fragt mich das Moggelchen ganz unverblümt: „Sag mal, Mama, schämst Du Dich nicht?!?“.
Ich bin verdutzt: „Wofür soll ich mich schämen?“.
„Weil Du so nackt hier rumstehst!“, antwortet das Kind.
Ich schmunzle: Das sich schon längere Zeit entwickelnde Schamgefühl des Moggels scheint einen neuen Höhepunkt erreicht zu haben...
„Nein!“, entgegen ich voller Überzeugung „Ich schäme mich nicht!
Ist doch nicht schlimm, mal nackt zu sein."
Und nach kleiner Pause möchte ich ergänzen:
"Ganz im Gegenteil: Es ist normal!
Ich finde mich und meinen Körper eigentlich ganz schön. Warum sollte ich mich für ihn schämen?“
„Schämst Du Dich denn?“, frage ich zurück.
„Ja!“, antwortet der kleine Mann sofort.
„Und wofür schämst Du Dich?“, möchte ich weiterwissen.
„Wenn jemand meine Haut sehen kann...“, erklärt er da.
Wie schade, denke ich bei mir.
Wie schade, wenn wir uns für unsere Körper, unsere Haut, unser so-sein-wie-wir-sind schämen und das bereits in aller frühsten Jahren.
Und dennoch erinnere ich mich daran, dass ich mich als Kind auch geniert habe: Ich wollte mich nicht vor anderen nackt zeigen. Und ich habe mich geschämt: Beispielsweise wenn meine Eltern freizügiger waren, als ich es mir gewünscht hätte.
Vielleicht gehört diese Phase zur normalen Entwicklung dazu?
Vielleicht ist Scham ohne Mädchen-Besuch auch gar keine Frage mehr?
Ich belasse es daher dabei und werde abwarten, bevor ich weiter bohre.
Und ich möchte noch viel bewußter als bislang mit gutem Beispiel vorangehen – nicht immer nackt, aber mit noch mehr und offensichtlicherer Selbstliebe:
You´re beautiful – that´s for sure...
I am a DJ...
Beim Gang durch den Park entdecken wir ein fantastisches Spielgerät: Das Yalp Fono von Lappset.
Auf diesem, einem Mischpult nachempfundenen Block kann man – entweder vom eigenen Handy oder auf dem Gerät gespeicherte – Musik über verschiedene Regler schneller, langsamer, lauter und leiser stellen, sie scratchen, filtern und anderweitig verändern, so dass am Ende ganz neue Sounds entstehen, die sofort zum Tanzen auf dem Platz um das Yalp herum motivieren.
Wir probieren alles an diesem Gerät aus, lachen, tanzen und haben jede Menge Spaß daran. So etwas Cooles, Kreatives und Lustiges würde ich mir für die Jugendlichen in Tübingen auch wünschen...
Da es uns schwerfällt, diesen schönen Ort zu verlassen, beschließen wir unser restliches Programm einen Tag nach hinten zu verschieben und noch länger in Ulricehamm zu bleiben.
In aller Ruhe können wir daher mit den Rädern und Inlineskates Lebensmittel einkaufen und im Anschluß daran ein kleines Stück auf dem gut geteerten Radweg um den See herumfahren.
Während ich am späten Nachmittag an einem Online-Seminar über Gewaltfreie Kommunikation teilnehme, spielen Thea und der Moggelmann nochmals ausgiebig am Yalp Fono...
kleine geschenke...
Als wäre der Tag nicht schon schön genug, erklärt sich das Kindchen dazu bereit, heute allein einzuschlafen und Thea und mich - ohne jegliches Gejammer - für ein paar Saunagänge ins Kallbadhus ziehen zu lassen.
Als einzige Gäste genießen wir beim Saunieren einen wunderschönen Sonnenuntergang, der sich mit all seinen Schattierungen in orange, rot, rosa und violett im Seewasser spiegelt.
Früh am nächsten Morgen machen wir uns abfahrbereit, laden die Räder auf, stärken uns, sichern alles, was beim Fahren fallen könnte und ziehen dann los.
Endlich in Gränna angekommen gehen wir in jeden Bonbonladen, den wir sehen. Wir beobachten, wie die bekannten Zuckerstangen in mühsamer Handarbeit hergestellt und verpackt werden, probieren uns durch das halbe Bonbon-Sortiment und kaufen dann für all unsere Lieben – und uns – Unmengen vom bunten Zuckerzeug.
Zum Mittagessen fahren wir Malte dann an den Hafen, denn mit Ausblick auf die Boote schmeckt es gleich noch besser!
Letztes Jahr waren hier in Wassernähe noch Läden von Kunsthandwerkern, auf die ich mich schon gefreut habe, aber dieses Jahr ist alles geschlossen. Ende August, so schließe ich daraus, ist die Hauptsaison in Schweden schon vorbei. Hoffentlich macht uns diese Erkenntnis nicht noch einen Strich durch unsere Planungen...
Erneut auf Astrid Lindgrens Spuren...
Auf dem Weg nach Smaland, wo wir in Rumskulla neben einem kleinen Teich übernachten, hören wir die Geschichten von Michel aus Lönneberga. Da wir Katthult letzten Sommer nicht besucht haben, möchte ich es dieses Jahr nachholen.
Die Gebäude des Hofes, auf dem die Filme über Michel gedreht wurden, liegen wie auf einen Spieltisch gefallene, rote Würfel zwischen den sanften, grünen Hügeln. Der Wald ringsherum lädt geradezu zu Lausbubenstreichen ein. Eine tatsächlich perfekte Kulisse für Michel...
Da die Gebäude von Privatpersonen bewohnt werden und diese auch irgendwann Ruhe haben möchten, ist hier ebenfalls ab Ende August alles geschlossen.
Wir können aber zwischen den Gebäuden umherlaufen und uns an die jeweils dazugehörigen Geschichten erinnern.
Eine knapp 8 km lange Spazierrunde führt uns zu weiteren Drehorten der deutsch-schwedischen Kultfilme über den blonden Bengel. Nach einem Mittagessen auf dem Parkplatz des Geländes fahren wir zur Beendigung unseres ersten Astrid-Lindgren-Tags für einen kurzen Besuch auf die Bullerbü-Höfe.
Dann erinnere ich mich an den phantastischen Waldsee, an dem wir letztes Jahr gehalten haben. Hier möchte ich die Nacht verbringen!
Dort angekommen sind Thea und der Moggel sofort dafür zu haben, das Stand Up Paddelboard auszupacken. Die letzten Sonnenstrahlen genießen wir alle am, auf und in dem dunkelgrün funkelnden Wasser
Am nächsten Morgen verschlafen wir alle.
Als Erste von uns Dreien wach ich kurz nach 9 Uhr auf: Der Plan schon um 10 Uhr in Astrid-Lindgrens-Welt anzukommen, ist mit diesem Timing natürlich hinfällig...
So schnell es – ohne Stress entstehen zu lassen – geht, packen wir nach einem Snack alles ein und fahren nach Vimmerby. Dort stoppen wir kurz im Supermarkt, denn für ein Picknick im Freizeitpark reichen unsere Vorräte nicht mehr.
Gut ausgerüstet können wir kurz nach Öffnung des Geländes schon die Krachmacher-Straße betreten und Richtung Katthult flitzen, wo wir gerade noch in die erste Vorführung von „Michel in der Suppenschüssel“ witschen, bevor sich die Tore schließen.
Auch wenn alles auf schwedisch ist, ist die Handlung Dank der Hörspiele und Bücher gut zu verstehen.
Dann ist Karlsson vom Dach an der Reihe. Während dieser Aufführung bemerke ich, wie sehr ich bei unserem letzten Besuch mit der Handvoll Kinder beschäftigt war, die dabei gewesen sind, und wie wenig meiner Aufmerksamkeit so für die Darbietungen und Angebote übrigblieb: Karlsson vom Dach habe ich beispielsweise überhaupt nicht wahrgenommen...
Im Anschluß an die Ausschnitte aus Lillebrors Leben gehen wir zu Pippi, die dieses Mal Besuch von ihrem Vater bekommt. Mit einem echten Schiff – was den Moggel unheimlich begeistert – fährt Kapitän Langstrumpf bis zur Villa Kunterbunt und wird dort mit viel Getöse empfangen.
Beim Wettstreit um die Frage, wer stärker ist, schlägt Pippi ihren Papa.
Krampfhaft sucht mein Kind nach einer Erklärung für diesen Unsinn:
„Mama, weißt Du, warum die Pippi Langstrumpf so stark ist?“, fragt er mich.
„Nein, warum?“ antworte ich und bin gespannt auf seine Gedanken.
„Weil die gedopt ist!“, klärt er mich auf. „Damit steigert sie ihre körperliche Leistungsfähigkeit, Mama!“
Ich liebe ihn einfach, meinen kleinen Erklär-Bär...
Den ganzen Tag verbringen wir in der Welt der Lindgren-Geschichten und lassen uns von der Vielfalt der Figuren und ihrer liebevollen Inszenierung im Park faszinieren.
Erst am frühen Abend kehren wir völlig erschöpft zurück zu Malte, die geduldig auf dem großen Parkplatz zwischen anderen deutschen Wohnmobilen auf uns wartet.
Zufällig entdecke ich beim Wegfahren noch eine Be- und Entlade-Station für Grau-, Schwarz- und Frischwasser.
Das passt genau, da vor unserem nächsten Stop keine Möglichkeit mehr ist, unsere leeren Tanks zu füllen und die vollen zu entleeren.
Die Leichtigkeit des Tages weiter erhaltend kehren wir bei Vaxjö im goldenen M und beim Pizza-Hut ein. Nach so viel Konsumverhalten habe ich auch keine Lust mehr, aktiv zu werden und zu kochen...
Satt und müde beschließen wir, die Nacht auf dem Parkplatz vor dem XXL-Sport zu verbringen, aber kurz vor 22.00 Uhr werden wir gebeten, das Gelände zu verlassen, da die Schranke bis zur Ladenöffnung am nächsten Morgen geschlossen wird.
15 km weiter finden wir vor einem Museum Platz und fallen nur noch müde ins Bett.
Schwedens wahrzeichen...
Theas Wunsch in Schweden Elche zu sehen, führt uns am nächsten Morgen nach Hamneda in den Elinge-Park.
Dort kann man Ziegen, Schweine und – in großen Wildgehegen – auch 4 Elche sehen und mit zarten Birkenzweigen füttern.
Die Tiere sind riesig und sehr zutraulich. Mit ihren großen, weichen Schnauzen knabbern sie vorsichtig an, was man ihnen durch den Zaun entgegenstreckt. Mit etwas Glück kann man sie dabei sogar eine ganze Weile streicheln.
Schade, dass uns eine derartige Begegnung nicht in freier Wildbahn vergönnt war...
Das wäre Schweden-Klischee pur gewesen...
Dafür entdecken wir beim Streifen durch das angrenzende Wäldchen Heidelbeeren.
Zwei Tupperschüsseln können wir mit dieser wilden Leckerei befüllen und das reicht uns für mindestens 2 Mal „Milchreis a la Moggelmann“...
Bei Astorp stocken wir nochmals unsere Lebensmittelvorräte auf – Hafermilch und Ahornsirup sind nun ein „Muss“ – und dann geht es für die Nacht ein weiteres Mal nach Bjärred, das wir bereits von letzter Woche kennen.
Nach einem schnellen Essen geht das Moggelchen ins Bett und lässt Thea und mich nochmals allein zum Saunieren.
Ich bin total erstaunt, wie bereitwillig er uns diese Zeit zu zweit zugesteht, die ich sehr genieße: Mein Patenkind ist groß – wer weiß, wie lange sie überhaupt noch Lust auf Treffen mit mir hat?
Vor allem, wenn unser Programm eine permanenten Mischung der Interessen eines 5-jährigen, einer 16-jährigen und einer 46-jährigen ist...