24. - 30.04.2022
Forderungen im letzten Moment...
Ich liebe Nachrichten mit Forderungen, die auf den letzten Drücker kommen!
Am Samstagabend kommt eine reichlich späte Email von Corsica-Ferries, welche Dokumente ich – zusätzlich zu den beim Ticketkauf bereits erwähnten – zum Boarding mitbringen soll: EU-Genesenennachweis, ausgefüllten Vordruck „Gesundheitsbescheinigung“ und extra Pass-Nummern.
Da ich auf meiner Reise keinen Drucker mit mir führe und unsicher bin, ob ich die geforderten Papiere noch irgendwo am Hafen auftreiben und ausfüllen muss, möchte ich einen zeitlichen Puffer haben und beschließe am Sonntagmorgen deutlich früher zu starten, als ursprünglich gedacht.
Bereits kurz nach 6.00 Uhr stehe ich daher auf, richte mich und packe die letzten Sachen in Malte, die seit einer Woche auf unsere Rückkehr wartet. Hans weckt kurz vor 7.00 Uhr das Moggelchen und nach einem kleinen Frühstück geht es für uns zwei zum Hafen nach Alcudia.
Ich hoffe, dass keiner die nachträglich erwähnten Dokumente prüft, denn ich habe sie nicht.
Ohne Probleme das richtige Kai zu finden, werden wir dieses Mal zum Anstehen eingewiesen. Als wir dran sind, erwähnt kein Mensch die Nachweise und wir passieren ohne alles...
Wie gut, dass ich mich nur ein bisschen verrückt gemacht, aber keinen Aufwand betrieben habe, sie zu besorgen.
Dafür warten wir.
Ich kläre einige Termine in der Zeit und richte alles, so dass wir gleich nach der Ankunft in Toulon schlafen gehen können.
Erst nach 10.00 Uhr beginnt das Boarding auf die alte und recht abgenutzte Fähre. Unter Corsica-Ferries habe ich mir - aufgrund der vielen Aufkleber, die man auf Autos sieht - wirklich etwas anderes vorgestellt...
Zuerst sitzen wir an Deck, aber dann wird dem Kindchen der Wind zu stark. Wir gehen nach drinnen, lesen das ganze „Muskeltiere“-Buch zu Ende, hören Hörspiel, erkunden ein wenig das Schiff und langweilen uns den Rest der Zeit.
12 Stunden Fähre ist wirklich lang! Zum Glück sind alle weiteren Fahrten kürzer...
Um 22.00 Uhr können wir die Fähre verlassen. Wir fahren durch Toulon hindurch auf einen großen und völlig verlassenen Parkplatz und schlafen in kürzester Zeit beide ein.
Bea, wir kommen...
Kaum sind wir am nächsten Morgen erwacht, möchte das Moggelchen losfahren. „Mama, komm, wir fahren gleich los!“ meint er und setzt sich noch im Schlafanzug auf den Kindersitz. „Man kann ja auch im Schlafanzug fahren, oder nicht?“, fragt er mich und ich bejahe. So fliegen wir – laut Musik hörend und voller Vorfreude – im Schlafanzug Richtung Fontvieille, wo Bea wohnt.
Frühstück gibt es auch im Fahren. Wir sind immer offen für neue Erfahrungen...
Herzlich werden wir von Bea in ihrem kleinen, aber sehr fein eingerichteten Häuschen empfangen. Hier ist – im Vergleich zur letzten Woche – alles ruhig und friedlich. Ich brauche etwas Zeit, um die Anspannung los- und diese wohltuende Atmosphäre zuzulassen, aber dann schalte ich gleich mehrere Gänge runter...
Nachdem wir in Fontvieille auf dem Markt eingekauft und uns – von afrikanischen Frauen gekocht – Reis mit Hühnchen gegönnt haben, fahren wir ins nahegelegene Arles.
Reiseführerin Bea zeigt uns die Schmuckstücke der Stadt: Das Amphitheater, die Kirche Saint Trophime, die Rhone, das Cafe van Gogh und eine nette Boutique, in der ich mir doch tatsächlich ein Kleid kaufe.
Mein erstes französisches Kleid – wo ich doch mit Frankreich eigentlich immer den Einkauf von Dessous assoziiert habe.
Nun gut, ein Kleid ist schon mal ein Anfang! Die Dessous können ja noch kommen...
Für unser Abendprogramm ziehen wir uns in Malte zurück und lassen auch Bea ein wenig Freiraum.
Obwohl ich auch gerne auf einen Schnack zurück ins Haus gekommen wäre, schlafe ich noch vor dem Kindchen ein und wache erst am frühen Morgen wieder auf.
Es geht nichts über einen Standplatz, auf dem man sich sicher fühlen kann...
Grünzeug...
Auch der Dienstagvormittag verläuft ruhig und entspannt.
Wir frühstücken, duschen, bauen das vom Osterhasen gebrachte Lego-Set zusammen, waschen unsere Wäsche und spielen schließlich mit Marli, Beas Ferienhund, Ball-werfen-und-holen. Stündlich traut sich der Moggel mehr im Umgang mit dem süßen Hündchen zu und es ist mir eine Freude, diese kleinen Schritte zu beobachten.
Beim Hund-ausführen kann ich riesige Kakteen bewundern. Sie sind uns aus Spanien noch gut bekannt, aber ganz genau haben wir die Pflanzen noch nicht betrachtet.
Angeregt von meiner Liebe zum Grünzeug möchte das Kindchen daraufhin Kräuter für einen Tee sammeln. Wir pflücken Rosmarin, Thymian, Lavendel und ergänzen Nana-Minze aus Beas Garten. Tatsächlich schmeckt unsere eigene Kräutermischung echt fein, was den geschäftstüchtigen Burschen natürlich gleich dazu animiert, eine Tee-Produktion zu planen...
Bis wir startbereit sind für eine Unternehmung ist es schon Nachmittag und so verlassen wir Fontvieille dieses Mal Richtung Norden nach Les-Baux-de-Provence. In diesem kleinen Dörfchen können wir eine der flächenmäßig größten Burgen Frankreichs und einen wunderschönen Ausblick ins Umland genießen: Auf der einen Seite die beindruckenden Felsformationen und auf der anderen die Felder und Olivenhaine der Provence.
Bea kann mit viel Wissen zu den religiösen Sehenswürdigkeiten dienen und ich nehme verschiedenste – nicht neue, aber lange Zeit zur Seite gelegte – Fragen aus den dadurch aufgeworfenen Gesprächen mit: Ist nur der christliche Glaube heilsbringend? Wenn ja, unabhängig von der Konfession? Was ist Kirche überhaupt? Und welche Rolle spielt sie für das Heil?
Als das Kind im Bett ist und schläft, können wir weitersprechen und nutzen diese Gelegenheit bis uns beiden fast die Augen zufallen.
Nah-Hund-Erfahrungen...
Da Bea am nächsten Morgen arbeiten muss, erhalte ich als Betthupferl Einweisungen, wie wir am Morgen mit Marli spazieren gehen und dann den Rest des Tages auf den Spuren von Vincent van Gogh verbringen können. Ersteres ist sehnlicher Wunsch vom Moggelchen und letzteres wohl eher meiner...
Kaum sind wir um 7.00 Uhr aufgewacht, will das Kind auch schon los.
„Mama, schnell, wir ziehen uns etwas über und dann los zum Hund ausführen!“. Ich muss alle Register meiner Überredungskünste ziehen, um ihn davon abzuhalten, sofort an Beas Türe zu klingeln. Als es endlich so weit ist und er mir helfen darf, die Leine anzulegen, ist er unglaublich stolz.
Wir haben allerdings die Kraft dieses kleinen Hundes unterschätzt: Als die beiden auf der Straße ankommen, zieht Marli so stark in die vom Moggelchen anscheinend nicht geplante Richtung, dass dieser auf den Popo fällt und bitterlich weint. Fortan soll ich die Leine halten...
Moment mal, wer wollte unbedingt mit dem Hund spazieren gehen?
Wir drehen nur eine kurze Runde, denn das Tier gibt den Ton an und steht schon bald wieder unverrückbar – selbst wenn ich mit Kraft an der Leine ziehe – vor der Haustüre. Marli scheint die Decke auf dem Sofa eindeutig der körperlichen Anstrengung vorzuziehen...
Auf den Spuren Van Goghs...
Nach dieser Erfahrung machen wir uns auf nach Saint-Remy-de-Provence, denn dort ist Mittwochvormittags Markttag. In weiser Voraussicht parken wir außerhalb und fahren die letzten 2 km mit dem Fahrrad. Dann lassen wir uns mit dem Strom der Menschen in und durch die engen Gassen treiben.
Es gibt Schmuck, Nippes, Kleider, Seifen, Lavendel und jede Menge Essbares zu kaufen. Da man fast überall probieren darf, holen wir uns zum Mittagessen nur noch eine Kleinigkeit beim Bäcker und an dem Stand mit dem frittierten Gemüse. Obwohl unglaublich viel los ist, ist die Stimmung ganz entspannt: Entweder sind die meisten hier im Urlaub oder die Franzosen beherrschen tatsächlich die Kunst des „Savoir Vivre“.
Ich versuche, meine Seele ebenfalls baumeln zu lassen...
Als die Stände gegen 13.00 Uhr abgebaut werden, fahren wir zurück nach Saint-Paul-de-Mausole, wo Malte steht.
Auf dem Weg dorthin halten wir immer wieder an Schautafeln, die van Goghs Landschaftsbilder direkt in der auf dem Bild gemalten Landschaft zeigen. Auch im Garten und den Gebäuden der Heilanstalt, in der er seine letzten Lebensjahre verbracht hat, sind derartige Schautafeln angebracht.
Ich bin erstaunt, wie gut man die Bilder in der Realität wiederkennen kann und wie konsequent sich sein charakteristischer Malstil durch alle Kunstwerke zieht.
Wir beschließen auf diesem Ausflug in die Kunst, uns im Baumarkt in Arles Acrylfarbe zu kaufen und unter der Anleitung aus unserem anregenden Buch „Kunst – ein Mitmachbuch für Kinder“ Van Goghs Malstil nachzuempfinden.
Ich versuche den Sternenhimmel zu imitieren, während das Moggelchen seinen eigenen Aussagen nach schon so weit ist, Bilder ganz aus sich heraus zu malen. Ich beneide ihn darum, denn er hat Recht: „Bilder aus sich heraus malen können nur Profis!“.
Erschöpft fallen wir nach den vielen neuen Eindrücken am Abend ins Bett.
Au Revoir...
Am nächsten Morgen ist es Zeit für uns „Au Revoir“ zu sagen. Nach dem gemütlichen Frühstück nutzen wir ein letztes Mal Beas Dusche und packen dann unsere Siebensachen, um uns auf den Weg Richtung Nizza zu machen, wo am Samstagmittag unsere Fähre nach Korsika startet.
Unterwegs halten wir bei Monfort-sur-Argens und stillen dort Maltes Bedürfnisse. Das ist in Frankreich gar nicht so leicht, denn es gibt nur sehr wenige öffentliche Plätze, an denen Frischwasser getankt, sowie Grau- und Schwarzwasser abgelassen werden kann. Von Spanien und Portugal sind wir diesbezüglich noch verwöhnt...
Heilige Familie...
Da das Moggelchen nicht auf meinen Vorschlag eingeht, Cotignac von hier aus mit dem Fahrrad zu erkunden, fahren wir mit Malte weiter. Das entpuppt sich allerdings als eine schlechte Idee: Auf dem Weg zur Eglise Notre-Dame-de Graces sind die Sträßchen so eng, dass für uns kein Durchkommen ist. Auch die Alternativrouten, die uns das Navigationsgerät und Google anbieten, sind nicht breiter.
So parken wir schließlich nach einigen Anläufen mit dem Auto zu fahren vor dem Spar-Supermarkt und laden doch noch das Rad und den Hänger ab, um zur Wallfahrtskapelle zu gelangen.
Über 2 km fahre ich steil bergauf, bis ich völlig atemlos am Platz der Marienerscheinung ankomme. Dort entzünden wir in der Kapelle zwei Kerzen, notieren unsere Bitten, beten und hoffen auf ein offenes Ohr für unsere Wünsche bei Gott. Ich veranlasse die erste Messenlesung meines Lebens und hoffe, dass das Geld dafür sinnvoll von den Mönchen verwendet wird.
Über einen sehr steinigen und äußerst holprigen Waldweg fahren wir noch 3,5 km weiter zu einem Kloster, das aufgrund einer Erscheinung des Heiligen Josefs an diesem Platz erbaut wurde. Auch eine Quelle mit heiligem Wasser befindet sich hier.
Da der Heilige Josef der Fürsprecher der Familien ist, füllen wir 2 Liter Wasser für Tobias und uns ab.
Betrachtet man die beiden Erscheinungen zusammen, so ist hier einer der wenigen Orte auf der Welt, an denen die gesamte Heilige Familie gesehen wurde. Ich freue mich, dass wir hier sein dürfen und diese Erfahrung nicht im Strom anderer Touristen machen müssen.
Für die Nacht kehren wir zurück nach Monfort-sur-Argens. Im abendlichen Telefonat mit Tobias knüpfen wir an den Gesprächen auf Mallorca an.
Das schönste an unserer Beziehung ist einfach, dass sie nie langweilig wird – immer gibt es neue Herausforderungen!
zwei faultiere lutschen drops...
Eigentlich möchte ich am nächsten Morgen Richtung Meer fahren und dort im Esterel-Gebirge wandern, aber das Moggelchen möchte einen Faulenztag. Da ich noch viele meiner Gedanken der letzten zwei Wochen notieren möchte, um daran weiterzuarbeiten, willige ich ohne zu zögern ein und wir bleiben.
Lange kuscheln wir und lauschen dem „Kleinen König“. Dann nehmen wir uns nochmals Zeit, um zu malen und zu experimentieren, welche Farben sich ergeben, wenn man den Inhalt der Tuben mischt.
Während ich an meinen Themen rumdenke, bastelt das Kind aus Klopapier eine Windel für mich und veranstaltet dann selbst ein Weitpinkeln auf dem Parkplatz.
Wir kochen und brauen eine Zitronenlimonade...
Der ganze Tag ist angefüllt mit Kleinigkeiten, die sonst nur selten Raum erhalten!
Als Opa Hans bei unserem Anruf fragt, was wir denn so den lieben langen Tag treiben, antwortet das Kind: „Wir haben eigentlich die ganze Zeit nur gefaulenzt und Bonbons gelutscht!“
Wer Cannes, der Cannes...
Auf den Abend hin fahre ich – in der Hoffnung, am Samstagmorgen noch eine kleine Wanderung machen zu können – an die Cote d´Azur.
Bei der Suche nach einem Platz für die Nacht lese ich aber in Park4night von extrem vielen Diebstählen und Überfällen auf den öffentlichen Parkplätzen und an den Straßenrändern.
Unter diesen Umständen ziehe ich es vor, einen Campingplatz zu suchen und dort für rund 20 Euro sicher zu übernachten.
Nach einem kurzen Abstecher ans Meer werden wir in Saint-Raphael fündig und verbringen eine ruhige Nacht zwischen vielen anderen Campern. Es ist der erste richtige Campingplatz, auf dem wir bei diesem zweiten Teil der Reise stehen, denn der Wechselrichter leistet wirklich hervorragende Dienste und macht uns unabhängig von externen Stromquellen.
Am Morgen freuen wir uns über frische Croissants, Pan au Chocolat und Baguette, die von einem Bäcker an der Rezeption verkauft werden. Nach diesem leckeren Frühstück machen wir unseren in den letzten zwei Wochen vernachlässigten Frühsport in der nahegelegenen Bucht. Ich liebe es, wenn wir ganz allein am Strand sind und ich beim Dehnen aufs Meer schauen kann...
Mit ausreichend zeitlichem Puffer fahren wir auf der kleinen Straße an der Küste entlang über Cannes nach Nizza. Auf dem Weg überholen wir jede Menge Radfahrer; leider entdecke ich darunter keinen der Stars, die man hier so treffen könnte, sondern nur jede Menge alte, weiße Männer...
Wie als Entschädigung für diesen nicht immer ansprechenden Anblick sind die roten Felsen und das leuchtend blaue Meer ein echter Hingucker!
Am Fährhafen angekommen, werden wir mehrfach kontrolliert.
Das erste Mal möchte sogar jemand ins Innere von Malte schauen.
Als er uns nach Waffen fragt, bin ich völlig verdutzt: „Waffen?“, frage ich zurück, „Äh, nein, wir sind im Urlaub!“.
Ich nehme doch nicht meine Waffen mit in die Ferien! Wo kämen wir denn da hin, wenn ich die auch noch mitschleppen müsste? Alles, was die Geschäfte angeht, habe ich zu Hause gelassen...
Dann wird Malte nachgemessen. Tatsächlich habe ich beim Kauf des Fährtickets nur die Fahrzeuglänge angegeben und den Fahrradanhänger nicht ausgemessen.
Das wird nun nachgeholt und wir müssen 30 Minuten warten, bis wir die 38 Euro Nachzahlung für den nicht angemeldeten Meter Räder bezahlen können.
In dieser halben Stunde muss ich mein Ticket ganze 6 mal bei unterschiedlichen Mitarbeitern vorzeigen. Mit Walkie-Talkie, Handy, Kartenlesegerät und irgendeinem Corsica-Ferries-internen-Apparätchen ausgerüstet, scheitern die Mitarbeiter fast an meinem eigentlich einfachen Problem und ihren vielen verschiedenen Elektrogeräten.
Da sage noch einer, dass die Digitalisierung eine Vereinfachung der Prozesse mit sich brächte...
Unweit vom Hafen entdecke ich, dass Delphine die Fähre begleiten. Endlich, endlich, endlich!
Auch beim zweiten Gang auf das Sonnendeck springen sie in etwas Entfernung durchs Wasser.
Hach, ich Glückliche!
Leider sind wir beide Male zu weit weg, um Bilder von den schönen Tieren zu machen, aber vielleicht habe ich ja irgendwann nochmal das Vergnügen!