19. – 25.06.2022
speck und steine...
Ganz in der Nähe von Camaiore, wo wir übernachten, liegt Carrara. Dort wird seit Jahrhunderten weißer Marmor abgebaut. Der Marmor, aus dem Michelangelo auch seine Pieta, die wir im Petersdom gesehen haben, hergestellt hat. Der Marmor, der überall zu finden ist, wenn etwas prunkvoll und ganz besonders sein soll. Der Marmor, den ich mir – seit die Delphin-Tour abgesagt wurde – unbedingt genauer anschauen will.
Als ich dem Moggel diesen neuen, wirklich tollen Vorschlag als unser Sonntagsprogramm unterbreite, zieht er eine Schnute. „Find ich blöd!“, sagt er. „Ich habe keine Lust auf Marmor!“.
Verzweifelt suche ich im Internet nach motivierenden Bildern der Steinbrüche und finde dabei bei Arte eine kurze Dokumentation „Wie das Land, so der Mensch – Carrara“. Jetzt ist sein Interesse geweckt. Gemeinsam bereiten wir uns mit Fernsehen auf den Besuch im Marmor-Steinbruch vor und können auf dem Weg dorthin schon unser Wissen anwenden, denn je näher wir Carrara kommen, umso häufiger sehen wir Marmor-Verkaufsstellen am Straßenrand.
„Der ist nicht ganz weiß!“, kann das Kind da schon in seiner manchmal besserwisserischen Art brillieren, „Das ist einer mit grauen Adern und der ist deshalb nicht so wertvoll.“
Selbst ich bin seit der Sendung sensibilisiert für die Farben der Marmorplatten, die wir passieren, und zeige ihm jede neue, die ich entdecke: Grau, weiß, weiß-grau, rosa, gelb, grün...
Bald darauf können wir den Abbau auch an den Bergen sehen. Auf der einen Seite sehen die weißen, geraden Schnittflächen wirklich beeindruckend aus; auf der anderen sind sie natürlich ein starker menschlicher Eingriff in die sonst hier eher unberührte Natur.
Obwohl wir unser Ziel schon vor Augen haben, gestaltet sich die Anfahrt zu Michelangelo-Tours kompliziert. Neben der Tatsache, dass ich ja sowieso nie weiß, ob die Straßen mit Malte befahrbar sind, kommt uns auf den letzten Metern ein deutsches Paar in einem italienischen Mietwagen entgegen und versichert, dass es hier nicht mehr weitergeht.
Ich frage, ob ich den beiden, die mehr Ahnung als ich zu haben scheinen, einfach folgen darf und so fahren wir im Konvoi 45 Minuten, um schließlich an genau dem gleichen Punkt wieder anzukommen, wo wir uns getroffen haben. Ich schlage daraufhin vor, bei der nächsten Häuseransammlung Einheimische zu fragen...
Die schicken uns durch einen Tunnel, den man nicht eindeutig sehen und ebenso wenig als befahrbar hat ausmachen können. Nach weiteren Stops mit gemeinsamer Beratung über Google-Maps, wo die Straße weiterführen könnte, finden wir endlich den Treffpunkt für die Führung.
Mit den eigenen Autos fahren wir dann in das Bergwerk hinein und erhalten dort Informationen über den Abbau der großen Blöcke mit Sprengungen, Diamant-Sägeblättern und befüllbaren Wasserkissen. Verschiedene Marmorarten werden vorgestellt – für uns Dank des Filmes bereits ein alter Hut – und Verwendungszwecke des Marmors genannt.
Unerwähnt bleibt der Lardo di Colonnata-Speck, der 6 Monate lang in einem Marmorgefäß gelagert wird und dabei anscheinend ein ganz besonderes Aroma erhält. Den hätten wir doch zu gern probiert, aber weder am Ende der Führung noch bei der Weiterfahrt haben wir die Möglichkeit dazu.
Schade, denn dieser Abschnitt der Dokumentation hat den kleinen Kerl tatsächlich schwer beeindruckt und auch ich war neugierig auf den Geschmack dieser regionalen Spezialität...
Von DorF zu Dorf...
Für unseren Besuch im Nationalpark Cinque Terre fahren wir auf die Nacht nach La Spezia. In einem Wohngebiet finde ich über park4night einen Parkplatz, der mir aber die ganze Nacht nicht richtig geheuer ist. Ich schlafe nur oberflächlich und warte fast schon darauf, dass jemand an unserer Türe klopft – oder gar ohne Vorwarnung in Malte eindringt...
Am Morgen quäle ich mich dennoch früh aus dem Bett, denn schließlich haben wir heute viel vor: Mit dem Fahrrad fahre ich – Kind auf dem Gepäckträger, da Anhänger zu unpraktisch im Stadtverkehr – 2 km zum Bahnhof und dann steigen wir in den Zug, der uns in den von der UNESCO zum Weltnatur- und Kulturerbe ausgerufenen Nationalpark bringt.
Obwohl wir das Ende der Pfingstferien abgewartet haben und unter der Woche hier sind, ist der Zug so voll, dass wir die 30 Minuten Fahrt stehen müssen. Ich hoffe nur, dass nicht alle Mitreisenden auch wandern möchten...
In Monterosso – dem letzten der 5 Dörfer – steigen wir aus und lassen uns vom Touristen-Strom auf die Straße treiben. Es dauert ein wenig, bis ich mich orientiert habe, aber dann geht es stramm vorwärts Richtung Weinberge nach oben.
3,5 km und 170 Höhenmeter später erreichen wir Vernazza, das – so scheint mir – bekannteste Dorf des Parks. Die bunten Häuser und der kleine Hafen liegen malerisch auf den Felsen am Meer, umrandet von terrassierten Hängen, die mit Weintrauben und Olivenbäumen bepflanzt sind.
Vollkommen naß geschwitzt gönnen wir uns eine Pause und ein leckeres Eis.
Bevor wir weiterziehen, bummeln wir ein wenig durch die Sträßchen und stecken unsere Nasen in die unzähligen und kitschigen Souvenirläden. Dann kommt die zweite Etappe, die uns auf weiteren 3,5 km und 180 Höhenmetern Richtung Corniglia führt.
Kurz bevor wir Corniglia erreichen, halten wir unter Olivenbäumen und lauschen einem alten Akkordeonspieler, der die dort sitzenden, müden Wanderer mit seinem Können erfreut. Entsprechend haben wir im Dorf gar keinen Pausebedarf mehr, sondern besichtigen kurz die Kirche und ziehen weiter.
Ein Blick auf die Karte verrät uns gerade noch rechtzeitig, dass der Küstenweg in die nächsten 2 Dörfer gesperrt ist. Die Alternative dazu wäre eine Wanderung mit weiteren 6 km, die wir in dieser Hitze sicher nicht mehr schaffen. Wir biegen daher ab und laufen zum Bahnhof, um mit dem Zug nach Manarola zu fahren.
Dort angekommen haben wir eigentlich nicht einmal mehr zum Bummeln Lust. Ich spüre mein Knie und klebe von oben bis unten und dem Moggelchen geht es ähnlich: „Mir tun die Füße weh!“, jammert er, „Lass uns nach Hause fahren...“
Riomaggiore, als letzte Station, streichen wir daher ersatzlos. Schließlich ist morgen auch noch ein Tag!
Wir werden Schiffsspezialisten...
Meine Frage am Morgen, ob wir die beiden letzten Dörfer in Cinque Terre noch erwandern, ruft beim kleinen Mann Entrüstung hervor: „Du willst immer Action, Action, Action, Mama! Aber ich will entspannen!!!“.
Ich verstehe das als eindeutiges „Nein!“ und überlege während des morgendlichen Hörspiels, was wir stattdessen unternehmen können. Statt Action, Action, Action könnten wir heute ja auch nur Action, Action machen – also total entspannen!
Mit etwas Überredungskunst bringe ich das Kindchen dazu, mit mir zum Hafen von La Spezia zu fahren. Zum einen gibt es dort ein großes technisches Schifffahrtsmuseum der italienischen Marine und zum anderen liegen mit etwas Glück auch große Kreuzfahrtschiffe an den Kais.
Im Museum sehen wir riesige Modelle verschiedener Segel- und Kriegsschiffe, einen ganzen Saal voller Gallionsfiguren, lustige Taucheranzüge aus vergangenen Zeiten und Exponate, die von der Entstehung der Telegraphie erzählen. Einiges ist uns von verschiedenen Was-ist-was-Hörspielen bekannt, aber ganz vieles ist neu und wirklich (ent-) spannend.
ooooohhhhmmm...
In sehr gemütlichem Tempo bummeln wir danach durch den Hafen und die Fußgängerzone. Wir machen lange Halt bei einer Künstlerin, die aus Sand eine Hunde-Mama mit einem Welpen formt. Mit winzigen Werkzeugen trägt sie Stück für Stück Sand ab, betrachtet ihr Werk, besprüht den Sand mit Wasser und entfernt dann das nächste bißchen Material.
Was für eine Geduld sie hat! Und all die Mühe im Wissen, am Abend alles wieder zerstören zu müssen... Es erinnert mich an die Mandalas, die tibetische Mönche legen...
Nach einem Stückchen Focaccia aus einer Bäckerei fahren wir zurück zu Malte. Ich habe im Internet von einer schönen, flachen – und daher völlig entspannten – Radtour auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse gelesen. Sie führt durch Tunnels von Anzo-Setta nach Levanto und verbindet damit auch mehrere nette Küstendörfchen.
Das klingt toll!
Zug-Rad-(Tor)Tour!
Was aber nicht im Internet stand, ist, dass man in Anzo-Setta mit einem Wohnmobil nicht parken kann...
Weit oberhalb des Einstiegs in die Tour müssen wir Malte daher auf einem leeren Autoparkplatz stehenlassen und mit den Rädern gefühlte 300 Höhenmeter – auf 2,5 km und viele Kurven verteilt – bis zum Meer zurücklegen.
Berg ab macht das natürlich Spaß, aber am Abend müssen wir ja auch wieder zurück!
Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das wird...
Die Strecke durch die Tunnels selbst ist sehr angenehm und genau richtig mit dem neuen Rad. Vor allem die Kühle tut uns beiden – nach den ganzen Unternehmungen in der Hitze – gut. In Levanto angekommen, schauen wir in einige Läden und essen vorsichtshalber vor unserer Rückfahrt eine große Pizza mit einer Portion Tiramisu als Nachtisch.
Auch nach Anzo-Setta zurück genießen wir die gerade Strecke im Kühlen. Aber dann kommt die Herausforderung...
Unten gebe ich dem Moggel letzte Anweisungen: „Wenn ich "schalten" sage, dann schaltest Du in einen kleineren Gang! Ansonsten trittst Du ganz regelmäßig und keine Angst: Ich packe Dich am Schlafittchen und schiebe Dich, bis wir oben sind...“.
Erst nickt er brav, aber dann kommen doch Zweifel: „Und wenn wir nicht mehr können? Dann steigen wir ab und schieben, gell Mama?“
"2,5 km schieben? Niemals! Wir radeln!"
Entspannen ist ja schön und gut, jetzt ist aber wieder Action angesagt...
Wir nehmen Anlauf und los geht’s! Schon nach 20 m ist es so steil, dass ich das Kerlchen am T-Shirt nehme und ziehe. Er schaltet und strampelt wie ein Wilder, aber das übersteigt seine bisherigen Erfahrungen und sein Können...
In jeder Kurve bange ich, ob wir mit unseren Rädern aneinander geraten, aber es klappt gut. Ich selbst schicke 1000 Küsse zu Tobias, der mich im Wunsch nach einem E-Bike für die Reise unterstützt hat. Dann schalte ich von „Eco“ in „Tour“ und wenig später von „Tour“ in „Sport“. Mir läuft der Schweiß übers Gesicht, den Rücken, bis in die Socken...
„Turbo“ spare ich mir trotzdem für den Schluss auf!
Die uns überholenden Autos staunen nicht schlecht, wie wir zwei den Berg hinauf radeln. Und so lange das vom Moggel noch kommentiert wird, hat er Kraft genug, um auf dem Rad zu bleiben...
Oben angekommen, bin ich fix und fertig. Ich kann meinen rechten Arm nicht mehr bewegen und spüre jetzt schon die Ansätze des Muskelkaters, der mich die nächsten Tage plagen wird! Auch das Kindchen ist bereit fürs Bett.
„Das war ganz schön anstrengend!“, resümiert er. „Aber cool, wie wir das geschafft haben...“
Ein letzter Versuch...
Zum Übernachten ziehen wir weiter Richtung Camogli, wo wir am letzten Tag Mittelmeer einen abschließenden Versuch unternehmen wollen, Delphine und Wale zu sehen.
Auf dem Weg zum Hafen in Recco stolpern wir zufällig in ein kleines Modegeschäft, in dem ich ein weiteres nettes Kleid finde. So viel wie auf diesem Teil der Reise habe ich in den letzten 5 Jahren nicht geshoppt... Was ist los mit mir?
Mit einer italienischen Familie zusammen besteigen wir um 12 Uhr das Boot von Golfo Paradiso, das uns – um weitere Passagiere aufzugabeln – nach Genua bringt. Von dort aus geht es dann aufs offene Meer in das Walschutzgebiet Pelagos, wo es zahlreiche Delphine und Wale geben soll.
Der Himmel ist bewölkt und die See unruhig. Das Schiff schaukelt stark und mehrere Damen fühlen sich sichtlich seekrank. Ich bin froh, dass sich niemand in meiner Nähe übergeben muss, denn ich könnte sonst für nichts garantieren...
Wieder und wieder spritzt es kräftig über die Reling, was dazu führt, dass die Gäste, die ganz vorne sitzen, mitunter in Meerwasser geduscht werden. Die meisten wissen es mit Humor zu nehmen, auch wenn es danach durch den Wind sicher kalt ist.
Mehrmals hält das Boot an und die Durchsagen berichten von Tieren ganz in der Nähe. Aber leider, leider, leider, bleiben sie unter der Wasseroberfläche. Obwohl wir 6 Stunden auf dem Wasser sind, sehen wir nur ein einziges Mal für einige Sekunden eine Rückenflosse.
Immerhin erhalten wir beim Verlassen des Bootes eine Gutschrift, die uns innerhalb eines Jahres eine weitere Fahrt mit demselben Unternehmen ermöglicht.
Dann müssen wir eben wiederkommen!
Unsere Pläne...
Nach vielen Wochen am Meer machen wir uns jetzt auf ins Landesinnere. Über den Lago Maggiore zieht es uns in die Schweiz. Dort treffen wir für 4 Tage Tobias und Hans, um am Vierwaldstädter-See zu wandern und kletterzusteigen. Dann darf der Moggel mit den beiden Männern nach Deutschland, während ich 5 Tage später nachkomme.
Diese Männerzeit hat sich das Kindchen schon länger gewünscht und auch ich freue mich auf etwas Zeit für mich allein. In Deutschland gibt es für eine Woche Heimaturlaub, denn Malte benötigt eine Dichtigkeitsprüfung, die ich aufgrund der Gewährleistung doch lieber in Deutschland vornehmen lassen möchte. Außerdem gilt es für den kommenden Winter einige Dinge vorbereiten, was vor Ort einfacher ist als in vielen Telefonaten.
Tiertag...
Nach einer ruhigen Nacht neben dem Sportplatz in Ronco Scrivia, erhalten wir früh am Morgen Besuch: Ein Nashornkäfer hat sich im Fliegengitter des Dachfensters verfangen und kratzt mit seinem Horn beim Versuch Malte wieder zu verlassen so laut, dass ich erwache.
Er ist ganz schön schnell und ich habe Mühe, ihn abzulichten, da er ständig flüchtet...
Nach einer Runde Frühsport flitzen wir auf der Autobahn Richtung Norden und nehmen dann ab Arona die Route direkt am See entlang. Wir bewundern auf der Fahrt die vielen riesigen und wunderschönen Villen, die zwischen Palmen und blau leuchtenden Hortensien an der schmalen Uferstraße stehen. Als Kontrast dazu erheben sich im Hintergrund und teilweise in Nebel gehüllt hohe Berge. Es sieht nach Regenwetter für die nächsten Tage aus...
In Moncucca angekommen packe ich schnell unseren Tagesrucksack, denn nach dieser längeren Fahrt müssen wir uns dringend noch bewegen. Dafür habe ich eine 9,5 km lange Wanderung um den Lago di Mergozzo ausgesucht. Auf der schönen Tour mit herrlichen Ausblicken aufs Wasser sehen wir junge Feldhasen, Wasserschildkröten und blau-grün funkelnde Smaragdeidechsen.
Es ist fast mehr Zoobesuch als Wanderung, was wir erleben...
Holzbein gefällig?
Kurz bevor wir bei Malte ankommen, stolpert das Moggelchen und schürft sich leicht das Knie auf. Ein kleiner Tropfen Blut rinnt an seiner Wade herunter und er weint – bestimmt auch vor Müdigkeit – wie ein Schloßhund. Ich beschließe daraufhin, dass wir das Bein – sobald wir an unserem mobilen Zuhause ankommen – amputieren werden.
In einem der vielen Hörspiele haben wir gelernt, dass Piraten bei Verletzungen das eigene Bein kurzerhand mit einem Holzbein ersetzen und was die können, können wir schon lange!
Als nach dem Duschen – trotz Tränen und Jammern – nichts mehr vom Blut zu sehen ist und ich für die bevorstehende OP zum Küchenmesser greife, hat sich das Kind doch umentschieden.
„Wie jetzt?“, frage ich, „Schwer verletzte Beine muss man abnehmen. Das haben wir doch vorhin so besprochen!“.
„Aber Mama“ lacht er da, „Ist doch schon verheilt...“.
Das war definitiv eine Spontanheilung!
Ein medizinisch nicht nachvollziehbares Wunder!
Wie sind wir froh!
Zum Dank für meinen Einsatz kocht mir ein fröhliches Kind daraufhin Rührei...
Beim Zubettgehen beginnt es zu regnen und es hört auch nicht mehr auf bis wir am Morgen erwachen. Die Wettervorhersage verkündet für den ganzen Tag Gewitter und Schauer...
Der Moggelmann freut sich: „Endlich mal wieder einen Tag Entspannung! Mama, heute gibt es keine Action! Gar keine!“
Wir verbummeln also den Vormittag mit kuscheln, Hörspiel hören und aufräumen. Dann fahren wir nach Locarno. So haben wir wenigstens eine Landesgrenze überquert und damit auch etwas „getan“.
In Locarno folgen wir nur noch der für uns ausgelegten Spur...
... und landen im Schwimmbad „Lido Locarno“. Im See und in den Becken im Freien ist nichts los, aber drinnen tummeln sich doch einige Familien, die vermutlich - wie wir - auf der Suche nach einem Regenwetterprogramm sind.
Da auch für Samstag kein besseres Wetter am Lago Maggiore zu erwarten ist, fahren wir am Abend weiter nach Andermatt. Für die Nacht finden wir – zwischen anderen Wohnmobilen – einen Platz mit wunderbarer Aussicht auf die Berge. Es ist so kalt, dass wir die Winterdecken wieder herauskramen und vorsichtshalber sogar die Heizung anwerfen. Was für eine Wohltat nach den vielen heißen Tagen und Nächten!
Oder doch lieber ein Gipsbein?
Am Morgen packen wir unsere Klettersteigsachen und machen uns auf zur Via Ferrata del Diavolo. Mir ist ein bisschen flau dabei, da ich die Beurteilungen und Beschreibungen meines aktuellen Klettersteigführers noch nicht kenne. Packen wir diesen Steig? Vorsichtshalber stecke ich noch meine Wanderstöcke ein – der Rückweg soll über bei Nässe sehr rutschige Wiesen gehen...
Um kurz nach 9 Uhr informiere ich Tobias, dass wir jetzt gestartet sind. Sollten wir in 5 Stunden nicht zurück sein, kann Alarm gegeben werden.
Am Einstieg zum Steig kann ich aber Entwarnung geben: Wir sind nicht allein. Es gibt ausreichend Kletterer vor und hinter uns, so dass im Fall eines Falles Hilfe nahe ist. Der Aufstieg ist steil, an vielen Stellen senkrecht, aber immer mit sehr vielen Haken versehen, so dass selbst das Moggelchen keine Schwierigkeiten beim Klettern hat.
Ich bin – wie immer – stolz auf das kleine Kerlchen und habe großen Spaß daran, mit ihm die Felsen zu erklimmen. Eine Bank in der Mitte des Steigs ermöglicht uns Kraft zu schöpfen und die Aussicht zu genießen. Die Schnelleren dürfen uns hier gerne überholen.
Nach fast 2 Stunden beim Ausstieg angekommen, treffen wir auf zwei nette Schweizer, die uns mit ihrer Landesflagge ablichten und auch Moggelmanns Kenntnisse in Schweizerdeutsch ausreichend honorieren.
„Ich weiß, wie man „Tschüß“ auf Schweizerisch sagt“, verkündet er beim Kontakt knüpfen. „So, wie denn?“, fragt sein freundliches Gegenüber. „Uf Wiederluage!“, strahlt der kleine Mann und erntet ein herzliches Lachen.
Ohne die Stöcke zu benötigen können wir die Wiesen zurück zu Malte wandern. Bald mündet der Weg in einen schmalen, weichen Pfad, der in Serpentinen durch den Wald führt. Das Moggelchen quasselt und quasselt und holt nach, was beim Klettern wegen der dafür notwendigen Konzentration nicht möglich war. „Mein Mund ist voller Worte!“, erklärt er mir, als ich um etwas Pause für meine Ohren bitte. Tja...
Plötzlich knicke ich um und falle hin. Autsch! Was war das?
Ich schaue auf meinen schmerzenden linken Knöchel und erschrecke. Sofort hat sich ein dickes Ei gebildet und mir ist klar, was das bedeutet: Die Bänder sind ab...
Als ich auftreten will, tut das ziemlich weh; nicht nur auf der Außen-, sondern auch in der Innenseite. Hoffentlich ist nicht noch etwas gesplittert oder gebrochen!
Ich ziehe den Schuh aus, da die Schwellung nun schon drückt und hole nun die Stöcke aus dem Rucksack. Was für ein Glück, dass ich sie eingepackt habe! Irgendwie muss ich ja nun den Berg runterkommen und zu einem Arzt fahren, um den Fuß röntgen zu lassen.
Es dauert, bis ich auf Socken humpelnd unten ankomme. Als wir eine Straße erreichen, kann ich nicht mehr und frage zwei Passanten, ob sie mich vielleicht zu Malte bringen oder Malte hierherfahren könnten.
Es stellt sich heraus, dass die beiden Polizisten – natürlich nicht im Dienst – sind und damit ist klar, dass ab jetzt der offizielle Weg beschritten wird.
Die beiden rufen einen Krankenwagen, der sehr schnell kommt. Die beiden Sanitäter sind unglaublich freundlich, werden aber vom inzwischen schockierten und verängstigten Moggel lauthals beschimpft, als sie mich auf die Trage heben und in den Wagen schieben.
Er weiß sicherlich nicht, was auf ihn und mich zukommt, und fürchtet, dass wir voneinander getrennt werden. Erst als er neben mir im Krankenwagen sitzen darf und wir uns die ganze Zeit an der Hand halten können, beruhigt er sich wieder.
Bis wir in Altdorf ankommen, hat er schon Freundschaft mit dem Sanitäter geschlossen und darf sogar den gerade landenden Rettungshubschrauber begutachten, während ich versorgt werde.
2000 Franken gebe ich an diesem Nachmittag aus, bis wir schließlich wieder – mit rot leuchtender Schiene und blauen Krücken inklusive Rück-Reflektoren – bei Malte ankommen. Was für ein Glück, dass Morgen Hans und Tobias kommen und uns abholen können, denn Auto fahren, wandern, klettern oder schwimmen ist für die nächsten 14 Tage gestrichen!