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TEIL II: 25. WOCHE – DÄNEMARK: IM SPIELPARADIES

14. - 20.08.2022

Idyllisch hier...

„Mama, ich will, dass wir ganz früh mit dem Schlauchboot einen Ausflug machen. Nur wir zwei! Es ist nämlich sehr idyllisch hier und ich kann Dir alles zeigen, was ich schon entdeckt habe!“ 

 

Wie kann ich meinem kleinen Mann einen so romantischen Vorschlag für die Gestaltung des frühen Sonntagvormittags ausschlagen? 

Ich sage zu, obwohl ja allseits bekannt ist, dass ich Schlauchbootfahren überhaupt nicht mag. Für mich gehört es in dieselbe Kategorie wie Rollenspiele machen und Sandeln oder Fahrradaufpumpen und Bügeln...

 

Wir machen uns daher direkt nach dem Aufwachen fertig und verlassen die Doric, bevor alle anderen wach sind. Da wir heute Wind haben, ist geplant, den Hafen um 10.00 Uhr Richtung Kiel zu verlassen und bis dahin müssen wir wieder da sein.

 

Zuerst paddeln wir auf den Steg an der gegenüberliegenden Hafenseite und gehen dort an Land. Unter den Holzplanken entdecken wir einen riesigen Krebs, der eilig seitwärts krabbelnd auf dem Meeresboden vor uns flüchtet. Dann fahren wir zu den Strandhäusern an der Hafenbucht, die den sowieso schon hübschen Strand noch romantischer machen. 

Der Wind bläst so stark, dass wir nicht zurückfahren können, sondern immer wieder ans Ufer getrieben werden. Daher gehen wir an Land und schleppen das Schlauchboot auf dem Rücken so weit in den Hafen, bis absehbar ist, wie wir das letzte Stück bis zur Doric auf dem Wasser schaffen. Als wir ankommen, machen Anne und Kalle das Schiff schon zum Ablegen bereit...

 

So klettern wir schnell an Bord und packen gleich kräftig mit an. Keine Stunde später tuckern wir schon aus dem Fahrwasser Richtung offenes Meer und setzen auch bald darauf die Segel. Nach einer Woche Flaute haben wir heute perfektes Wetter für die Rückfahrt nach Kiel: Das erste Mal liegen wir so schräg im Wasser, dass das Moggelchen lieber unter Deck bleibt und nur aus der Kajütenluke nach draußen linst...

 

Ich bin glücklich! So habe ich mir Segeln vorgestellt!

Definitiv ist das nicht das letzte Mal, dass ich auf einem Segelschiff bin...

Innerer Aufruhr...

Kurz vor Kiel ankern wir in einer kleinen Bucht. 

Nach einem langen und sehr intensiven Telefonat mit Tobias bin ich so frustriert und geladen, dass ich das erste Mal in meinem ganzen Leben Lust habe, Schlauchboot zu fahren. 

Bis wir am Ufer ankommen, ist meine Wut zwar nicht verschwunden, aber doch deutlich kleiner...

 

Die Nacht ist – wieder einmal – schlaflos. 

 

Auch das Ende des Segeltörns beschäftigt mich: Eine Woche lang mit fremden Menschen auf so engem Raum zu verbringen, ist mehr als spannend. 

Im Wohnmobil kann man sich zumindest noch aus dem Weg gehen, indem man nach draußen geht. Aber auf dem Meer ist das nur bedingt möglich. 

In kürzester Zeit bin ich Anne, Kalle und Nora so nah gekommen, wie anderen in vielen Jahren Bekanntschaft nicht. 

Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und die Menschen, die ich dabei kennenlernen durfte. Dass Kalle dafür sein schönes Boot für derartige Reisen zur Verfügung stellt und mit bewundernswerter Geduld und Offenheit ihm unbekannte Menschen beherbergt, erfüllt mich mit tiefer Demut gegenüber meinen oft engen Grenzen...

 

Bevor wir am letzten gemeinsamen Morgen nach Kiel-Holtenau tuckern, hüpfen Anne und ich zum Schwimmen ins Meer. Es ist erfrischend kalt und nachdem ich nun weiß, was alles im Wasser landet, auch gar nicht mehr romantisch, aber zum Abschied muss es einfach trotzdem sein... 

 

Im Hafen angekommen, räumen wir unsere Koje und befreien die Doric von den Spuren unseres Aufenthalts. Dann trennen sich unsere Wege: Anne fährt mit dem Bus zum Bahnhof und wir ziehen mit Malte weiter Richtung Norden, so dass Nora und Kalle endlich noch ein wenig Zweisamkeit genießen können. 

Wieder auf uns gestellt...

Unser erster Stop ist ein Supermarkt, denn wir brauchen dringend Lebensmittel und Wasser. Ich habe Malte noch nicht einmal abgeschlossen, als wir schon auf unsere Herkunft angesprochen werden. Unser Tübinger Kennzeichen erinnert eine Dame aus dem Werbestand vor dem Laden an ihre liebe Freundin im Schwobeländle. 

Vor lauter Freude über sie – und vielleicht ja auch uns – bekommen wir von ihr – zur Erinnerung an Kiel – eine „Kiel-Liebe-Einkaufstasche“ geschenkt. Ich freue mich sehr, denn die Tasche wird zu Hause mit ihrem hübschen Aufdruck sicher auffallen...

 

Vielleicht denke ich doch nochmal darüber nach, ob ich an meinem Vorurteil über die unfreundlichen Deutschen festhalte...

 

Den restlichen Nachmittag verbringen wir wegen des schwülen Wetters im Knopper Freibad. Das ist zwar nicht der Knaller, aber immerhin besser, als irgendwo zu sitzen und zu schwitzen!

 

Für die Nacht flitzen wir nach Schleswig, wo wir einen nur mäßig begeisternden Parkplatz finden. Da ich zu müde bin, um noch lange zu suchen, bleiben wir trotz offensichtlichem Lärm einfach stehen.

Ab morgen dann mache ich alles wieder besser; heute schaffe ich es einfach nicht mehr!

Unerwünscht?

Nachdem gestern keine Zeit mehr war, alle Spuren von unserem Segeltörn zu beseitigen, machen wir uns gleich am Morgen auf die Suche nach einer Waschmaschine. 2 Anläufe schlagen fehl, bis ich beschließe, aufzugeben und das Waschen auf den Abend und eine große Stadt zu verlegen.

 

Dem Moggelchen passt das gar nicht. Er wollte so gerne helfen und hat nicht die Chance dazu bekommen. Ein zünftiger Wutausbruch steht an. 

Als er sich wieder beruhigt hat, möchte ich wissen, was zu diesem Ausmaß an Ärgernis geführt hat. Wie soll ich angemessen Situationen wie diese begleiten, wenn ich völlig ahnungslos bin, welches Gefühl sich hinter seiner Wut versteckt?

 

Nach einigen Fragen, rückt das Moggelchen das erste Mal mit der Sprache raus: „Wenn ich nicht helfen kann, dann ruhig sein soll oder weggeschickt werde, fühle ich mich unerwünscht!“

 

Ich bin baff, wie klar er sein Gefühl beschreiben kann. Dass es treffend ist, wird offensichtlich an den Tränen, die ihm in die Augen steigen. 

Mir fällt es wie Schuppen von den Augen: Das Kind verbindet „nützlich sein“ mit „Liebe“. Nachvollziehbarerweise möchte er sich selbst und sein Tun als wirksam und wichtig erleben. 

 

Mit Neugier warte ich darauf, was passiert, wenn ich der nächsten Wut mit Anerkennung und Zeichen der Liebe begegne... Ich möchte sie nicht „weg haben“, da ich alle Gefühle für wichtig halte, aber vielleicht verändert sie sich in irgendeiner Form? Wird für ihn selbst konstruktiver?

Wikinger-Leben...

Nach dieser für mich bahnbrechenden Erkenntnis über die Gefühle meines kleinen Schatzes, fahren wir – beide emotional sehr aufgeräumt – nach Haithabu ins Wikingermuseum. Selbstverständlich hat sich der Moggel mit dem Hörspiel „Was ist Was – Wikinger“ auf diesen Besuch vorbereitet und so wundere ich mich nicht, dass er mir schon im zweiten Ausstellungsraum erklärt, was in den Vitrinen zu sehen ist. 

 

Zum Glück muss ich seine Führungen (noch) nicht bezahlen...

 

Im zum Museum gehörenden Freilicht-Komplex bilden wir uns ganz lebensnah weiter: Wie sahen die Häuser der Wikinger aus? Wie waren die Menschen damals gekleidet? Welche Berufe übten sie aus? 

Wir essen ein am Feuer gebackenes, steinhartes Fladenbrot mit Heidelbeermus, beobachten den Holzmacher beim Schnitzen eines Schiffes, befragen das junge Mädchen über die Wolle, die sie zu einem Band webt und halten ein Schwätzchen mit dem Schmied, der wegen der Hitze heute sein Feuer bereits gelöscht hat.

 

Als Erinnerung an diesen lehrreichen Tag kauft sich das Kind vom Urlaubsgeld ein Pfeil- und Bogen-Set aus Holz.

Eine gute Investition – finde ich!

Es ist zum Schiessen...

In Flensburg finden wir einen Waschsalon in der Nähe eines Supermarkts. Unter diesen Voraussetzungen kann ich mit wenig Zeitaufwand gleich mehrere der angefallenen Aufgaben im „Haushalt“ erledigen...

 

Während die Wäsche wäscht, kaufe ich schon ein und während sie noch im Trockner ist, essen wir schon zu Abend. Diese Zeitersparnis ermöglicht es uns, für die Nacht nach Dänemark weiterzufahren. 

 

Ich – das Moggelchen ist während der Fahrt eingenickt – finde einen ruhigen Parkplatz direkt neben einem Wildpark bei Norskovgard und freue mich, über die Entspannung, die hier möglich sein wird. 

Als ich aber den Alkoven zum Schlafen fertig mache, trifft mich der Schlag: Wir haben keine Seitenfenster mehr!

 

In unserer Aufgabenverteilung hatten wir vereinbart, dass das Schließen der Fenster Aufgabe des Kindes ist und ich habe es am Morgen auch explizit daran erinnert, als es neben den Fenstern saß. 

Aber ich muss natürlich zugeben, dass ich es vor der Abfahrt hätte kontrollieren sollen! 

Ich bin die Erwachsene...

 

So haben wir die beiden Fenster nun irgendwo zwischen Schleswig und Norskovgard verloren.

Mist! 

Mist, Mist, Mist!

 

Völlig entnervt rufe ich Tobias an: Ich brauche jetzt Verständnis für meinen Ärger, Trost...

Leider kann der mir aber keine Empathie, sondern lediglich gutgemeinte Rat-Schläge schenken.  

Nochmal Mist! 

Doppelmist, Doppelmist, Doppelmist!

Der nächste Morgen ist geprägt von dem Bemühen neue Fenster zu organisieren. Überall – ich finde drei Werkstätten, die von Weinsberg explizit als Fachhändler ausgewiesen werden – vertröstet man mich auf einen Rückruf, der aber letztlich von niemand kommt... (Nachtrag: Auch in den kommenden Tagen ruft niemand zurück).

 

Was erwarte ich auch? Es ist Ferienzeit, ich telefoniere mit Fahrzeughäusern aus Deutschland und nur hier ist für die nächsten Tage Regen angesagt! 

Wenn ich mich da an die Erfahrungen in Polen und Italien erinnere...

 

Ich muss also andere Möglichkeiten finden:

„Bin ich Magic Mama oder bin ich es nicht?“, frage ich mich.

Aus Karton und Mülltüten bastele ich – natürlich mit entsprechenden Tips vom interessierten Moggelmann – eine passende Abdeckung, die unter akrobatischen Verbiegungen auf der Alkovenleiter mit Panzertape an Malte befestigt wird. 

 

Die richtigen Maße und die Firma der Originalfenster für die beiden Ersatzscheiben werde ich auch noch rauskriegen. Das wäre doch gelacht! Dazu braucht doch kein Mensch eine fachkundige Werkstatt!!!

Als ich endlich fertig bin, nutzen wir den in uns steckenden Kampfgeist aus und üben auf dem Parkplatz Bogenschießen. Mit Dosen-Ziel und liegender Hula-Hopp-Scheibe...

 

Nach 2 Stunden verliere ich die Lust daran, für meinen Ritter Pfeile aufzusammeln und schlage vor, dass wir jetzt endlich den Wildpark erkunden. Mit etwas Glück sehen wir vielleicht irgendwelche Tiere...

Ein Rudel RotHirsche...

Gesagt, getan: Wir packen ein bisschen Proviant und ziehen los. 

Kaum hat sich das große Eingangstor aus Holz hinter uns geschlossen, stehen einige Rehe vor uns. 

 

Ich erschrecke fast, denn so schnell habe ich nicht mit der Erfüllung meiner Wünsche gerechnet..

Nur rund 100 Meter weiter können wir eine Gruppe Rothirsche beim Grasen beobachten. Die 16 Tiere lassen sich von unserer vorsichtigen Annäherung nicht stören...

 

Nach diesem Naturschauspiel laufen wir weiter, sehen verschiedenste Vögel am See, vermuten einen Biber im Uferbereich, entdecken ein nettes Restaurant, pausieren für Nüsse und Wasser auf einer Bank und kehren dann beglückt zurück zu Malte. 

 

Meine Stimmung ist nach diesem schönen Spaziergang deutlich besser als am Problem-Fenster-Vormittag!

Guter Laune machen wir uns auf Richtung Billund. 

 

Auf einem kleinen Campingplatz außerhalb finden wir ein Plätzchen. Tatsächlich parkt wenige Minuten nach uns schräg gegenüber eine weitere Malte aus Österreich.

Mein Vater im Himmel sorgt so gut für mich!

Nach freundlicher Anfrage beim Fahrzeugbesitzer kann ich das Fenster ausmessen und die darauf aufgedruckte Artikelnummer fotographieren... 

Im 7. Himmel...

Endlich ist es so weit: Heute gehen wir ins Legoland! 

Der Moggelmann ist voller Vorfreude auf diesen, hoffentlich seinen Höhepunkt der Reise.

Blöd bloß, dass es ausgerechnet heute kalt ist und regnet...

 

Weil wir aber nicht aus Zucker sind, lassen wir uns von äußeren Einflüssen nicht beeindrucken! Nach unserer normalen Morgenroutine und etwas Aufräumarbeiten laden wir die Räder ab und fahren die knapp 4 km nach Billund. 

 

Dort angekommen, warten wir mit hunderten anderen Familien auf den Einlass um 10 Uhr. Applaus ertönt, als die Pforten geöffnet werden. 

Wir versuchen zuerst ans Ende des Freizeitparks zu gelangen, um uns – in der Hoffnung nicht gleich überall überrannt zu werden und stundenlang anstehen zu müssen – von dort gegen den Strom nach vorne zu arbeiten.

Da der Moggel heute alles bestimmen darf, wird dieser eigentlich clevere Plan jedoch bald über den Haufen geworfen. Er möchte lieber spontan entscheiden, worauf er Lust hat und dafür gerne auch Wartezeiten in Kauf nehmen. Das kann ich verstehen und auch wenn ich es nicht könnte, würde ich es dennoch nach seinen Wünschen machen – Legoland-Tag ist Kindertag! 

 

So wechseln wir zwischen vorne, hinten, links und rechts hin und her. Wir fahren im Piratenboot, ziehen uns am Seil auf den Aussichtsturm, lassen uns beim Wasserspaß naß spritzen, bummeln im Zug ums Miniaturland, genießen die Safari-Fahrt und fahren mehrmals im Boot durch die Lego-Sehenswürdigkeiten der Welt. 

 

Was man alles aus diesen bunten Steinen bauen kann...

Als es 17.00 Uhr ist und die Fahrgeschäfte schließen, erkunden wir noch den riesigen Lego-Laden am Ausgang. Eingedeckt mit neuen Wünschen, dem aktuellen Lego-Katalog und Tobias, Moggel und mir individuell als Mini-Figuren zusammengestellt, verlassen wir das Paradies des kleinen Mannes, um mit den Rädern wieder zu Malte zu fahren.

 

Nach diesem vollen und tollen Tag sind wir beide fix und foxi. Ja, Spielen kann auch anstrengend sein...

„Die Zeit ist viel zu schnell vergangen, Mama!“, resümiert das überglückliche Moggelchen und ich freue mich sehr, dass alle Erwartungen erfüllt wurden.

In Dänemarks Heide...

Für die Nacht finden wir einen ruhigen Parkplatz in Kirstinelyst, der sich am nächsten Morgen als Tor zur Randböl-Heide entpuppt. Da mir nichts Besseres einfällt und wir nach den vielen Eindrücken vom Vortag etwas Ruhe gebrauchen können, plädiere ich dafür, die Gelegenheit, die uns das Leben vor die Füße wirft, zu nutzen:

 

So verbringe ich den Vormittag mit der Planung von Terminen auf unserer Heimreise und in den ersten Wochen in Tübingen, während das Kind auf dem abgelegenen Waldplatz Pfeil und Bogenschießen übt. 

Nach dem Mittagessen wandern wir 3 Stunden durch die Heide und genießen die schönen Farben. 

Angeregt durch das Museum zum „Naturraum Kirstinelyst“ pflücken wir – zurück bei Malte – eine kleine Schüssel Preiselbeeren. Der Moggel möchte gerne Saft daraus machen und eine Firma gründen, die diesen vertreibt. 

Wir beginnen mit einer kleinen Menge Beeren und der Frage, wie wir hieraus nun eine Flüssigkeit herstellen.

 

Ich liebe seine Ideen, die wir natürlich alle ausprobieren, bevor wir zu einer tatsächlich erfolgreichen Lösung finden. Da unsere Produktionsmenge zu klein ist, um sie abzufüllen, wird sie mit ausreichend Honig vermischt und gleich verspeist.

Ich hoffe, wir haben tatsächlich nur Preiselbeeren gepflückt... 

 

Nach ausführlichen Telefonaten mit Tante Claudi, Oma Hanne und Opa Hans ist es dann auch schon Zeit ins Bett zu gehen.

 

Den letzten Tag der Woche machen wir zu unserem Haushaltstag: Wir planen die nächsten Tage, fahren dann nach Kolding, kaufen ein, räumen auf und hängen ein bisschen in den Seilen.

Darf man ja auch mal machen!