08. - 13.08.2022
Mein kleiner Schiffsjunge...
Wir sind sehr früh wach, denn ein aufregender Tag wartet auf uns: Wir segeln nach Dänemark!
Obwohl der kleine Mann alle 10 Minuten fragt, wann denn endlich 8.00 Uhr sei und die anderen auch aufwachen, schaffen wir es, die Zeit bis dahin mit Lesen zu verbringen. Dann frühstücken wir gemeinsam an Bord.
Während wir Frauen aufräumen und beginnen das Schiff abreisefertig zu machen, darf der Moggel mit Kapitän Kalle einen verloren gegangenen Fender einsammeln und beim Hafenmeister die Anlegegebühr bezahlen.
Das sind natürlich zwei überaus wichtige Aufgaben und entsprechend freut sich das Moggelchen über diese Ehre!
Wie so häufig, haben wir Glück: Alle an Bord sind herzlich und unheimlich kinderfreundlich. Das Kindchen ist sofort ganz vertraut mit den Mitreisenden und er wird, wo auch immer es geht, eingebunden.
Das ist keine Selbstverständlichkeit und ich spüre eine große Dankbarkeit dafür...
Als wir ablegen, dürfen wir schon mit anpacken: Seile lösen, Fender einholen, Taue aufwickeln und alles an den entsprechenden Stellen verstauen.
Wir passieren eine Regatta mit Optimisten und dann kommt das weite Meer.
Da es nur wenig windet, können wir beide unter Anleitung schon an unserem ersten Tag ans Steuer: Es ist gar nicht so einfach, Kurs zu halten, aber zumindest das Moggelchen stellt sich sehr gut an. Wißbegierig saugt er jede neue Information auf und lässt Kalle keine Sekunde aus den Augen...
Tierbegegnungen...
Kurz bevor wir ins Fahrwasser Richtung Marstals Hafen auf der Insel Aerö kommen, schwimmen 3 kleine Tümmler an der Doric vorbei.
Ich bin völlig im Glück: Genauso habe ich mir das vorgestellt – auch wenn ich schon wieder keine Kamera parat habe!
Bestimmt gibt es ein nächstes Mal, wo ich vorbereitet bin...
Nach rund 5 Stunden Fahrt finden wir im Hafen in zweiter Reihe einen Anlegeplatz und beginnen auch sogleich etwas Leckeres zum Abendessen zu kochen.
Kaum sind wir fertig, landet ganz in unserer Nähe ein Kormoran. Für mich ist das ein weiteres „Erstes Mal“: Noch nie habe ich diesen schönen Vogel aus der Nähe gesehen.
Leider sieht unser Exemplar angeschlagen aus. Verloren trippelt er auf der im Wasser schwimmenden Holzpalette hin und her und lässt sich auch von uns dabei nicht verunsichern; hoffentlich ist es nichts Ernsthaftes...
Autsch!
Bevor es für uns „Bettzeit!“ heißt, gehen wir noch an Land.
Endlich festen Boden unter den Füßen habend, rennt der Moggel los, ohne auf den Boden und die dort liegenden Taue zu schauen.
Aus den Augenwinkeln sehe ich noch seine kurze Flugphase, bevor lautes Geschrei ertönt – er ist über ein gespanntes Seil gestolpert und wirklich schmerzhaft der Länge nach hingefallen, der Arme!
Noch nie hat er so geschrien und ich wundere mich, dass er sich doch recht schnell wieder fängt.
„Ich will nie wieder segeln!“ ist die erste Konsequenz, die der Bub aus diesem Sturz zieht und „Jetzt möchte ich nach Hause...“ die nächste.
Ich bin mir sicher, dass er nur etwas Schlaf braucht, um wieder eine andere Perspektive einnehmen zu können. Wir kehren daher zurück an Bord und ziehen uns sofort in unsere Koje zurück, wo das Kindchen nach wenigen Minuten im Land der Träume ist...
Flaute...
Am nächsten Morgen sieht einiges tatsächlich ganz anders aus:
Dem Moggelchen geht es wieder gut, aber der Kormoran hat dafür das Zeitliche gesegnet. Außerdem scheint der schon laue Wind des Vortages beschlossen zu haben, sich heute ganz zurückzuziehen.
Unter Berücksichtigung des Wetterberichts entscheiden wir, heute im Hafen zu bleiben, eine ruhige Kugel zu schieben und uns in Marstal umzuschauen.
Das kleine Dörfchen hat eine nette Fußgängerzone, die wir am späten Vormittag zusammen mit Anne erkunden.
Dabei lädt sie das Kindchen gleich zur ersten dänischen Spezialität ein: Softeis mit Zuckerstreuseln. Obwohl die beiden die kleinste Portion wählen, ist sie fast nicht zu bewältigen und ersetzt das Mittagessen...
Expedition Dänemark...
So gestärkt darf der Moggelmann dann mit Kapitän Kalle eine Schlauchboot-Expedition starten. Die beiden Forscher paddeln quer durch den Hafen und halten an dieser und jener Stelle, um Exponate für das Forschungslabor zu sammeln, das sich unter meiner professionellen Leitung auf der Doric befindet.
Als die wagemutigen Männer einige Stunden später zurückkehren, haben sie folgendes an Bord: Eine Hagebutte, zwei geschlossene Muscheln, eine leere Muschel vom Strand, eine Alge, einen kleinen, blauen Plastikball, verschiedene Steine und einen spitzen Wikinger-Stein, der früher bestimmt zum Zerschneiden erlegter Tiere genutzt wurde.
Alle Fundstücke werden in einem Protokoll mit entsprechenden Forschungsfragen erfasst.
Dann ruht unsere Arbeit für einen weiteren Gang ins Zentrum, denn diesen einen Laden mit den schönen, braunen Sandalen und der beigen Hose, den hätte ich mir gerne nochmals angesehen... natürlich nur unter wissenschaftlichen Aspekten!
Zurück auf dem Schiff fliegen die anderen nochmals aus, während wir bleiben und – unter Zuhilfenahme des Wikingersteins – Abendessen kochen.
Der Moggelmann geht danach ins Bett. Ich aber darf – da Kalle bei ihm bleibt – mit Nora und Anne in den Irish Pub, wo heute Abend „Live Music“ angesagt ist.
Nach Mitternacht kehren wir zurück und ich schaffe es gerade noch in mein Bett, bevor mir die Augen zufallen...
Ankern...
Auch am Dienstag hat der Wind noch Urlaub...
„Es ist zum Mäusemelken“, kommentiert das Moggelchen die Dauer-Flaute, die unseren Segelurlaub begleitet. Aber wir können nichts tun, da Wind und Wellen ja Jesus gehorchen und nicht uns!
So warten wir und suchen uns in der Zwischenzeit auf Deck ein schönes Plätzchen, um mit dem Vorlesen des dritten Bandes der „Muskeltiere“-Serie zu beginnen. Am frühen Nachmittag schließlich ankern wir mit 12 anderen Booten in einer schönen Bucht bei Trejö.
Während die anderen ein Mittagschläfchen halten, will das Kindlein mit dem Schlauchboot an Land, um nachzusehen, welche Fundstücke von dort es gebrauchen könnte.
Ich erbarme mich, denn Schlauchboote mag ich eigentlich nicht und ich weiß auch nach der Fahrt wieder, warum: Sie sind von oben bis unten und hinten bis vorne einfach nur schwabbelig. So sehr ich mich auch bemühe, kann ich an diesen Dingern nichts Begeisterndes finden; ganz gegenteilig zum Moggelmann natürlich!
Wir finden nichts Interessantes am Ufer und kehren bald zurück, um noch die Badeleiter auszuprobieren, die heute das erste Mal am Decksumlauf hängt.
Ich kann mich nicht erinnern, ob ich je und wenn, dann wann ich das letzte Mal mit einem Kopfsprung ins Meer gesprungen bin, aber ich will es fortan gerne öfters tun, denn es macht außerordentlich Spaß!
Nur der Moggel weigert sich – allen Überredungskünsten zum Trotz – standhaft, ins kühle Nass zu kommen. Er wird stattdessen mit dem Schlauch mit Frischwasser aus dem Schiffstank gewaschen...
Nach Kartoffeln mit Kräuterquark paddeln die Nordlichter für einen Abendspaziergang ans Land und wir widmen uns unserer Abendroutine. Bald schläft der kleine Mann, so dass ich noch ein wenig Zeit für mich habe und mit einem wunderschönen Sonnenuntergang für den fehlenden Wind entschädigt werde.
Den nächsten Morgen starte ich mit einem erfrischenden, kurzen Bad im Meer und Dehnübungen. Nach wie vor ist es windstill und wir haben es nicht eilig.
Mit Hilfe des Motors tuckern wir irgendwann nach dem Frühstück nach Söby. Ich vergesse die Zeit und kann nur an meinem Hunger ungefähr festmachen, wieviel Uhr es gerade ist.
Auch welcher Wochentag inzwischen ist, weiß ich nicht mehr. Aber spielt das eine Rolle?
Da die Sonne unerbittlich scheint, spannen wir für das mittägliche Picknick ein Sonnensegel, das ein wenig Schatten spendet. Dann segeln wir langsam in eine Bucht im Norden von Aerö, wo wir für die Nacht bleiben.
Hygge...
Am nächsten Morgen – der Blick auf das Handy sagt mir, dass bereits Donnerstag ist – können wir tatsächlich segeln. Der leichte Fahrtwind dabei tut gut und wir legen uns gemütlich aufs Deck, um die letzten Kapitel des „Muskeltiere-Buchs“ zu Ende zu lesen.
Unser Glück währt jedoch nicht lange: Schon bald ist es wieder windstill...
Nachmittags legen wir für eine Pause in Aerösköping an.
Der Hafen und das Dörfchen sind sehr idyllisch. Gepflasterte Straßen, kleine bunte Häuschen mit Stockrosen, gemütliche Cafes, hübsche Läden mit stylischen Kleidern, Taschen und Haushaltsgegenständen – einfach alles, was einem beim Gedanken an „Dänemark“ und „Hygge“ einfällt!
Im Duschhaus machen wir uns frisch, leeren die Mülleimer und füllen unsere Trinkwasserflaschen. Weil man spätestens ab 17.00 Uhr Hafengebühr bezahlen muss, legen wir dann schon wieder ab.
Schade, hier hätte ich noch 2-3 Stunden bleiben können...
Mit gehissten Segeln dümpeln wir im Schneckentempo vorwärts in eine nahegelegene Bucht, wo wir nach leckeren Paprikanudeln von Anne und einem weiteren atemberaubenden Sonnenuntergang die Nacht verbringen wollen.
Als wäre die Hitze und das Warten auf Wind nicht schon genug Herausforderung, streiten Tobias und ich mal wieder. Ob wir je dauerhaft Frieden finden mit unseren Unterschieden?
Heute Abend bezweifle ich es!
Der Wind weht, wo - und wann - er will...
Endlich weht am frühen Morgen ein laues Lüftchen. Die vielen Boote, die neben uns in der großen Bucht liegen, verlassen nach und nach ihre Plätze und nutzen die Gunst der Stunde.
Auch wir können – als alles bereit ist – unter Segel nordöstlich fahren. Juhu!
Kurz darauf ist aber alles wieder beim Alten: Windstille und Motor anschalten ist angesagt...
Gemeinsam überlegen wir, welche Route wir unter diesen Bedingungen wählen. Einstimmig entscheiden wir uns eine kleine Bucht von Langeland anzusteuern und dort für die Nacht zu bleiben.
Während Kalle durch allerlei kleine Reparaturen weiter seine Doric auf Vordermann bringt, paddeln wir mit dem Schlauchboot auf eine kleine, unbewohnte Insel. Beim Umrunden des Stückchen Lands zu Fuß entdecken wir einen kleinen Sandstrand, jede Menge schöne Schwanenfedern und eine gehisste Flagge mit Blumenaufdruck.
Er schwimmt, er schwimmt...
Auf dem Rückweg wagt sich der Moggel das erste Mal ins Meer und ist – unerwarteter Weise – total begeistert. Bei der Doric angekommen, will er gar nicht mehr an Bord, so dass Anne zu ihm ins Wasser kommt und die beiden noch eine Runde schwimmen.
Um den frühen Wind nicht wieder zu verpassen, planen wir am nächsten Morgen bereits um 8.00 Uhr startklar zu sein. Tatsächlich haben wir mit dieser Strategie Glück und können zumindest am Anfang unter Segeln Marstall ansteuern.
Wir ankern am selben Platz und blicken auf denselben toten Kormoran, wie am Anfang der Woche. Damit ich den Tag dennoch vom letzten Aufenthalt in Marstal unterscheiden kann, mieten wir zusammen mit Anne Fahrräder und fahren nach Aerösköping.
Unterwegs kaufe ich mir noch schnell die 50% reduzierte Sommerhose – meine Erinnerung an Dänemark. Die Sandalen aber dürfen eine andere, großartige Frau erfreuen...
Urlaub...
Auf der Radtour sehen wir viele unterschiedliche, meist entzückende Häuschen. Wenn man die netten Dekorationen an den Fenstern sieht, muß man zwangsläufig schlussfolgern, dass schönes Wohnen hier einen hohen Stellenwert hat.
Zu gerne würde ich auch einmal auf der anderen Seite eines der Fenster stehen und meine These überprüfen...
Nach rund 10 km Fahrt in Aerösköping angekommen, gönnen wir uns am Hafen Fisch, Pommes und Fanta und zum Abschluß eine Kugel leckeres Eis. Dieses Mal haben wir zum Bummeln deutlich mehr Zeit und Anne und ich genießen diesen Luxus. Alles fühlt sich nach Urlaub an!
Wenn Träume wahr werden...
Zurück an der Doric haben Kalle und Nora Besuch. Kevin, ein Freund von Kalle, ist mit seinem motorisierten Schlauchboot da und zwar mit genau dem Schlauchboot, das der kleine Mann gerne besäße...
Die Chance endlich ein derartiges Boot zu fahren, lässt sich der Moggel natürlich nicht entgehen!
Freudestrahlend kommt er zurück: „Mama, das war das Beste auf der ganzen Reise!“
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