TEIL II: 22. WOCHE – HOLLAND: BUMMELTOUR

24. - 30.07.2022

EIN TAG OHNE SCHOKOLADE IST EIN VERLORENER TAG...

Als das Moggelchen am Sonntagmorgen erwacht, will er sofort aufstehen und für Stephens Familie Rührei kochen. 

Aus Rücksicht auf die Schlafgewohnheiten unserer Gastfamilie warten wir mit diesem unverkennbaren Zeichen aufrichtiger Freundschaft jedoch, bis Stephen uns bei Malte abholt. Dann kocht das Kind eine große Portion „Scrambled Eggs“ für alle...

 

Nach dem Frühstück sagen wir „Good Bye“ und machen uns auf nach Antwerpen. 

Von einem Parkplatz außerhalb der Stadt fahren wir mit den Rädern ins Zentrum. Dort möchten wir das 2019 neu eröffnete Schokoladenmuseum besuchen, das mit einer spannenden Multimedia-Show die Herstellung von Schokolade erklärt. Im Durchlaufen verschiedener Räume erleben wir, wie aus einer Kakao-Bohne aus Afrika eine leckere Praline in Belgien wird und dürfen im letzten Ausstellungssaal 10 verschiedene Sorten Schokolade probieren. 

Völlig überzuckert, aber durchaus glücklich radeln wir danach zum nahegelegenen Zoo, in der Hoffnung, den Rest des Tages zwischen Tieren zu verbringen. Da der Eintrittspreis aber das dreifache kostet, wie in der Wilhelma, kommen wir nicht weiter als bis zum Kassenhäuschen...

Ein neuer Reisegefährte...

Der deutlich günstigere Zeitvertreib besteht dann darin, alle Kuscheltiere im Souvenirladen neben dem Kassenhäuschen zu begutachten, Probe zu kuscheln und preislich zu vergleichen. „Mama, kann ich mir dieses Tier von meinem Urlaubsgeld leisten?“, höre ich gefühlte 45 Mal nacheinander. 

Als die finanzielle Situation geklärt ist, braucht der Moggel noch Bedenkzeit: 

„Ich muss überlegen, welches Tier das Beste ist!“, verteidigt er sich, als ich zu drängeln beginne. „Und das ist eine wahrlich schwierige Entscheidung, Mama!“

 

Schließlich verlassen wir den Laden mit einem neuen, handlich kleinen Familienmitglied: Einer Schnee-Eule namens „Sternchen“. 

Auf dem Rückweg zu Malte streifen wir in aller Kürze Antwerpens Hafen, wo unglaubliche Menschenmengen sich heute die Füße vertreten. Irgendein nicht näher definierbares Fest treibt alle auf die Straße...

 

Da uns das zu viel Trubel ist, ziehen wir weiter und beschließen für die Nacht noch die Grenze nach Holland zu überfahren.

Holland - Camperland?

In der Nähe von Middelburg in Zeeland finden wir einen günstigen Campingplatz, auf dem man auch für eine einzelne Nacht bleiben kann. Weil in Holland frei stehen verboten ist, müssen wir in den kommenden Tage wieder einmal andere Lösungen finden...

Am Montagmorgen sortieren wir uns und überlegen dann gemeinsam: Was möchten wir in den kommenden Tagen erleben? Sollen wir Strandspaziergänge machen? Oder Radtouren auf den vielen Dämmen? Möchten wir die zahlreichen bekannten Städte erkunden? Oder Museen besuchen?

 

Wir einigen uns auf ein gemischtes Programm und starten mit einem Besuch im Deltapark Neeltje Jans. Dort kann man sich über das Sturmflutwehr und die Flutkatastrophe von 1953 schlau machen, an einer Schiffsrundfahrt teilnehmen, im Bluereef Aquarium heimische Fische und Pflanzen kennenlernen, bei Seehund- und Seelöwen-Shows ganz nah an die großen Tiere herankommen und im Wasserspielplatz nach Herzenslust planschen. 

Das Angebot im Park ist so groß, dass wir in unseren 5 Stunden Aufenthalt gar nicht dazu kommen, alles wahrzunehmen und zu entdecken...

 

Als der Park schließt, ist das Moggelchen entsprechend enttäuscht: „Wir waren noch gar nicht auf der großen Rutsche! Das ist gemein! Warum müssen wir jetzt schon gehen?“

 

Tatsächlich hätten wir noch mehrere Stunden bleiben können, ohne eine einzige Minute Langeweile zu empfinden, aber „Feierabend“ ist eben „Feierabend“!

Über den Damm fahren wir weiter nach Middelharnis, wo wir im Hafen mit einer Handvoll anderen Campern günstig übernachten können. Direkt auf einen Kanal und die dort ankernden Schiffe schauen zu können, gefällt mir gut und steigert meine Vorfreude auf den noch ausstehenden Segeltörn...

 

Der Nieselregen während der Nacht und am Vormittag schenkt uns die Möglichkeit endlich mal wieder faul im Bett zu liegen und die Zeit zu verbummeln. Als es gegen 11 Uhr trockener wird, starten wir eine Radtour, die uns in 38 km um den östlichen Zipfel von Goeree-Overflakkee führt. 

 

Obwohl es flach ist, ist die Strecke nicht ohne, denn der Gegenwind ist stark. Kurz bevor wir wieder bei Malte ankommen, starte ich mein E-Bike und schiebe das Moggelchen ein bisschen, was er gerne annimmt. 

 

Mein „geheimes“ Ziel ist erreicht: Der kleine Mann ist so müde, dass ich in den kommenden zwei Stunden an einer Online-Fortbildung teilnehmen kann, ohne Bewegungsprogramm bieten zu müssen. Beide sitzen wir mit Kopfhörern am Tisch: Ich im GFK-Training und er mit zwei langen Hörspielen...

 

Danach folgt nur noch unser Standard-Abendprogramm: Essen, Umziehen, Lesen, Kuscheln und Schlafen.

Voll Dampf...

In Ouddorp haben wir ein Eisenbahnmuseum entdeckt, das eine einstündige Fahrt mit einer Dampflok anbietet. Das möchten wir uns natürlich nicht entgehen lassen!

 

Nach einer Einstimmung in das Thema „Zug“ mit „Was ist Was – Eisenbahn“ erhalte ich von meinem kleinen Profi vor Ort Nachhilfe. Die geht von „Mama, schau, das sind die Kolben!“, über „Rate mal, wieviel Wasser eine Dampflok braucht?“ und „Wie viele Atemzüge von dem giftigen Dampf hast Du nun genommen, Mama? Komm lieber rein und mach das Fenster zu!“ bis hin zu „Das sind aber wirklich unbequeme Sitze! Warum sind die denn nur aus Holz? Die hatten wohl keinen Stoff zu Hand?“

Während ich die Atmosphäre genieße, die die alte Bahn mit den liebevoll restaurierten Details – inklusive passender Uniform und Pfeife für den Schaffner – ausstrahlt, ist der Moggel hingerissen von der Lok, dem Dampf und dem lauten Tuten, das die Fahrt begleitet.

Einfach Riesig...

Direkt im Anschluß an diese Zeitreise in die Vergangenheit fahren wir nach Rotterdam.

Für den Nachmittag habe ich eine „Bike and Bite“ – Tour gebucht, in der wir mit einer App verschiedene Stationen im Zentrum der Stadt anfahren. Dort erwartet uns entweder eine Sehenswürdigkeit mit einer entsprechenden Erklärung oder ein Restaurant mit einem kleinen Snack. Ich bin sehr gespannt!

 

Wir probieren holländische Pommes mit unglaublich leckerer Mayonnaise, Himbeer- und Karamellkuchen ohne industriell hergestellten Zucker, ein Chicken-Sandwich aus der asiatischen Küche, Panzerotti aus Apulien und schließlich deliziöse Trüffel- und Käsekroketten. 

Darüber hinaus sehen wir verschiedene architektonisch interessante Gebäude, besuchen den Laden einer holländischen Taschen-Designerin, passieren das einzige noch erhaltene Haus aus dem 17. Jahrhundert, treffen Erasmus von Rotterdam und lernen Rigardus Rijnhout kennen, der als Riese von Rotterdam 2,38 m maß und Schuhgröße 62 trug. An seiner Statue - in Lebensgröße - vergleichen wir unsere Füße...

 

Diese Art der Stadtführung gefällt uns beiden sehr gut: Man kann alles in seinem eigenen Tempo machen, muss nicht stundenlang irgendwelche Zahlen hören und hat am Ende Mittag- und Abendessen gespart. 

Insgesamt bleibt das Gefühl, Rotterdam wirklich – und vor allem intensiver als bei einer regulären Stadtführung – erlebt zu haben. 

 

Ein einziges Minus gibt es für die Parkgebühren in Rotterdam: Die horrenden 16 Euro für 3,5 Stunden werden nur noch von den 7 Euro für 1 Stunde in Frankreich getoppt!

Wäre das nicht alles auch in Tübingen machbar? Es gibt genug Sehenswürdigkeiten und interessante Persönlichkeiten, ausreichend kleine Cafés und Lokale.

Und überall Parkgebühren...

Körperpflege...

Mit dem Plan am nächsten Tag Amsterdam zu besuchen übernachten wir auf einem Camping-Parkplatz bei Harlem. 

Am Morgen aber überfällt uns akute Unlust: Schon wieder eine Großstadt? Nochmal eine Stadtführung? Ach, bitte nicht...

 

So widmen wir uns ausgiebig zuerst Maltes Bedürfnissen und im Anschluß den unseren: Wir schneiden Haare und Fußnägel, putzen Ohren und Fingernägel, machen Gymnastik mit dem lädierten Fuß und rütteln dann abwechselnd an den zwei Wackelzähnen, die uns seit Dienstag dieser Woche mit Stolz erfüllen. 

Dann laden wir die Räder ab und fahren gemütlich nach Harlem. 

In den kleinen Gässchen der Stadt lässt es sich wunderbar Schaufensterbummeln: Klamotten, Werkzeuge, Fahrräder, Klamotten, Deco, Schmuck, Klamotten, Spielzeug...

 

Die am Vormittag begonnene Körperpflege führen wir konsequent innerlich weiter: Wir schnabulieren Maiswaffeln, Käse, Pralinen und Macarons – alles wild durcheinander, aber mit großem Genuß!

 

Am Abend gehen wir früh zu Bett, denn ab morgen haben wir wieder Besuch und möchten diesen doch bitte ausgeschlafen und gut gelaunt empfangen!

Zwischen den Dünen...

Bevor wir aber Nina und ihr süßes Mädchen im Norden Hollands treffen, fahren wir am Freitagvormittag zum Nationalpark Zuid-Kennemerland. Dort, so habe ich zumindest gelesen, kann man in freier Wildbahn Wisente am Strand sehen. 

Da wir in Polen umsonst darauf gewartet haben, diese Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu sichten, will ich hier erneut mein Glück versuchen. 

 

Wir parken am Rand des Naturschutzgeländes und ziehen dann mit unseren Rädern los. Die Tour ist sehr schön und führt durch Wälder, Dörfer und Dünen. Überall zweigen Wanderwege vom Radweg ab und laden ein, die Natur noch intensiver zu erkunden. 

 

Da wir auf dem „Fietspad“ keine Tiere entdecken können, nehmen wir diese Einladung um die Mittagszeit für ein Picknick an. Tatsächlich stoßen wir sofort auf ein überhaupt nicht scheues Reh und drei grasende Wisente und lassen uns in deren Nähe nieder. 

Dem Moggel sind die Tiere nicht geheuer und er zupft ständig an meinem Ärmel. „Komm, Mama! Lass uns gehen!“, drängelt er und warnt eindringlich, als ich die Tiere fotographieren will: „Keinen Schritt weiter, Mama! Komm zurück!“. 

Er hat wirklich Angst und so fahren wir ohne Nahaufnahmen weiter...

 

Wie geplant erreichen wir Malte um 13.00 Uhr und fahren dann nach Heerhugowaard, wo unsere zwei Hübschen sich schon in ihrer Ferienwohnung eingerichtet haben.

Damenbesuch...

Am Nachmittag orientieren wir uns auf dem Campingplatz und dem angrenzenden Gelände mit Ferienwohnungen, auf dem Nina und die kleine Maus ihre Unterkunft haben. 

 

Die beiden Kinder finden sofort zueinander, während wir zwei „Großen“ uns erst ein bisschen im Bezug auf unsere gegenseitigen Erwartungen an die gemeinsame Urlaubszeit „beschnuppern“ müssen.

So lange am Stück waren wir noch nie zusammen und ich bin gespannt, wie diese Zeit wird...

 

Ein kurzer Spaziergang zum See ganz in der Nähe macht uns alle reif fürs Abendessen und eine frühe Nacht.

Morgen starten wir dann durch! Mit was auch immer!

Als wir gegen 9 Uhr aus unserem gemütlichen Bett krabbeln, scheint die Sonne schon. 

Ganz so, wie man es an einem Wochenende erwartet...

 

Wir frühstücken rasch und packen unsere Sachen, denn nach ausgiebiger Beratung mit dem Moggelmann ist er bereit, uns drei Frauen zum Meer zu begleiten. 

Fantastische Vier mit einem "Tag am Meer..."

Für unseren Strandtag fahren wir nach Egmond aan Zee, da wir dort über die Vermieterin von Ninas Unterkunft kostenlos Liegen und Sonnenschirm bekommen. 

Der Sand ist wunderbar fein und weich, das Meer kalt, aber sauber, der Strand in angenehmem Ausmaß belebt: Ein perfekter Nordsee-Urlaubs-Tag liegt vor uns!

 

Während die Kinder sandeln, den Drachen fliegen lassen und eigenständig die umliegenden Sandburgen – oder Löcher – anderer Badegäste begutachten, können wir uns im Bikini auf den Liegen entspannen... 

 

Nina wagt sich mit ihrer Wasserratte sogar in die Fluten, woraufhin der Moggel und ich – schön auf dem Festland bleibend – vom Zuschauen Gänsehaut bekommen. Kaltes Süßwasser finde ich erträglich, aber kalt und salzig? Nein Danke!

Am frühen Nachmittag beginnt es leicht zu nieseln. Da sich auch die Sonne verzieht, brechen viele auf. Wir dagegen nutzen diese Gelegenheit, um einen zweiten Sonnenschutz zu ergattern und uns eine kuschlige, trockene Höhle zu bauen. 

 

Tatsächlich hört das Tröpfeln schnell wieder auf; nur die Sonne bleibt hartnäckig und zeigt sich nicht mehr. 

 

Weiterhin spielen die Kinder so achtsam und ausdauernd miteinander, dass das Zuschauen eine wahre Freude ist. Ganz selbstverständlich nimmt der Moggel dabei die Rolle des fürsorglichen und generösen Großen ein. 

 

Gegen 17.00 Uhr wird es dann auch uns zu kalt und wir fahren zurück. 

Rechtzeitig zur alltäglichen Abendroutine sind wir wieder auf dem Campingplatz in Heerhugowaard und können so vor dem Schlafen gehen aufräumen, duschen und gemeinsam essen. 

 

Sogar im Schlaf spricht das Kind noch vom gemeinsamen Spiel: „Komm“, ruft es laut, nennt mehrfach Namen und dreht sich grinsend hin und her.