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TEIL II: 8. WOCHE – MALLORCA: GR 221

16. - 23.04.2022

Steine im Weg...

Pünktlich um 5.30 Uhr legen wir am Hafen in Palma de Mallorca an. Die Fähre ist sehr leer, so dass wir im Nu vom Schiff und in den Hafen fahren können. Auf dem erstbesten Parkplatz stelle ich Malte ab, um mit dem Kind nochmals für eine Runde Schlaf in den Alkoven zu schlüpfen. Trotz des lauten Verkehrs neben uns nicken wir sofort ein und wachen erst um kurz vor 9.00 Uhr wieder auf. Um diese deutlich humanere Uhrzeit können wir beruhigt nach Valldemossa fahren und in der Ferienwohnung bei Hans aufschlagen.

 

Mit einem Anruf kündigen wir uns an, so dass uns Hans an der Straße empfangen und durch das enge Tor in die Hofeinfahrt lotsen kann. Er hat ein großes Haus mit drei Schlafzimmern am Rand des alten Bergdorfes für uns gemietet. Wir verteilen die Zimmer und richten uns mit unseren Sachen aus Malte möglichst gemütlich ein. Da es nur drei kleine, portable Elektro-Heizöfelchen gibt, ist alles etwas klamm, aber sobald man in die Sonne im großen Garten tritt, kann man sich wieder aufwärmen.

 Sofort erkundet das Moggelchen mit seinem Freund das neue Umfeld und gibt mir dadurch Zeit für unser Osterfrühstück Hefehasen zu backen. Die stehen seit Tagen auf seiner Wunschliste für das gemeinsame Frühstück am morgigen Auferstehungstag.

 

Als sie fertig aus Maltes Ofen - eine Premiere, dass wir auch backen - kommen, bringen mich die zwei Männer mit dem Mietwagen nach Es Capdella. Dort will ich mit meiner Wanderung durch die Tramuntana auf dem Fernwanderweg GR 221 beginnen: Eine kleine echte Auszeit, die mir Hans durch seine Kinderbetreuung freundlicherweise ermöglicht. 

 

Die Tour ist mit 5 Stunden Wanderzeit und 510 Höhenmetern aufwärts, sowie 450 abwärts ausgeschrieben und verspricht Wege durch Haine mit Mandel-, Oliven- und Johannisbrotbäumen. Ich freue mich darauf, mich diese Woche wenigstens ab und an einmal nur auf meine Bedürfnisse konzentrieren zu können. Das ist so selten möglich...

Da wir am Abend noch Tobias vom Flughafen in Palma abholen möchten, ich pünktlich vor Ort sein will und wir spät in der Ferienwohnung gestartet sind, will ich mich sputen. Wie war das gleich mit der Achtsamkeit für meine eigenen Bedürfnisse?

 

Ich kann – da ich nur Tagesgepäck dabeihabe – schnell laufen und Hans nach nur 3,5 Stunden telefonisch zum Abholen nach Estellencs bestellen. Das ist für die zwei fast ein wenig zu schnell gewesen... Bis sie die kurvigen Sträßchen durch die Berge genommen haben, erhole ich mich in der Sonne auf einer Bank an der Kirche.

 

Dank meiner Rennerei reicht die Zeit dann sogar noch für ein gemeinsames Eis mit Blick aufs Meer.

Der Papa ist da...

Das Kindchen freut sich sehr über Papas Ankunft, während ich zwiegespalten bin. Auf der einen Seite freue ich mich über das Wiedersehen, aber auf der anderen Seite sind noch diverse – in meinen Augen nicht bearbeitete – Konflikte aus der gemeinsamen Pause-Zeit in Deutschland zu klären. Selbst ohne diese Grundlage haben wir bislang bei jedem Besuch gestritten, dass die Fetzen fliegen... Und uns erst danach wieder gefunden.

 

Ich fühle mich überhaupt nicht innerlich gerüstet, um den dabei - meiner Wahrnehmung nach - aufkommenden Abwertungen meiner Person und meiner Vorstellungen von Beziehung standzuhalten und befürchte, die Insel im Inneren wie ein gerupftes Huhn wieder zu verlassen. Mir ist viel mehr nach wohlwollendem Entgegenkommen, empathischem Zuhören und tatkräftiger Unterstützung zumute...

Ohne dafür vorher streiten zu müssen!

Aber vielleicht tun gerade meine Ängste und Sehnsüchte das Ihrige dazu, dass wir uns schon nach wenigen Stunden anschreien und bereits die erste Nacht in getrennten Zimmern schlafen...

 

Ich bin ratlos: Wir schaffen es einfach nicht, dieses gewohnte Muster zu verlassen!

Auferstehungstag...

Den Ostersonntag möchte ich nach fast durchwachter Nacht mit Hoffnung beginnen: Auch Jesu Kreuzigung ist eine Auferstehung gefolgt! 

 

Trotz aller Widrigkeiten verbringen wir schon 12 Jahre zusammen – vielleicht gelingt es uns auch die aktuell anstehenden Diskussionen über sehr grundlegende Fragen im Umgang miteinander irgendwann konstruktiv zu führen und mit für beide Seiten passenden Lösungen zu beenden... 

 

Das ist jedenfalls mein Wunsch für uns beide!

Als die Suche nach dem Osterhasen erfolgt ist und alle Geschenke ausreichend gewürdigt sind, frühstücken wir. Dann bringen uns Hans und das Kindchen zum Ausgangspunkt der heutigen Etappe, denn wir werden versuchen gemeinsam zu wandern.

 

Sowohl Landschaft als auch Wetter zeigen sich dabei von ihrer besten Seite. Die Sonne scheint, ist aber nicht zu heiß, und die Blicke auf Steinmauern, Berge und Küste sind unglaublich schön. 

Dank der guten Beschilderung bleibt viel Zeit zum Gespräch.

 

Ich habe das Gefühl, wir befinden uns in einer echten Phase des Umbruchs und ich frage mich, ob wir uns die letzten Jahre über nicht ehrlich auseinandergesetzt oder einfach in den letzten Monaten auseinandergelebt haben.

Es fällt mir schwer, die für mich stimmige Balance zwischen „Ich“ und „Du“, zwischen „Geben“ und „Nehmen“, zwischen „Nähe“ und „Distanz“ in Einklang zu bringen mit der für Tobias stimmigen Balance. Viele alte Wunden werden hier wieder aktiviert und ich sehe eine Menge Seelenarbeit vor mir in der nächsten Zeit.

 

Als wir in Esporles ankommen, entscheiden wir, die Tour für heute zu beenden und lieber noch etwas Zeit mit dem Moggelmann und Hans zu verbringen. Diese Entscheidung treffen wir zum richtigen Zeitpunkt, denn beim Abendessen im Dorfkern Valldemossas wird deutlich, dass wir alle erschöpft sind: Auf dem Erinnerungsfoto sehe ich drei müde Gesichter von auf dem Tisch oder im Stuhl hängenden Männern... 

Die Kraft reicht gerade noch dafür, die leckere mallorquinische Spezialität „Pa Amb Oli“ im Restaurant „Quita Penas“ zu verspeisen und dann zu Hause – heute zumindest miteinander – ins Bett zu gehen.

vom weg abgekommen...

Auch am Ostermontag gehen wir – direkt nach dem Frühstück – gemeinsam wandern.

 

Auf der ersten Etappe von Esporles nach Valldemossa legen wir 640 Meter nach oben zurück. Es geht dabei fast ausschließlich durch steiniges Gebiet, das gar nicht ausgeschildert, sondern nur mit Steinmännchen gekennzeichnet ist. Zwischen den unsäglich vielen Steinen die wegweisenden Steine zu finden, ist gar nicht so einfach.

 

Mir kommen die Umstände aber sehr passend für unsere Situation vor...

Da wir weiter miteinander diskutieren, kommen wir mehrfach vom Weg ab und brauchen deutlich länger, als im Wanderführer angegeben. Immer wieder sind Pausen notwendig, um sich zu orientieren und wenigsten grob auf der geplanten Route zu bleiben. Aber: Wir kommen am vorgegebenen Ziel – dem aktuellen Heimatort – an!

 

Ich frage mich, ob uns das im übertragenen Sinn auch gelingen wird: Haben wir denn überhaupt noch das gleiche Ziel?

 

Unterwegs treffen wir auf Christoph, einen Deutschen aus Rosenheim, der alleine und mit GPS unterwegs ist. Freundlicherweise dürfen wir uns an ihn dranhängen und ersparen uns so das Rätseln, wo es weiter geht. Die Gesellschaft führt außerdem dazu, dass wir uns – abwechselnd mit unserer neuen Bekanntschaft – über andere, belanglosere und damit auch leichtere Themen unterhalten. 

Die zweite Hälfte des Tages führt uns der Weg in 4,5 Stunden weitere 610 Höhenmeter nach oben. Auf einer unglaublichen tollen Strecke über den Bergkamm erhalten wir schönste Aussichten auf das Tramuntana-Gebirge und das Meer, die ich in vielen Photos festhalte. 

 

Christoph gelingt es, auf dem Gipfel ein schönes Bild von uns beiden zu machen und ich freue mich darüber, denn das letzte ist schon wieder eine Weile her. In mir wird es etwas ruhiger und ich kann die gemeinsamen Stunden nun auch genießen.

880 Meter gilt es am Ende abzusteigen nach Deia. Dort angekommen ist es schon so spät, dass wir beschließen, wieder Essen zu gehen. Tobias schlägt beim Schlendern durch den Ortskern eine Tapas-Bar vor, die ihn auf den ersten Blick anspricht. 

Als wir das Menü einsehen können, bemerken wir, dass die Gerichte sehr lecker klingen, aber auch die Preise atemberaubend sind. Beim Blick um uns herum fällt mir nun auf, dass wir ganz offensichtlich underdressed und vermutlich auch olfaktorisch völlig fehl am Platz sind.

Aber was soll´s? Jetzt sitzen wir schon...

 

Hans wählt zwei Empanadas für 15 Euro, ich ein vegetarisches Gericht mit Broccoli für 18, das Moggelchen einen Burger für 22 Euro und Tobias gar ein Fischgericht für 26. Ich bin gespannt! 

 

Es schmeckt vorzüglich, aber die Portion ist – euphemistisch ausgedrückt – für Körperbewußte...

 Nach mehr als 8 Stunden laufen, hätten zumindest mein Göttergatte und ich durchaus das Dreifache zu uns nehmen können.

 

Eine schöne Erfahrung ist und bleibt das Essen dennoch und wir können herzlich über die Restaurant-Wahl lachen...

Feigolive - Olifeige

Am nächsten Vormittag wandere ich alleine von Deia weiter Richtung Soller. 

Tobias arbeitet währenddessen und Hans kümmert sich mit Nathanael um den Haushalt. Ich genieße diese Arbeitsteilung und die Freiheit, die sie für mich bringt. Allein meinen Gedanken hinterher zu hängen und ganz mein eigenes Tempo laufen zu können, sagt mir sehr zu. 

 

Über die vielen ausgetauschten Worte der letzten Tage grübelnd, erhalte ich einen Wink aus der Natur.

Direkt am Wegesrand steht ein alter Olivenbaum, in dessen Stamm es sich ein Feigenbaum gemütlich gemacht hat. Die beiden so unterschiedlichen Bäume nähren sich nun aus einem Stamm: Die kleine, harte, eher bittere Olive und die große, weiche, süße Feige.

So würde ich es mir für unsere Ehe wünschen – dass wir eine „Feigolive“ beziehungsweise eine „Olifeige“ sind und trotz unserer großen Unterschiedlichkeiten nebeneinander bestehen können, aus einem gemeinsamen Grund uns nährend und wachsend. 

 

Nach einer Weile stoße ich auf Christoph und wir laufen den Rest der Etappe gemeinsam. In Soller treffen wir auf meinen Abholservice und schnabulieren zusammen noch Eis, Cappuccino, Fanta und mein seit Jahren obligatorisches Wandergetränk „Tonic Water“. 

Nachbarn in der Ferne...

Dann fahren wir nach Can Picafort, um dort Ralf und Lia zu treffen. Wenn wir es schon nicht schaffen, uns in Tübingen zu treffen, dann wenigstens hier auf der Insel...

Im Hotel der beiden dürfen wir – theoretisch; Moggel und ich aber auch praktisch – als Tagesgäste die eiskalten Pools mitbenutzen. Die Kinder spielen zusammen mit Animateur Hans und wir tauschen uns auf den Liegestühlen ein wenig darüber aus, was „Quality-Time“ für jeden von uns bedeutet. 

 

Immer wieder wird für mich deutlich, dass selbst die beste konkrete Beziehungsanleitung nur bedingt hilfreich ist: Jedes Paar muss seinen eigenen Weg finden, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. 

Und das gilt auch für die Beziehung zu den Kindern. 

Letztlich für jede Beziehung. 

 

„Niemand hat uns versprochen, dass das Leben einfach ist“ – oder habe ich mir das falsch gemerkt?

Es wird relativ spät, bis wir in der Pizzeria fertig sind und uns nach dem Nachtisch in der Eisdiele auf den Heimweg machen. 

Das Moggelchen schläft auf der Autofahrt ein und wir können den Abend nutzen, um den Umzug in die zweite Ferienwohnung am darauffolgenden Tag vorzubereiten. 

 

Als ich mich bettfertig machen will, bemerke ich, dass ich an Hals, Dekolletee, rechter Bauchseite, Oberschenkeln, Armen-Innenseiten und beiden Fesseln einen stark juckenden Hautauschlag mit knallroten Pusteln bekommen habe. Wird die Haut berührt, laufen mir kalte Schauer über den Rücken bis hin zu einer diffusen Übelkeit mit Schwindel. Ob das vom Absetzen des Antibiotikums kommt? Von dem inneren Aufruhr durch die Auseinandersetzungen? Von der Sonne? 

Ich weiß es nicht. Aber es kommt mir nicht gelegen...

 

Hoffentlich bringt die Nacht eine Verbesserung der Situation.

Die königstour...

Während Hans, Tobias und das Moggelchen am Mittwochvormittag von einer Ferienwohnung in die andere umziehen, habe ich eine lange Wanderstrecke mit 1000 Höhenmetern vor mir. Ich habe etwas Bedenken, diese Tour allein zu machen, aber ich versuche – wie sehr häufig –, dem aufkeimenden Bedürfnis nach Unterstützung keinen Raum zu geben und stattdessen möglichst zügig mit meinem Vorhaben zu starten. Das Gefühl – so hoffe ich – wird dem Tatendrang dann schon hinterher kommen...

 

Bereits beim Aussteigen aus dem Auto sehe ich die ersten Wanderer und mir wird klar, dass ich heute alles andere als allein sein werde. Zum Glück habe ich mich also nicht abhalten lassen.

Die Strecke streift zuerst duftende Orangenhaine, führt dann durch einige hübsche Dörfchen und steigt dann in – gefühlt mehreren tausend – gepflasterten Stufen kontinuierlich nach oben. 

 

Als mir langweilig wird, beginne ich ein Hörbuch zu hören. Die Aussagen in den ersten zwei Kapiteln des Buches machen mich so wütend, dass ich den Berg fast hinaufrenne. Nur noch um an andere Leser des gleichen Buches empörte Rückmeldung per WhatsApp zu geben, halte ich an. Ich bin sehr gespannt, wie andere Ohren dasselbe Buch hören und freue mich auf den Austausch darüber.

 

Ratgeber sollte man eigentlich immer in Lesegruppen lesen, finde ich. Sonst nimmt man sie womöglich zu ernst!

Um 15.00 Uhr komme ich an dem im Wanderführer ausgeschriebenen Endpunkt der Etappe – Hostel Refugium des Tossals Verde – an und stelle dort fest, dass nur autorisierte Personen mit dem Auto anfahren dürfen. Dazu ist Hans sicher nicht zu zählen... Ich muss also nach einer Alternative für den ursprünglichen Plan suchen. 

 

Weiter wird mir beim Durchlesen der Etappe für den nächsten Tag klar, dass ein langes Stück auf genau demselben Weg wieder zurückzulaufen ist. Leider habe ich vor Beginn der Wanderungen nicht das ganze Buch gelesen, sondern maximal die Seiten, die die nächste Etappe beschreiben... Auch hier muss also eine Planänderung her!

Ich beschließe, so lange auf dem Anfahrtsweg weiter ins Tal zu laufen, bis die Schranke, die an der Auffahrt hindert, kommt. Dort werde ich dann auf meine Abholung warten. Bei schlechtestem Empfang versuche ich mit Hans diese Lösung zu kommunizieren. Auch er ist – vom Navi fehlgeleitet – irgendwo im Nirgendwo.

 

Etwa 5 km und eine Stunde später treffen wir auf einer von Schlaglöchern übersäten schmalen Bergstraße aufeinander. Was für eine Strecke!

 

Erkenntnisse des Tages:

In Zukunft immer auch die nächste Tagesetappe berücksichtigen und aufmerksam auf die Beschilderung bei Abzweigungen achten! 

Ohne Wanderbegleitung lieber nur seichte Literatur – oder noch besser: Wanderführer – hören!

Das teuerste Kuchenstück meines Lebens...

Da die Wettervorhersage für Donnerstag Regen vorhersagt, machen wir am nächsten Tag Pause. Hans und das Moggelchen spielen, während Tobias und ich den ganzen Vormittag an den Rechnern hängen und arbeiten. Selten ist für mich Gelegenheit so intensiv an einer Sache dranzubleiben und ich komme mit einigen liegengebliebenen Aufgaben gut vorwärts. 

 

Als wir endlich am frühen Nachmittag das Haus verlassen wollen, beginnt es zuerst zu Nieseln und dann tatsächlich auch zu regnen. Da sich große Geister von etwas Nässe jedoch nicht stören lassen, gehen wir trotzdem für ein Eis, sowie Kaffee und Kuchen an die Strandpromenade. 

 

Auf dem breiten Gehweg und in der Eisdiele ist es menschenleer, aber im „Cappuccino“ angekommen treffen wir auf die Touristen, die Port de Pollenca am Leben erhalten. Wir bestellen alle Kuchen, die auf der Karte zu finden sind, und lassen dafür eine ähnliche hohe Summe liegen, wie in der Edel-Tapas-Bar in Deia. 

 

Wahnsinn! 

 

Ich darf gar nicht daran denken, wie viele Kuchen ich von diesem Geld selbst hätte backen können... 

Mir deucht, ich sollte doch noch ein eigenes Kaffee eröffnen. Bei diesen Preisen könnte ich vielleicht sogar davon leben...

Im Wasser...

Nachdem es fast die ganze Nacht geregnet hat, bin ich am Freitagvormittag sehr auf die Wege gespannt. Im Wanderführer ist zu lesen, dass dann das Wasser in kleinen Bächen über die steinigen Routen strömt und dieser Anblick aufgrund der Seltenheit fast schon die Pflicht die Nässe zu genießen mit sich bringt. 

 

Trotz dieser Vorwarnung vergesse ich aber, meine wasserfesten Schuhe anzuziehen und so habe ich meine liebe Mühe Tobias, der in undurchlässigen Stiefeln heute vorneweg läuft, zu folgen. Es dauert nicht lange, bis meine Socken nass sind, aber wer nicht hören will, muss eben fühlen...

Das Moggelchen spaziert mit Hans um den Bergsee, in dessen Nähe wir starten. Wir dagegen führen zeitgleich erneut heiße Diskussionen über Grundsatzthemen. Trotz aller Frustration will ich das als gutes Zeichen werten: Immerhin sind wir dabei auf vielen Gebieten Klärung voranzutreiben. Es scheint so bitter nötig geworden zu sein...

 

Am Nachmittag, nachdem wir in Lluc abgeholt wurden, belohnen wir uns für jegliche Anstrengung – und weil es so schön teuer war – gleich nochmal mit einem Eis beim Spaziergang an der Promenade in Port de Pollenca.

Dann will sich das Kind ein Schwimmtier kaufen. Wenn es schon kein Baby oder ein echtes Haustier gibt, dann doch wenigstens ein Schwimmtier! 

 

Zu viert beraten wir vor den mit aufblasbaren Gummiteilen gefüllten Regalen, ob nun ein Flamingo, ein Schwan, ein Einhorn, eine Schildkröte oder ein Krokodil besser zu unserem Haushalt passt und kehren schließlich mit einem großen, bissigen neuen Mitbewohner in die Ferienwohnung zurück. 

 

Noch vor dem zu-Bett-gehen müssen wir Kroko, das Krokodil, aufpumpen. Mit dem Mund natürlich, denn wer führt schon auf monatelangen Reisen auf Vorrat eine für jede Gelegenheit passende Pumpe mit sich mit?

 

Voller Begeisterung für den neuen Freund überlegt das Moggelchen nun noch die Inhalte der Tiershow, die am morgigen, letzten Tag im eiskalten Pool einstudiert und vorgeführt werden soll.

Zum Glück darf ich morgen früh wieder wandern und werde nicht noch zum Tierwärter und Dompteur ernannt!

Die letzte Etappe des GR 221 laufen Tobias und ich am Samstag. Sie ist äußerst harmlos und führt letztlich fast die ganze Zeit gut sichtbar markiert bergab Richtung Pollenca. 

 

Ich hätte gerne die Stunden für verbindende Konversation genutzt, aber Tobias wünscht sich, dass wir schweigen. Da es für ein Gespräch in meinen Augen zwei Sprechende braucht, sitze ich am kürzeren Hebel...

 

Ich versuche, die in dieser Situation aufkommenden Gefühle zu reflektieren: Woher kommt dieses Gefühl von Ohnmacht, Ausgeliefert sein und ungerechter Behandlung? Wie kann ich den Schmerz darüber zulassen und die Situation annehmen, ohne in Wut und Angriff überzugehen? Wie kann ich dafür sorgen, dass wir beide zur Stillung unserer Bedürfnisse gelangen? 

 

Ich habe noch so viel zu lernen!

Die wilde Krokodil-Show...

Als Hans uns mit dem Kindchen um die Mittagszeit abholt, ist auch hier Frust am Start: Die Kroko-Show konnte nicht so vorbereitet werden, wie gewünscht. 

 

Ach Menno! Alles doof!

 

Mit einem kurzen Stop zum Einkaufen von Vorräten für die lange Fährfahrt fahren wir zur Ferienwohnung. Schnell ziehen wir uns die Neopren-Anzüge über und trainieren weiter: Die Tiershow muss heute noch stattfinden!

 

Zum Glück ist Kroko ein äußerst gelehriges Krokodil, so dass wir schnell alle Übungen vorführreif intus haben. 

Dann kommt der große Moment: Tierwärter Moggelmann lässt Kroko aus seinem Käfig und führt ihn ins Wasserbecken. Die Spannung im Publikum steigt spürbar an – was angesichts des gefährlichen Tieres, seiner Nähe zur Zuschauertribüne und den waghalsigen Übungen nicht verwunderlich ist – und explodiert in einem tosenden Applaus beim Höhepunkt der Vorführung, dem Ritt des jungen Künstlers auf dem Rücken des Krokodils...

 

Mit vielen wertvollen Informationen über Tierhaltung und -pflege beendet das Kind seinen Auftritt und lässt die Zuschauer den tierischen Star des Tages sogar streicheln. Was für ein Erlebnis! 

 

Bevor Kroko zurück muss in sein Gehege, sind eine Hand voll Leckerlis für alle Beteiligten selbstredend Pflicht!

Nach dieser nervenaufreibenden Show fahren wir zum Essen nach Alcudia. 

 

Tobias ehemaliger Mitarbeiter lebt seit einigen Jahren mit Frau und Kindern auf Mallorca und hat für uns ein nettes Restaurant ausgesucht, in dem wir gemeinsam den Abend verbringen. Ein gemischter Teller Tapas ermöglicht uns, verschiedene Spezialitäten der Insel zu probieren. 

 

Als dann noch Musikanten auftauchen und ihre Lieder zum Besten geben, findet die gemeinsame Zeit – trotz aller Höhen und Tiefen – ein würdiges Ende, das nur noch mit einem Eis zum Nachtisch gekrönt werden kann.