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TEIL II: 23. WOCHE – HOLLAND: SUCHE FRIEDEN!

31.07. – 06.08.2022

Indoor-Programm...

Seit wir Deutschland verlassen haben, sind wir ohne Anschluß an ein Stromnetz durchgekommen. Heute auf dem Campingplatz aber möchte ich die vorhandene Energie nutzen: Ich werde das erste Mal Brot in Malte backen!

 

Die dafür nötigen Zutaten habe ich in weiser Voraussicht – nach einem Tip einer anderen Reisenden – zu Hause gekauft, so dass ich gleich nach dem Aufstehen loslegen kann...

Da es regnet und kühl ist, haben wir einen doppelten Effekt vom Backen: Ein leckeres Brot und eine angenehmere Raumtemperatur...

 

Im Lauf des Vormittags kommen unsere Stuttgarter Mädels vorbei. 

Wir nutzen heute auf Moggels Wunsch hin die Spielmöglichkeiten auf dem Indoorspielplatz des Campingplatzes. Dort gibt es Trampoline, Hüpfburgen, Malstationen, Bällebäder, Klettergeräte, Wippen und verschiedene Fahrzeuge für die Kinder. 

 

Natürlich sind wir nicht die einzigen mit dieser Idee und so ist es recht laut und anstrengend in der großen Halle. Zumindest für die Erwachsenen-Ohren...

Nach einer Mittagspause bei Malte mit Milchreis und Kirschen läuten die lieben Kleinen die zweite Runde Indoor-Spielplatz ein. Wir Großen dagegen sind uns einig, dass diese Art von Programm nur durch das Wetter – das tatsächlich den ganzen Sonntag über Nässe von oben mit sich bringt – zu rechtfertigen ist.

 

Sobald es die Uhrzeit zulässt, ziehen sich beide Parteien daher in ihr jeweiliges Feriendomizil zurück. 

Etwas Ruhe vor dem Schlafengehen kann unserer aller Nerven nicht schaden!

 

Ich spüre meine Angespanntheit allerdings noch stundenlang: An Einschlafen ist nicht zu denken und als es mir schließlich gelingt, weint auf dem angrenzenden Platz stundenlang ein Baby, was mich erneut weckt.

... und Outdoor-Programm!

Am nächsten Morgen sieht das Wetter schon viel besser aus und wir verabreden uns mit unserem Besuch für den späten Vormittag zum Fahrrad fahren.

Bis dahin machen das Moggelchen und ich Malte zum Verlassen des Campingplatzes startklar. 

Ganz in der Nähe gibt es einen netten, kostenfreien Platz an einem Kanal und weil wir uns sowieso immer nur stundenweise mit unserem Besuch treffen, bin ich der Meinung, mir die 28 Euro pro Nacht für den Rest der Woche sparen zu können... Bei 4 weiteren Nächten sind das immerhin 112 Tacken!

 

Am Fahrrad-Verleih angekommen, stellt sich heraus, dass der Montag in Holland ein beliebter Schließtag ist. Nina steht also ohne Gefährt da, wenn wir nicht umdisponieren.

Die neue Idee ist daher, nicht mit dem Rad für einen Stadtbummel nach Alkmaar zu fahren, sondern stattdessen auch die Inline-Skates zu nutzen und die Museums-Mühle in Schermerhorn zu besuchen.

 

Ordentlich hintereinanderher fahrend machen wir uns auf den Weg, picknicken an einem Anlegesteg eines Kanals und stehen dann erneut vor verschlossenen Türen, denn auch die Mühle hat am Montag Ruhetag...

Wieder am Auto angekommen, stocken wir im Supermarkt unsere Vorräte auf. 

Von seinem eigenen Reisegeld lädt der Moggel seine kleine Freundin zu einem Eis ein, das sich die beiden auf einer Bank in der Sonne vor dem Laden auch gleich schmecken lassen. 

Er ist wirklich ein kleiner Kavalier!

 

Für weiteres gemeinsames Programm ist Nina zu erschöpft. Unsere Wege trennen sich also für heute schon wieder: Die zwei fahren zurück zur Ferienwohnung und wir zu unserem neuen Stellplatz. 

 

Dort packen wir rasch das Stand-Up-Paddle-Board aus und paddeln noch bis zum Abendessen auf dem Kanal, der keine 50 Meter neben Malte in einem kleinen See mit Anlegesteg mündet. 

WühleN IM DRECK...

Auch am nächsten Morgen nutzen wir das SUP und paddeln bis um die Mittagszeit auf dem Kanal. Dann kehren wir zu Malte zurück, da Nina mit ihrem Kindchen zu uns kommen will. 

 

Für den frühen Abend haben wir eine Wattwanderung inklusive kurzer Schiffsfahrt zu einer Sandbank mit Seehunden gebucht und bevor diese beginnt, möchten wir noch den Hafenturm und die Schiffe in Den Oever besichtigen.

 

Noch ehe wir uns treffen, kündigt Nina per Whatsapp an, dass sie die nächsten beiden Tage gerne allein verbringen möchte. 

„Und wir?“, frage ich mich, „Spielt auch eine Rolle, was wir möchten?“.

In meiner Erinnerung hatten wir von einem gemeinsamen Urlaub gesprochen und auch weitere Aktivitäten angedacht, die bislang noch keinen Raum gefunden haben...

Trotz bereits länger – teilweise im Offenen, zum größten Teil aber anscheinend im Verborgenen – schwelenden Unstimmigkeiten zwischen uns, bin ich ziemlich vor den Kopf gestoßen. 

 

Weder für die Vorgeschichte noch für den Konflikt, der sich aus ihrer Entscheidung für mich ergibt, finde ich die passenden Worte. 

 

Ich komme mir vor, wie während der Pandemie: Hier läuft ein schlechter Film, den ich gerne beenden würde, aber ich habe keine Ahnung, wie... 

Schließlich fangen wir uns zumindest so weit, dass die Wattwanderung nicht ebenfalls völlig verdorben ist. 

 

Mit einem antiken Linienbus fährt uns der Veranstalter von seinem Hof in den Hafen, wo wir mit vielen anderen Familien das Schiff besteigen. Langsam und mit entsprechenden Erklärungen – in holländisch und schwer verständlichem Deutsch – passieren wir die dort liegenden Kutter, bis wir schließlich auf dem offenen Meer landen und tatsächlich auf einer Sandbank in weiter Entfernung einen sich sonnenden Seehund entdecken. 

Mit Ferngläsern, die verteilt und von den Mitfahrenden weitergereicht werden, kann man sogar die Farbe seines Felles und einige wenige Bewegungen sehen.

 

Etwas weiter Richtung Strand steigen wir dann in ein kleineres, motorisiertes Gummiboot, das uns bis ins knietiefe Wasser fährt. Von dort laufen wir zurück an Land.

Da es schon nach 18.00 Uhr ist, ist unsere kleinste Teilnehmerin entsprechend müde. Das Gehen mit nassen und dreckverklebten Schuhen im weichen Morast ist daher doppelt anstrengend. Als es auch barfuß und mit Gummistiefeln nicht leichter wird, bleibt uns nur noch, das Kindchen die ganze Strecke abwechselnd zu tragen.

 

Zum Glück gibt es viel zu sehen, so dass die Zeit kurzweilig ist. Wir finden viele Muscheln, tote Krebse, Möwenfedern, Wattwurmexkremente und auch mehrere kleine Seesterne.

Als wir wieder am Ufer ankommen, sind wir bis zu unseren kurzen Hosen mit Schlamm verschmiert.

 

Möglichst schnell fahren wir zurück zu Ninas Auto, wo sich unsere Wege trennen.

Alles Käse?!

Erst um 6.00 Uhr morgens finde ich in den Schlaf. Zu viele Gedanken, Fragen und Gefühle treiben mich um. Dann aber ist der Schlaf schön: Ich träume von einem guten Freund, der mich tröstend in die Arme nimmt und die aufsteigenden Tränen mit mir aushält. 

 

Zum Glück lässt sich das Moggelchen mit dem Aufwachen Zeit und kann auch danach durch ein Hörspiel unterhalten werden, so dass ich wenigstens am Morgen etwas zur Ruhe komme.

 

Nun müssen wir gemeinsam überlegen, was wir mit den Tagen bis zu unserer Verabredung am Samstag in Kiel unternehmen. Sollen wir in Holland bleiben? Oder lieber nach Deutschland fahren? Was könnte man an in Frage kommenden Standorten unternehmen?

 

Der Moggel weiß zum Glück genau, was er will: Zuerst etwas Technisches und dann nach Deutschland. Dankbar greife ich diese Wünsche auf und beschließe, dass wir zuerst nochmals zum Mühlen-Museum fahren, das heute ja geöffnet hat, und später auf einen Stellplatz in Deutschland, der direkt neben einem tollen Freizeit-Bad liegt. 

Die Museums-Mühle ist beindruckend: Ein Film erläutert auf Deutsch die Funktion der Wassermühle bei der Landgewinnung Nordhollands, die Bauweise und Technik der Mühle und die aktuelle Übernahme der Aufgaben der alten Mühle durch elektrogesteuerte Wasserpumpen und Computer. 

 

Lange beobachten wir die sich drehenden Zahnräder, den durch die ganze Mühle führenden Königsbalken und die riesige Spindel, die das Wasser schöpft und nach oben befördert. Bei günstigem Wind können bis zu 60.000 Liter pro Minute von der Mühle von einem Kanal in den nächsten gebracht werden.

 

Dann haben wir genug und fahren zur nahegelegenen Käsefabrik „Cono Kaasmakers“. 

Leider werden dort keine Führungen mehr angeboten, aber im Fabrikverkauf kann man allerlei verschiedene Käsesorten probieren. Wir lassen uns ausgiebig beraten, kosten alles, was uns angeboten wird, und entscheiden uns dann für 4 unterschiedliche Gusti: Würzigen Beemster, eine eher süßliche Variante, Beemster mit Trüffel und grünen Pesto-Käse.

Ist das Kind im Glück...

Mit diesen Schätzen im Herzen und Kühlschrank starten wir Richtung Grenze.

Kurz bevor wir Holland verlassen, machen wir uns in einem Einkaufszentrum noch auf die Suche nach einem Briefkasten für unsere Postkarten. 

 

Leider werden wir nicht fündig, aber die Nachfrage in einem Sportgeschäft führt uns zu einer Verkäuferin, die zusagt, die Karten in den Briefkasten in der Nähe ihres Wohnortes einzuwerfen. Dankbar für dieses tolle Angebot streifen wir noch durch den Laden und finden per Zufall ein paar neue Wanderschuhe fürs Kind. Die alten sind definitiv zu klein und wir kaufen nun tatsächlich schon Größe 35 für den nahenden Herbst...

Schon zur Schlafenszeit erreichen wir Osnabrück. Neben dem Nette-Bad stehen bereits 3 Wohnmobile, deren Besitzer uns trotz fortgeschrittener Stunde freundlich empfangen. 

„Na also, geht doch!“, denke ich bei mir „Wir hatten einen schönen Tag trotz widriger Umstände!“

... ist die Mutter im Glück!

Gleich nach dem Aufstehen und Frühstücken nutzen wir die Gelegenheit und gehen schwimmen. Der Moggelmann ist begeistert von den vielen unterschiedlichen Becken, Whirlpools, Rutschen und Spielgelegenheiten, während ich mich im 50-m-Sportbad austoben darf. 

 

Schon seit Locarno war ich nicht mehr schwimmen und jedes Mal stelle ich fest, wie gut es mir tut und wieviel Freude ich dabei habe. Auch mein immer noch angeschlagener Fuß freut sich über die ungewohnte Bewegung.

Nach 4 Stunden Daueraufenthalt im Wasser sehen unsere Hände aus wie schrumpelige Rosinen. 

Ein eindeutiges Zeichen, dass wir nun gehen sollten, auch, weil noch einige Aufgaben auf uns warten: Malte benötigt einen Service, wir müssen einkaufen, ein riesiger Berg dreckige Wäsche braucht unsere Aufmerksamkeit und wir wollen unbedingt zu Hornbach, wegen Material für einige kleinere Reparaturen und einer neuen, vollen Gasflasche.

 

Als wir alles erledigt haben, ist gerade noch Zeit zu Flo nach Hamburg zu fahren, bevor der Tag schon wieder endet.

Neue GEdankenanstösse...

 Bis Flo am Freitag Zeit für uns hat, packen wir unsere Taschen für den Segeltörn, der demnächst beginnt, und organisieren alles, was uns für die kommenden 9 Tage noch fehlt.

Dabei bleiben wir in einem großen Buchladen hängen und stöbern durch die Kinderbücher. 

 

Ich kaufe mir den ersten Erziehungsratgeber meines Lebens mit dem Titel „Das Buch, von dem Du Dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“ und hoffe, die nächsten Wochen dazu zu kommen, es auch zu lesen...

Um die Mittagszeit können wir im Winfridweg 23 klingeln und erhalten Einlass. Als wäre es immer noch 2019 öffnet uns Flo die Türe: Sofort fühlen wir uns willkommen und heimisch. 

Wir kochen gemeinsam, reden, essen, reden, gehen spazieren, reden, sind auf dem Spielplatz, reden, schlecken Eis, reden, reden, reden und reden. 

 

Mit Flo kann man mühelos von einem spannenden Thema zum anderen springen und ich gehe zu Bett mit einem Kopf, der bis zum Überlaufen mit neuen Gedanken gefüllt ist. 

Wo beginnt und endet meine Verantwortung? Wie sind gesamtgesellschaftliche Probleme lösbar? Kann man dauerhaft leben ohne Krieg? Wie kann ich Gefühle anderer nachempfinden, wo ich selbst da immer „ich“ bleibe?

Auch am Samstag geht uns der Gesprächsstoff nicht aus und ich bekomme weitere Denksanstöße. Wären wir nicht um 16.00 Uhr in Kiel mit Kalle verabredet, würde ich gern noch eine Weile bleiben...

So aber flitzen wir am späten Vormittag los zum Kieler Hafen, wo wir knapp 2 Stunden später ankommen.

Eine SEefahrt, die ist Lustig...

 Da wir eindeutig zu früh sind, biete ich Kalle am Telefon an, für die kommenden Tage einzukaufen. 

Diese Aktion dauert allerdings: Mit einem übervollen Einkaufswagen, den wir in 4 von oben bis unten prall gefüllte Bananenkisten packen, verlassen wir Aldi Nord und erreichen auf die Minute genau die Schleuse, an der wir die Doric, das Schiff, auf dem wir die nächsten 9 Tage verbringen, das erste Mal live sehen.

 

Sie ist wunderschön!

Kalle, Nora und Anne empfangen uns herzlich und zeigen uns das Schiff. Wir dürfen im Bug in einer eigenen Koje schlafen, die an den Salon grenzt, in dem Anne nächtigt. Kalle und Nora haben eine weitere Koje im Heck. 

 

Durch das Leben in Malte sind wir einige Besonderheiten beim Aufenthalt auf einem Schiff schon gewohnt: Es ist recht eng, man kocht mit Gas, an Wasser sollte gespart werden, das Klo ist nicht zu vergleichen mit dem eines Wohnhauses, alles muss einen sicheren Platz haben und so weiter und so fort. Endlich können wir all diese Erfahrungen auch außerhalb unseres Wohnmobils nutzen...

 

Nach dem Einladen unseres Gepäcks und dem Parken von Malte, segeln wir auch schon los von Kiel Holtenau nach Schilksee. Nach Nudeln und Salat auf Deck verkrümeln wir uns in unsere Koje und schlafen auch bald – durch die Wellen sanft in den Schlaf geschaukelt – ein.