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TEIL II: 7. WOCHE – SPANIEN: PASSION

10. - 15.04.2022

Der fliegende Robert...

Ich bin froh, dass ich in meinem warmen Bett liege. Hier kann ich den Blick auf das Wasser richtig genießen, denn draußen ist es kalt und windet stark, so dass ich dort ohne jegliche Bewegung vermutlich schnell frieren würde. Während das Moggelchen schläft und Christian noch in seinem Bereich von Malte verharrt, lasse ich meine Gedanken schweifen. 

 

Es ist Palmsonntag. 

 

Wer wohl zu Hause der Palmesel ist? Früher war das eine wichtige Frage für uns Kinder und wie groß war die Freude, wenn man selbst es nicht war...

Ich erinnere mich auch an unsere Pilgerfahrt nach Jerusalem. Daran, wie wir – ich schwanger mit Talitha und gerade erst mit ihrer Diagnose konfrontiert – von Bethanien nach Jerusalem gezogen sind. Singend zwischen all den Menschen, geborgen und doch in Ungewissheit, was uns erwarten würde in den kommenden Wochen und Monaten...

Ich denke an das Osterfrühstück im Lockdown. Sandra, Ralf, Lia und wir beim Picknick auf dem Waldkindergartengelände. Wie unerwartet wir zu dieser schönen Freundschaft gekommen sind und was wir seither zusammen erlebt haben...

Dieses Jahr bin ich an Palmsonntag im Rahmen einer Europareise in Spanien. Wer hätte das gedacht?

 

Ich drehe mich nochmal um und döse ein bisschen weiter. Sonntags kann man ja alles ein wenig gemütlicher angehen!

 

Als wir alle wach sind und mit einem gemeinsamen Frühstück in den Tag starten, windet es immer noch wie wild. Das Moggelchen schlägt vor, mit geöffneten Regenschirmen ins Freie zu gehen, aber ich halte diese Idee für weniger gut: Es könnte sein, dass es uns tatsächlich wegbläst! Und das kann ja keiner wollen!

Unsere Führung auf den Pico de la Huma...

Für heute haben wir eine Wanderung geplant. 

Christian darf die Route wählen und entscheidet sich für eine Rundtour auf den Pico de la Huma. Schon die Fahrt zum Ausgangspunkt wird abenteuerlich und wir entscheiden aufgrund der Steigung der Straße schon vor dem eigentlichen Ausgangspunkt zu parken. 

 

Malte hätte mit ihrem Gewicht das letzte Stück auf unbefestigtem Boden vermutlich nicht geschafft und die Erfahrung mit ihr stecken zu bleiben, muss ich nicht unbedingt ein zweites Mal machen! 

Lieber laufen wir ein bisschen mehr, selbst wenn auch ich bald angesichts des steilen Weges schnaufe, wie eine alte Dampflok. Hoffentlich bleibt das nicht den ganzen Tag so, denke ich im Stillen...

... aber es bleibt. Durch Pinienwald hindurch wandern wir stetig bergauf, bis wir – nach einer Mittagspause auf der Wiese – zum eigentlichen Felsen kommen. Auf einem schmalen Weg, teilweise mit Seil gesichert, klettern wir nach oben. Die Sonne brezelt auf uns herab - eine Redewendung von Christian, die das Kind  fortan übernimmt - , auch wenn der Wind ihre Wärme schnell vertreibt. Ich wechsle zwischen Kurz- und Langärmelig, zwischen Schwitzen und Frösteln hin und her.

 

Die Führung auf den Steinen übernimmt das Moggelchen, das uns auf alle Unwegsamkeiten hinweist und dabei stolz seine Kletterkenntnisse präsentiert. Dann geht es flacher weiter, bis der letzte Anstieg zum Gipfel kommt. Es windet derart, dass wir Mütze und Jacke vom Kopf und aus der Hand geblasen bekommen und gerade noch hinterherrennen können, um beides einzufangen. Jetzt einen Schirm... wir würden sicher fliegen!

Je weiter wir vorankommen, umso schlechter wird die Markierung der Route. Auf dem Rückweg rätseln wir an mancher Stelle und orientieren uns mehr an Spuren als an einer Beschilderung!

Zum Glück sehen wir ab und an eine Familie, die mit etwas Abstand vor uns den Abstieg angetreten hat und uns die grobe Richtung weist. 

Abschnitte mit viel Geröll belasten meine in den falschen Schuhen steckende Füße und bringen das Kindlein mehrere Male zu Fall, aber nach fast 6 Stunden, in denen wir etwa 12,5 km und rund 600 Höhenmeter überwunden haben, kommen wir wohlbehalten bei Malte an.

 

Das war eine schöne Tour! 

Sie hat mir deutlich besser gefallen als der Caminito del Rey: Mehr Anstrengung, mehr Abenteuer, genau so viel Fels und fast so tolle Ausblicke. Außerdem: Keine Wartezeit und kein Eintritt. Einfach nur: Natur!

Für die Nacht fahren wir Richtung Malaga. Unterwegs müssen wir dringend unsere Tanks leeren und füllen. Angesichts des Füllstands eines der Behälter darf Christian sogar einen „Gutschein für einmal in den Wald machen“ einlösen; eine Premiere, wie er gesteht. 

Ich finde ja, dass das echte Leben erst beim Verlassen der Komfortzone beginnt...

 

Als der Moggelmann endlich schläft, quasseln wir bis tief in die Nacht hinein. 

Albträume wandeln...

In der kurzen Zeit, die zum Schlafen bleibt, habe ich verschiedene Träume. Einer davon dreht sich – wie so häufig – um mein Abitur. Seit über 25 Jahren hole ich in regelmäßigen Abständen in der Nacht mein Matheabitur nach. Und jedes Mal gerate ich in Panik: Ich habe doch schon studiert – warum muss ich nochmals Abitur machen? Wie soll ich bloß die Matheprüfung bestehen, wo ich seit Jahren nichts mehr mit der Thematik zu tun habe? Warum erfahre ich als letzte von dem Termin, so dass ich mich gar nicht mehr vorbereiten kann? Es ist – in unterschiedlichsten Variationen – jedes Mal ein Albtraum. 

 

Erst vor rund einem Monat habe ich von einer Lösung geträumt: Man könne nun die Fächerwahl verändern. Abitur ohne Mathematik sei möglich. Ich war erleichtert und mir sicher: „In Geographie werde ich schon irgendetwas zu Papier bringen!“ 

Schließlich gehöre ich seit neuestem zu den „Schwurblern“!

 

Heute aber träume ich von einer anderen Lösung: Ich gehe einfach nicht hin! 

Auch wenn mir alle versichern, dass mein altes Abitur ungültig sei und ich es nochmals ablegen müsse. Das ist mir egal! Ich brauche es nicht mehr!

 

Warum mir diese Lösung nicht schon viel früher im Traum eingefallen ist, ist mir schleierhaft. 25 Jahre lang habe ich versucht, mich im Crashkurs auf die Prüfungen vorzubereiten, bei meiner Nebensitzerin Heike abzuschreiben, Spickzettel auf dem Klo zu verstecken, Krankmeldungen für den Prüfungstermin zu ergattern, die Prüfer davon zu überzeugen, dass ich schon Abi habe, das Beste aus dem miserablen Ergebnis zu machen ... dabei war die Lösung so naheliegend: Ich mache einfach nicht mit und warte ab, was dann passiert. 

 

Vielleicht brauche ich ja gar nicht, wovon andere denken, es sei unerlässlich!

Vielleicht kann ich aus Zitronen einfach Limonade machen! 

Es knirscht...

Seit etwa 2 Wochen habe ich Zahnweh. Anfangs schmerzte der ganze untere Kiefer rechts, so dass ich vermutete, es käme von meiner schlechten Angewohnheit, die Zähne zusammenzubeissen. Nach meinen ausgiebigen Kiefermassagen aber konzentrierte sich der Schmerz auf das Zahnfleisch am Backenzahn und produzierte dabei eine schöne Schwellung. Auch die innere Behandlung mit Schnaps und Eis verbessert die Situation nicht dauerhaft: Es scheint also etwas Ernsteres zu sein!

 

Den Ferndiagnosen – inklusive Foto – von Christians Frau, die zu meinem großen Glück Zahnärztin ist, folgend, werde ich heute bei einem deutschen Zahnarzt in Malaga vorstellig. „Es kann ja nur besser werden!“, denke ich laut. 

Da man sich aber bei Zahn-Geschichten nie ganz sicher sein kann, nutze ich zur Sicherheit den Vormittag noch für ein paar angenehme Stunden am Strand. Vielleicht sind es ja die letzten meines Lebens???

 

Christian und ich absolvieren unser morgendliches Sportprogramm und dann suchen wir zu Dritt besonders schöne Muscheln. 

Das Moggelchen möchte danach gerne sandeln und ich bin äußert glücklich darüber, dass Christian und ein spanischer Junge sich für dieses Spiel erbarmen, denn sandeln gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Trotz meiner Abneigung werde ich vom Kind zum Sieben verpflichtet. Ok, sieben kann ich gerade noch aushalten...

Als wir ausgesandelt haben, begeben wir uns kurz in Maltes Bauch, um uns aufzuhübschen. Christian führt uns zum Abschiedsessen in eine spanische Tapasbar aus und am Ende seines Besuchs möchte ich wenigstens noch ein bisschen Anstand zeigen. Das Wochenende hat schon genug Anlass für ihn geboten, seine Hygiene-Komfortzone zu verlassen – das muss ich nicht bis zum bitteren Ende fortführen...

 

Wir lassen uns Croquetas, Empanadas und Patatas fritas schmecken und flitzen dann zum Flughafen. Die Parkplatznot macht den Abschied kurz und schmerzlos; wir müssen uns aber sowieso sputen, um rechtzeitig zu Dr. Eki Pfitzenmaier zu kommen. 

Ein Peter-Parkplatz – fast direkt vor dem Praxiseingang – rettet gerade noch mein Zeitmanagement. Herr Pfitzenmaier schätzt trotz langjährigem spanischem Umfeld die Tugend der Pünktlichkeit: Es gibt keinerlei Wartezeit bei ihm! Das nenne ich mal „patientenorientierte Praxisführung“...

 

Ergebnis der Untersuchung ist, dass ich eine Re-Infektion an meinem einzigen bereits wurzelbehandelten Zahn habe. Abgesehen davon lobt er mein gepflegtes Gebiss und rät mir, mehr zu entspannen. Wenn er wüsste, dass ich bereits im Sabbatjahr bin, und dennoch knirsche wie eine Wilde... 

Mit einem Rezept für 7 Tage Antibiotika verlassen wir die Praxis und machen uns nach einem schnellen Apothekenbesuch auf den Weg nach Monachil.

"Mama, Mama...."

Ein leerer Parkplatz an einer Straße scheint mir für die Nacht gerade recht, da es schon spät ist und wir am nächsten Morgen sowieso gleich weiter möchten in die Sierra Nevada. Leider übersehe ich bei meiner Wahl die Glas- und Plastikflaschencontainer am Ende des Parkplatzes: Sie halten mich wach, denn die ganze (!) Nacht über entsorgen irgendwelche Menschen ihren Müll bis am frühen Morgen dann die Container geleert werden...

 

Gerädert starte ich mit dem Kindchen die Rundtour „Los Cahorros de Monachil“, aber schon nach wenigen Metern kommt Entspannung in mir auf. Wir haben eine sehr romantische Strecke ausgewählt und genießen beide die Abwechslung, die sie bietet: Strecken direkt am Bach zwischen den Bäumen, Hängebrücken über das Wasser, schöne Felsformationen, die man umklettern oder durchkrabbeln muss, Engen zwischen steilen Steinwänden und schließlich einen schönen Aufstieg in die Berge. 

Unterwegs unterhalten wir uns und immer wieder spiegelt mir das Moggelchen dabei meine Erziehung: „Mama, da vorsichtig sein!“, sagt der kleine Mann und deutet auf einen Spalt in der Hängebrücke, „Nicht, dass Du fällst! Denn das würde ich dem Papa ungern berichten...“

 

Etwas weiter lädt ein Baumstamm zum Balancieren ein und lautstark fordert der Moggelmann: „Mama, da musst du balancieren!“.

Natürlich gehorche ich – ich bin ja brav...

„Gut gemacht! Spitzenklasse, Mama!“, lobt er mich; tatsächlich in genau dem Wortlaut und Tonfall, den ich ihm gegenüber sonst verwende. 

Dann wird mir in Aussicht gestellt:

„Zur Belohnung werde ich Dich heute Abend schnabuffeln!“

„Au ja, fein!“, freue ich mich, „Dann kann ich Dich ja auch schnabuffeln...“.

Aber sofort wird mir entgegnet: „Nein, Mama, gegenseitig schnabuffeln mag ich nicht!“

 

Ich könnte ihn Dauer-Knutschen! Auch wenn er lieber mich schnabuffelt, als von mir geschnabuffelt zu werden... Solange ich dabei mit dem Leben davon komme...

Rund 9 km und 360 Höhenmeter Auf- und Abstieg bewältigen wir an diesem Vormittag und kommen mit erfüllten Herzen zum späten Mittagessen wieder bei Malte an. 

 

In Granada selbst folgt das Kontrastprogramm auf den Fuß: Wir wollen die Alhambra besichtigen. Ich kann zwar keine Tickets mehr für eine Führung buchen, da alles ausgebucht ist, aber der frei zugängliche Bereich sollte für einen ersten Eindruck reichen. 

 

Wir parken nah am Zentrum und fahren dann mit Fahrrad und Hänger zur Festung hinauf. Nach der Ruhe am Vormittag und den friedvollen Eindrücken in der Natur schrecken mich die vielen Touristen sofort ab. „Klar, ausgebucht!“, denke ich bei mir...

 

Ich sollte es endlich einsehen und die Städte von unserem Programm streichen: Wir sind inzwischen zu Zw-Einzelgängern geworden...

Entsprechend haben wir beide nach kürzester Zeit genug und fahren – noch vor Ende unseres Parktickets – zurück zu Malte, um dem städtischen Trubel zu entgehen. 

Es klappert...

Für den Abend kann ich Tickets für eine kleine Flamenco-Show organisieren. Das Moggelchen hat überhaupt keine Lust auf mein Musikprogramm und geht nur widerwillig mit. „Immer diese blöden Konzerte“, jammert er, „Mama, das hängt mir zum Hals raus!“. 

Wir gehen trotzdem...

 

Wieder sind nur etwa 20 Zuschauer da und ich freue mich auf die Darbietung in dieser intimen Atmosphäre. Die ersten Stücke sind ohne Tanz und ich bin erstaunt, wie unterschiedlich die Gitarre in Portugal und Spanien gespielt wird und wie sehr der Gesang differiert. Das Kind hält sich angesichts der Lautstärke und des „Gejaules“ die Ohren zu. 

 

Erst als die Tänzerin auftritt wird seine Aufmerksamkeit geweckt. Eine wunderschöne, rassige Spanierin mit Blumen im dunklen Haar tritt auf die kleine Bühne. Ihre Künste mit den Kastagnetten erwecken den Anschein ein ganzer Schwarm von Spechten lebe unter der Tribüne. Ihr Tanz lässt die Holzplanken erzittern und der Moggelmann ist hin und weg, wenn sie ihren Rock hebt, um die Blicke auf ihre hüpfenden Beine freizugeben.

Auf dem Weg zurück plant er schon eine Tanz-Show in Tübingen. Und einen Rettungsdienst für verunglückte Tänzerinnen. Denn: „Mama, wie kann es sein, dass der Boden bei diesem Gestampfe nicht kracht?“

Ich weiß keine Antwort und schmunzle auf dem Fahrrad im Dunkeln vor mich hin.

„Wenn er kracht und die Lady in einem Loch nach unten fällt, dann komme ich und rette sie!“

 

„Hat Dir die Frau so gut gefallen?“, frage ich. 

„Ja!“, antwortet der Bursche unverblümt. 

„Ja, mir hat sie auch gefallen!“, gebe ich zu, „so rassig und voller Energie! Und so ein tolles Kleid...“. 

„Wenn ich groß bin, reise ich nach Spanien und suche mir so eine Frau, die zu mir passt...“ plant er weiter. „Aber Du und der Papa kommen mit, gell, Mama?“

 

Voller Eindrücke fahre ich – das schlafende Bübchen neben mir – durch die Dunkelheit und parke schließlich auf einem ausgewiesenen Camperparkplatz. Er befindet sich leider direkt neben einem Rummelplatz und mir deucht, dass die Wahl dieser Örtlichkeit durch die Gemeinde auch nicht viel besser ist, als meine in der vorherigen Nacht. Vor lauter Müdigkeit überhöre ich den Festlärm und schlafe rasch ein; etwas anderes als ein Arrangement mit dem Geräuschpegel bleibt mir letztlich sowieso nicht übrig...

Time is running...

Der Mittwochmorgen ist von einem wolkenverhangenen Himmel geprägt. Da die Wettervorhersage den ganzen Tag Schauer ankündigt, widmen wir uns Maltes Befindlichkeiten und der langen Fahrt Richtung Valencia. Wir haben noch viel zu viel Strecke für die kurze Zeit bis zur Fähre nach Mallorca. 

Das heißt: Ich muss leider mehrere Programmpunkte streichen oder auf eine weitere Reise nach Spanien vertagen...

 

Unterwegs sehen wir kilometerlange Zitronen-, Mandarinen- und Orangen-Plantagen. Auch eine mir bislang unbekannte Frucht wird auf Plantagen hier angebaut. 

Ich bedaure, dass ich so touristisch unterwegs bin und in diese Seite Spaniens keinen Einblick erhalte. Eine weitere Reise mit verschiedenen Arbeitseinsätzen um Land und Leute nochmals anders kennenzulernen, drängt sich immer mehr auf!

An weiteren Salinen vorbeifahrend, entdecke ich immer wieder Flamingos. Wie schön diese Tiere sind. Irgendwie stehe ich auf seltene, scheue und schöne Vögel mit langen Beinen. Störche, Flamingos, Tobias...

 

Am Abend finde ich ein kleines öffentliches Schwimmbad in Guardamar del Segura. So bekommen wir wenigstens ein bisschen Bewegung nach dem langen Sitzen und eine warme Dusche mit viel Wasser noch dazu. 

Nach kurzer Weiterfahrt finden wir ein Plätzchen in Strand-Pole-Position: Wäre es nicht so kalt, könnten wir gleich am Morgen aus dem Bett heraus ins Meer purzeln und weiterschwimmen...

Haben wir den Durchblick?

Statt dem Schwimmsport geben wir uns am Morgen aus genannten Gründen lieber dem Lauf- und Kraftsport hin. Der Holzsteg zum Meer hin lädt geradezu dazu ein; die zur Abtrennung des Fußgängerbereichs gespannten Seile werden zu unserer Pferdesprunganlage – wir turnen und hüpfen fast eine Stunde lang.

 

Dann packen wir unsere Sachen zusammen und fahren in die Serra de Bernia i Ferrer. Dort möchte ich zu einem natürlichen Tunnel wandern, den man durchkrabbeln kann, um sowohl von der einen, als auch von der anderen Seite des Berges den Blick aufs Meer zu genießen.

 

Die Anfahrt gestaltet sich allerdings deutlich schwieriger, als gedacht...

... Zuerst schickt uns das Navi in Straßen, die deutlich zu schmal für uns sind – es bleibt nur das Rückwärtsfahren in der Hoffnung, dass kein Auto hinter uns kommt – und als wir schließlich die passende Straße gefunden haben, geht diese – ebenfalls so eng, dass nur ein Fahrzeug Platz hat – in Serpentinen sehr steil bergauf. 

 

Malte kämpft angesichts der Steigung einige Male mit durchdrehenden Reifen und knurrendem Motor. Wir feuern sie kräftig an, loben und streicheln sie und tatsächlich: Wir erreichen nach circa 7 km den im Reiseführer (für Wohnmobile – ich weiß nicht, was für ein Wohnmobil die Autoren fahren...) ausgeschriebenen Parkplatz. 

 

Ich bin so nass geschwitzt, als wäre ich den Berg hinaufgelaufen! Meine Nerven....

Wäre uns auch nur ein einziger Wagen entgegengekommen, hätten wir in Schwierigkeiten gesteckt: Nach vorne anfahren wäre aufgrund der Steigung nicht mehr möglich gewesen (derartige Erfahrungen haben wir mit Christian bereits gemacht) und rückwärts hätten wir kilometerweit in Serpentinen nach unten gemusst...

 

Aber: Wir hatten wieder einmal Glück!

Und ich hoffe, wir haben es auch bei der Fahrt nach unten.

Den Einstieg vom Parkplatz aus zu finden, fällt mir wieder einmal schwer. Wie gut, dass ich inzwischen durch die Wander-App Komoot besser im Ausgleichen schlechter Ausschilderungen geworden bin. Querfeldein laufen wir so lange, bis wir auf den richtigen Weg treffen.

 

Von da an müssen wir nur den Spuren unserer Vorgänger folgen, die weiter steil den Berg hinaufführen. Je weiter wir nach oben kommen, umso schöner wird die Aussicht auf die Küste.

Aus dieser neuen Perspektive sehen die vielen Obstplantagen nochmal ganz anders aus: Große, hellgraue Flächen – die schützenden Netze über den Bäumen – lassen erahnen, wieviel leckere Früchte dort unten reifen und was für ein Aufwand betrieben wird, damit auch wir im entfernten Deutschland davon kosten können!

 

An dem natürlichen Tunnel angekommen, bemerke ich erneut die Entwicklung meines Moggelchens: Bei unserer letzten Reise waren Höhlen noch beängstigend und blöd, während er dieses Mal relativ furchtlos mit mir an den Eingang geht und dann sogar hindurch krabbelt. Er selbst muss sich nur bücken, während ich an den niedrigsten Stellen gerade noch im Entengang watscheln kann; auf allen Vieren wäre es mir wegen des Wassers auf dem Boden zu feucht...

 

Auch wenn der Gang relativ kurz ist, machen die Tropfen von oben und der schneidende Wind den Durchgang für das Kindchen zu einem richtigen Abenteuer. Aufgrund seines eigenen Mutes in seinem Selbstwertgefühl gestärkt, kehren wir nach einer kurzen Essenspause fröhlich zurück zu Malte.

Mit Anlauf und im ersten Gang nimmt Malte die Steigung vom Parkplatz zur Straße hinauf und von da ab fahre ich langsam, vorsichtig und wieder ohne jeden Gegenverkehr hinunter ins Tal.

 

Abschied vom Festland...

 In der Hoffnung auf einen schönen Strand mit der Möglichkeit am Morgen vom Paddelboard aus zu Schnorcheln, düsen wir zum Platja de la Granadella. Ein erster Blick beim Abendspaziergang auf den Strand macht aber alle Pläne zunichte: Die Wellen sind hier so hoch, dass ich nicht einmal wagen würde, Wellen zu reiten. Schnorcheln ist also völlig unmöglich! Aber: Wellen beobachten und den Wasserspritzern ausweichen schon... 

 

 

Bis es Schlafenszeit ist erfreuen wir uns an der Kraft des Wassers und dem lautstarken Getöse, das die Kieselsteine von sich geben, wenn die Wellen alles durcheinanderwirbeln.

Der letzte Morgen auf dem spanischen Festland ist anlässlich des Karfreitags für das Vorlesen der Ostergeschichte und fürs Hörspielhören reserviert. 

Ich nutze den Freiraum, den der „Kleine König“ mir gibt dafür, einiges für die Fahrt auf der Fähre und die kommende Woche zu organisieren. So sind wir beide beschäftigt.

 

Als ich am Mittag doch noch gerne für eine Wanderung zu der Höhle Cova Tallada nutzen möchte, streikt das Moggelchen. „Heute ist Hörspieltag!“, beschwert er sich, „Ich möchte heute nicht wandern...“

 

Ich gebe mich geschlagen und beschließe daraufhin mit den Inline-Skates und dem Jogger die Promenade entlang zu fahren. Da heute Feiertag ist, haben sich auch die Spanier aufgemacht an den Strand. Es ist wirklich voll im Vergleich zu den Vortagen. 

Danach hänge ich noch meine 35 Minuten Sport an und so vergeht die Zeit bis zur Abfahrt zum Fährhafen nach Valencia wie im Flug...

Der auf meinem digitalen Fährticket angegebenen Route auf Googlemaps folgend, erreichen wir um 20.15 Uhr den Fährhafen. Dort meine Unterlagen zeigend wir uns mitgeteilt, wir müssten erst in das weiter vorne liegende Büro und dann in die Straße direkt hinter dem großen, schwarzen Gebäude zum „Boarding“.

 

Ich tue, wie mir geheißen, aber erfahre von der desinteressierten Dame am Schalter, ich sei bei der falschen Ferry-Company und sie wisse auch nicht, wo die richtige sei. „Na, herzlichen Dank!“

 

Das verstehe ich nicht: Ich bin doch genau den Anweisungen meiner Fähr-Firma gefolgt. Warum schickt sie mich an eine nicht korrekte Adresse und wo bitte soll ich nun die richtige herbekommen, wenn schon auf dem Ticket die falsche steht?

 

Ich lese schnell in allen Emails und der App nach, kann aber nichts finden. Was ich dagegen finde ist die Information, dass um 20.30 Uhr die „Check-In-Time“ endet. Und auf meiner Uhr ist es inzwischen 20.22 Uhr.

Ich renne zurück zu Malte, schwing mich hinter das Steuer und fahre zur nächsten Person, die aussieht, als hätte sie Ahnung. „Necessito ayuda!“ – „Ich brauche Hilfe! Ich weiß nicht, wo ich bin und ich weiß auch nicht, wo ich hin muss. Meine Fähre gehört zu GNV und geht nach Palma de Mallorca“. 

 

Zum Glück weiß mein Gegenüber zumindest ungefähr, wo der richtige Anleger ist und gibt mir verständliche Anweisungen. Mein Blutdruck ist gefühlt endlich mal im Normbereich – also weit höher, als sonst bei mir üblich – und wir flitzen jetzt wirklich durch den Hafen. Eine weitere Nachfrage bei der Hafenpolizei nach der Richtung und ich erreiche um 20.28 Uhr den richtigen Schalter, um in der letzten Minute einzuchecken...

Das Reisen erfordert manchmal ganz schön Anstrengung, Kampfgeist und Beharrlichkeit!

 

Rund eine Stunde später fahren wir Malte auf die Fähre nach Mallorca und legen uns dann für die Nacht in unsere Pullman-Sessel, um zu schlafen. Es ist ziemlich unbequem, aber bis zu unserer Ankunft um 5.00 Uhr morgens ist es nicht mehr lang. 

Die freudige Aussicht auf eine Woche gemeinsam mit Hans und Tobias raubt uns sowieso jegliche innere Ruhe...