21. – 27.08.2022
Der Zahn ist weg!
Begeistert hüpfen wir beide durch Maltes Bauch, als sich am Sonntagmorgen ganz plötzlich und ohne jede Gewalt der erste wackelnde Zahn aus Moggelchens Mund löst.
„Juhu!“, freue ich mich für mein Kind und „Huuh!“, bin ich gleichzeitig wehmütig, denn nun liegt offensichtlich alles babyhafte hinter uns.
Wie schnell das ging!
Gerade eben war er doch noch ... so klein, in Windeln, gebärdend, mit Brei, auf dem Bobbycar, im Mutter-Kind-Turnen ... und jetzt ist er so groß und stark, voller Neugier, Welterforscher, Nachwuchs-Handwerker, ein Kindergarten-Sonnenkind, fast schulreif und seit heute auch ein Zahnlücken-Bub!
Ich bin unglaublich glücklich, dass er bei uns ist!
Und wirklich stolz auf ihn!
Wie gut ich es doch habe mit meinem Leben!
Als alle wichtigen Personen telefonisch über diesen Meilenstein informiert sind und unsere Euphorie abebbt, laden wir die Räder ab.
Dann wird gefrühstückt – der obligatorische sonntägliche Obstsalat...
Vom Parkplatz der Braendkjaer-Schule, auf dem wir heute übernachtet haben, radeln wir nach Bjert Strand. Es ist keine besonders schöne Strecke und auch unser Ziel hat keine Sehenswürdigkeit zu bieten, aber wir waren schon so lange nicht mehr länger radfahrend unterwegs, dass uns beides vollkommen egal ist.
Nach 2 Stunden – natürlich mit vielen Unterbrechungen – Fahrt angekommen, gönnen wir uns ein dickes Soft-Eis in der Strand-Isbar. Obwohl ich wieder die kleinste Portion für uns wähle, kämpfen wir beide mit der Menge: Dänen müssen ein besonderes Soft-Eis-Verdauungs-Gen besitzen.
Es ist, glaube ich, auf dem gleichen Strang DNA angesiedelt, wie das Lakritze-Gen...
Kaum setzen wir uns auf die Bank vor der Isbar, beginnt es zu regnen. Schnell flüchten wir unter die Markise und schlecken dort weiter.
Auf der Rückfahrt halten wir an einem schönen Spielplatz und schaukeln, bis wir uns fast überschlagen. Es ist nicht zu leugnen, dass der Moggel von Tag zu Tag mutiger wird.
In Park4night finde ich einen tollen Parkplatz in Middelfart: Direkt am Meer, mit Toilette und kostenfrei. Einziges Problem ist, dass die Stellplätze beschränkt sind und man rechtzeitig vor Ort sein muss, um – auch dann noch mit Glück – einen zu ergattern.
Mutig sein lohnt sich...
Wir fahren sofort los und sind dennoch zu spät: Die Plätze sind bereits belegt.
Eines der Wohnmobile aus Holland allerdings steht so ungeschickt, dass mit ein wenig Korrektur durchaus noch Platz für Malte wäre. Ich überlege hin und her, ob ich beim Besitzer fragen soll, ob er nicht etwas rutschen kann...
Als der Platz immer voller wird, nehme ich meinen ganzen Mut zusammen. Der Gedanke, dass jemand anders sich trauen könnte und wir dann gar keine Chance mehr haben, bringt mich in Zugzwang.
Das niederländische Paar ist sehr freundlich und bewegt sich ohne Probleme 2 Meter zur Seite, so dass wir in die Lücke passen. Ich bin überglücklich: Zum einen, weil ich mich überwunden habe, zu fragen und zum anderen, weil wir auch noch Erfolg damit hatten!
Bei einem kurzen Spaziergang erkunden wir die Umgebung und machen Pläne für den nächsten Tag: Das Moggelchen möchte gerne – wie im Survival-Camp – aus den Pflanzen am Strand ein Seil flechten und ich würde gerne Schweinswale im vor uns liegenden Belt sehen. Beides klingt ungewöhnlich, aber durchaus machbar...
Am nächsten Morgen machen wir uns nach etwas Sport und einem Frühstück mit Blick aufs Meer sofort ans Werk. Der Moggel schneidet büschelweise Pflanzen und befreit sie von Blättern, während ich die blanken Stile verflechte. Am Ende des Vormittags haben wir ein etwa 2 m langes, 5 cm dickes „Seil“, dass zwar zu nichts nütze ist, aber dennoch das Kind erfreut.
Interaktive kleine Tiershow...
Nach einer kleinen Mittagspause schnappen wir uns einen Eimer und unseren Käscher. Im Nu verwandeln wir uns von Überlebenskünstlern zu Meeresforschern und gehen auf Expedition.
Vom nahegelegenen Steg aus sehen wir unzählige Seesterne und Krabben und fischen erstere mit etwas Geschick aus dem Wasser.
Eine dänische Mama und ihre zwei Jungen spielen ein ähnliches Spiel, wie wir. Allerdings sind sie professioneller ausgerüstet und haben Krabben-Angeln – eine Wäscheklammer an einer Schnur, mit Stein beschwert und einem Stück Salami bestückt – dabei. Innerhalb von Minuten ziehen sie mehrere Krabben damit an Land. Wir stehen mit offenen Mündern daneben...
Freundlich bietet uns die Mutter an, das Angeln auch zu probieren. Wir bekommen dafür eine eigene Krabben-Angel und legen sofort los. Das Moggelchen ist Feuer und Flamme und auch er braucht nur Sekunden, bis das erste Tier an seiner Wäscheklammer hängt.
Als der Eimer voll ist, lassen wir die Krabben wieder frei. In einer Art Wettrennen krabbeln sie vom Steg zurück ins Wasser.
Kaum sind alle verschwunden, schwimmt eine riesige, wunderschöne Feuerqualle durchs Wasser. Ich komme mir vor, wie in einer interaktiven Zoo-Vorführung und zücke natürlich sofort die Kamera...
Jetzt fehlen nur noch meine Schweinswale!
Als hätte mich der Himmel gehört, sehen wir nach Hinweisen der netten Dänin tatsächlich in etwas Entfernung Flossen aus dem Wasser auftauchen. Zwei Wale zeigen sich mehrmals, bevor sie wieder in den Tiefen des Meeres verschwinden.
Jetzt gibt es kein Halten mehr: Wir holen unser Stand Up Paddel Board und gehen – in der Hoffnung, die Tiere nochmals aus nächster Nähe sehen zu dürfen – aufs Wasser.
Wir müssen nicht lange paddeln, bis wir auf einen einzelnen Schweinswal treffen. Etwa 100 m vor uns holt er Luft und taucht dann wieder ab. Leise und langsam rudern wir in die Richtung, in die er vermutlich weiterschwimmt.
Kurz darauf höre ich ein ungewöhnliches Geräusch: Rund 50 m neben uns ist der kleine Wal und bläst...
Die Zahnfee kommt...
Völlig im Glück kehren wir zu Malte zurück, essen Abend, packen unsere Sachen für die Abfahrt am nächsten Morgen und gehen ins Bett.
Bevor wir einschlafen, packen wir Moggels ersten Zahn in eine Dose und legen diese unters Kopfkissen.
Hoffentlich findet uns die Zahnfee an diesem abgelegenen Ort. Gestern haben wir ihr ja abgesagt und sie per Brief auf heute vertröstet.
Möge sie uns diese Extrawurst verzeihen...
Sie tut es: Am Morgen findet der kleine Mann eine Packung Lego im Bett. Er ist glücklich: „Genau das habe ich mir schon so lange gewünscht!“, meint er und packt sofort alles aus.
Märchenhafte welt...
Seit wir in Dänemark sind, hören wir die Märchen von Hans Christian Andersen.
Daher können wir unter keinen Umständen Odense, die Geburtsstadt des Erzählers, auslassen. Zufällig ist dort diese Woche das Hans-Christan-Andersen-Festival und so fahren wir am frühen Morgen los, um den ganzen Tag in dieser schönen Kleinstadt zu verbringen.
Im Internet habe ich uns ein abwechslungsreiches Programm an Straßenkunst zusammengestellt: Wir beginnen mit einer Akrobatik-Show, radeln dann zur Ballett-Aufführung der „Prinzessin auf der Erbse“, gönnen uns im Anschluß einen leckeren Milchshake, lauschen Straßenmusik mit Instrumenten aus dem 18. Jahrhundert und beenden den Tag mit einer Clowns-Vorführung eines Clowns aus Argentinien.
In seiner berührenden Show bindet er immer wieder Kinder, unter anderem auch das Moggelchen, ein. Ich wechsele zwischen Lachen und Weinen und fühle mich nach so viel Kultur ganz gelöst und erfüllt.
Zwischen diesen Programmpunkten bummeln wir durch die Fußgängerzone. Beim Infostand der Festival-Leitung, die wir wegen weiterer Vorschläge befragen, bekommt der Moggel noch eine große Tüte Werbegeschenke in die Hand gedrückt.
Nun nennen wir eine schöne Vesperbox und eine neue Trinkflasche von Bodum unser Eigen.
Damit wir am nächsten Morgen pünktlich zu unserem Date mit Lisa, der Schwester von Max Freundin Lena, kommen, fahren wir am Abend noch nach Kopenhagen.
Kopenhagen...
Wie immer in einer Großstadt muß ich mich nach dem frühen Frühstück mühsam zurechtfinden: Wo können wir mit unserer großen und dicken Malte parken, wie kommen wir mit Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum, was möchten wir dort sehen und erleben?
Heute übernimmt die Beantwortung eines Teils dieser Fragen Lisa, denn als studierte Fremdenführerin holt sie uns am Hauptbahnhof ab und zeigt uns vom Hafenbus aus alles, was vorerst wissenswert ist: Wir sehen Kopenhagens königliche Bibliothek, den sogenannten „schwarzen Diamant“, die Oper, die berühmte Häuserzeile in Nyhavn, den großen Schiffshafen und die kleine Meerjungfrau. Auf dem Rückweg laufen wir durch eine Zitadelle, queren den königlichen Palast und halten für ein Mittagessen auf einem Streetfood-Markt.
Dann verlässt uns unser wundervoller Guide und wir bummeln mit einigen Umwegen zurück zum Bahnhof. Dabei halten wir in mehreren Lego-Läden und bekommen in einem davon sogar ein Sommerset mit einer „Welle“ geschenkt.
Ich bin beindruckt, wie großzügig die Dänen mit Geschenken an Kinder sind.
Mit etwas Verspätung kommt um 18.30 Uhr unser letzter Gast am Kopenhagener Bahnhof an. Sehnlichst hat der Moggelmann schon seit 12.00 Uhr auf diesen Moment gewartet: Mein Patenkind Thea kommt für knapp 14 Tage zu uns.
Zusammen mit Thea fahren wir dann zurück zu Malte, suchen uns einen ruhigen Platz für die Nacht, essen und gehen zu Bett.
Wofür die Dänen berühmt sind...
Am späten Vormittag des nächsten Tages erhalten wir mit „Political Incorrect Walking-Tours“ einen zweiten Einblick in die Hauptstadt Dänemarks. Wir erfahren, dass der Name „Kopenhagen“ so viel wie „Kaufen – Hafen“ bedeutet, die Dänen Weihnachten vornehmlich mit „Fressen und Saufen“ feiern und dass sie in der Welt berühmt sind für die Schiffsreederei Maersk, den Spielzeughersteller Lego und hochwertige Sperma-Spenden.
Zusammen mit vielen anderen Touristen beobachten wir den Wechsel der königlichen Leibgarde und besuchen nochmals die kleine Meerjungfrau. Dann führen wir Thea in die Kunst des Softeis-Essens ein und bummeln schließlich mit vielen Stops – auch bei Lego - über die Fußgängerzone zurück zum Bahnhof.
Das Moggelchen ist den ganzen Tag aufgekratzt. Ich fühle mich extrem gefordert...
Zurück in Schweden...
Bei Malte angekommen fahren wir gleich Richtung Malmö, denn möglichst viel unserer gemeinsamen Zeit möchten wir in Schweden verbringen. Sowohl der Tunnel unter Wasser als auch die riesige Brücke übers Meer sind beeindruckend.
In Bjärred stöbere ich einen Parkplatz in Meeresnähe auf.
Durch Zufall entdecke ich dabei, dass wir ganz in der Nähe eines Seebades stehen und so beenden wir den Tag nach einem schnellen Abendessen ganz entspannt in der Sauna – mit Abkühlung im Meer und mit Blick auf die untergehende Sonne...
Da Maltes Bedürfnisse in den letzten Tagen hinten anstehen mussten, widmen wir den Freitagvormittag dem Haushalt. In Höganäs können wir einkaufen, Klo leeren und Wasser tanken.
Dann fahren wir nach Mölle. Anne und unsere zwei Reiseführer empfehlen, dort den Kullaberg zu erwandern. Auf einer 8,5 km langen Tour laufen wir nah am Meer, aber auch auf Felsen weit über dem Wasser.
Ein kleines Naturkundemuseum beim Leuchtturm macht uns mit seinen Exponaten nochmals deutlich, was wir schon alles aus nächster Nähe gesehen haben: Vögel, Seesterne, Schweinswale – so viel mehr als viele andere in ihrem ganzen Leben...
Regen von morgens bis abends...
Als ich aufwache, regnet es. Laut prasseln dicke Tropfen auf Maltes Kopf und erzeugen ein beruhigendes Dauerrauschen. Da die Wettervorhersage keine Nachricht auf Besserung der Lage hat, lasse ich das kleine und das – sowieso ständig schlafbedürftige – große Kind noch eine Weile schlafen.
Nach einem entspannten Frühstück setze ich mich an meinen Reisebericht, während die zwei für Moggelchens dampfbetriebenes Auto ein Schaufelrad basteln.
Dann ziehen wir los Richtung Göteborg.
Damit wir uns ein bisschen die Füße vertreten können, halte ich bei einer XXL-Sport-Filiale. Letztes Jahr habe ich bei dieser schwedischen Kette für den kleinen Mann einen wunderschönen Wollpullover und für mich eine warme Jacke erstanden.
Dieses Mal möchte ich den nächstgrößeren Pullover kaufen und schauen, ob ich weitere günstige Sportbekleidung finde, die günstiger ist als bei uns zu Hause.
Mit den aktuellen Gaspreisen und der Aufforderung unserer Politiker doch für den Frieden zu frieren, kann es nicht schaden, ausreichend dicke Sachen im Schrank zu haben und die Schweden kennen sich mit Kälte ja noch aus...
Nächster Zwischenstop ist Varberg. Dort möchten wir das herrlich altmodische Kallbadhuset besuchen und nochmals saunieren. Bei der anhaltenden Nässe von oben – und weil der Fabrikverkauf von Vagabond leider geschlossen hat – ist das genau das richtige Nachmittagsprogramm für uns.
Auf dem Weg dorthin passieren wir die Absperrung für ein Mountainbike-Rennen. Von oben bis unten dreckverschmierte Männer flitzen um die Kurve und werden von einigen wenigen, im Regen ausharrenden Fans angefeuert.
Aktuell lese ich das Buch „Männlichkeit leben“ und erkenne in dieser Situation die Worte des Buches wieder: Ein Mann braucht Wettkampf, Abenteuer, körperliche Herausforderung und Bewunderung.
Dass der Moggelmann sofort Feuer und Flamme für diese Situation ist, bestätigt ein weiteres Mal die Aussagen des Autors. Wir bleiben also stehen und schauen zu...
Dann drängeln Thea und ich ins Bad, da dieses schon um 17.00 Uhr die Tore schließt.
Wenige Minuten später sitzen wir im Warmen. Mit uns schwitzen 3 junge Schwedinnen auf der untersten Bank der Sauna. Sie sind alle groß, schlank, blond und blauäugig und schnattern fröhlich.
Ich verstehe zwar nur einzelne Worte, beobachte aber mit Entzücken, wie sie sich gegenseitig mit Kopfnicken und „Jo, jo“ zustimmen. Mir scheint, die Unterhaltung läuft nach typisch weiblichen Mustern ab und dreht sich primär um Beziehungen, Alltagserlebnisse und Körperpflege.
Wie, so frage ich mich, soll das je funktionieren?
Ein Mann und eine Frau – zusammen!?
Welche Schnittmenge gibt es zwischen diesen so unterschiedlichen Wesen – außer der in der Körpermitte?
Mir fehlt eine Erklärung dafür!
Ich schwöre: Das ganze Konzept ist mir von vorn bis hinten schleierhaft!
Es bleibt nur die Hoffnung, noch bis an mein Lebensende Zeit für die Suche nach einer Antwort zu haben...