04. - 12.03.2022
MALTES "MAKEOVER"
Nach der gemeinsamen Zeit im letzten Jahr war klar, dass Malte vor dem zweiten Teil der Europareise ein kleines „Makeover“ braucht:
- Eine zuverlässig funktionierende Heizung,
- Noch mehr bzw. optimierte Staufläche für all die kleinen und großen Dinge, die man so auf Reisen braucht,
- Eine andere Lösung für den Waschmaschinen-Wassertank, denn durch den ungünstig angebrachten Füllstutzen habe ich nie ausreichend Wasser für eine volle Maschine,
- Ein Abluftsystem für die Toilette, da wir keine Chemikalien verwenden, aber dennoch dem Erstickungstod entgehen wollen und schließlich
- Einen Wechselrichter, damit ich noch länger ohne externe Stromquelle unterwegs sein kann und mir meine Haare nicht mehr auf dem Fußboden liegend über die Heizung trocknen muss.
Punkt 1 fiel unter die Gewährleistung des Verkäufers und konnte bis Anfang Januar erledigt werden. Der Einbau eines Filters verhindert nun das Eindringen von Schmutzpartikeln aus den Gasflaschen in die Heizung, so dass die Ausfälle, die uns im Herbst aufregende Reisezeiten gebracht haben, hoffentlich nie wieder vorkommen.
Die Punkte 2 bis 5 sollten dann im Februar durch unsere Lieblingswerkstatt Wanner (www.wanner-caravaning.de) abgearbeitet werden und hier beginnt schon das erste Abenteuer:
Zwei Wochen, bevor ich das Wohnmobil in die Werkstatt bringen will, touchiere ich beim Ausweichen eines entgegenkommenden Schwerlasters den Seitenspiegel eines geparkten Vans und demoliere dabei dessen linken und Maltes rechten Außenspiegel. Die „Makeover“-Liste erhält also auch ein „Makeover“:
6. Ein neuer Außenspiegel.
Nicht genug: Anfang der geplanten Abreisewoche – Malte war schon für den großen Tag geputzt und fast vollständig eingerichtet – sprang der Motor nicht mehr an. Nachdem der ADAC erste Hilfe leistete und zumindest der Motor wieder lief, gab das Navigationssystem seinen Geist auf. 6 Monate ferne Länder ohne Navi und – vor allem – ohne Rückfahrkamera zum Einparken: „No way!“. Auch nicht mit Vollkaskoversicherung!
Ganz davon zu schweigen, dass ich gefühlt 180 Hörspiele und einige CDs für mich auf meinen Ipod geladen habe, damit wir über das Navi ausreichend Unterhaltung haben...
Es führte kein Weg um ein „Makeover“ des „overgemakten Makeovers“ vorbei:
7. Eine neue Starterbatterie
8. Ein Restart des Navigationssystems.
Schon die Punkte 2 bis 5 waren ausreichend für Nervenkitzel bezüglich des Abreisetermins, aber die zusätzlichen Probleme 6 bis 8 brachten meine Pläne am Freitag, den 4. März, Tübingen zu verlassen zu Fall. Der Außenspiegel war so schnell nicht zu bekommen und der uns zugedachte Monteur sowieso die ganze eingeplante Reparaturwoche erkrankt.
Als ich am von der Werkstatt zugesagten alternativen Abholtermin – Montag, 7. März – fünf Minuten nach Ladenschluss Malte, in der Hoffnung noch am selben Abend abreisen zu können, abholen wollte, war Punkt 8 noch offen.
Wütend und enttäuscht – das Wochenende hatte ich ja noch verschmerzen können: Lediglich die Stops in der Schweiz waren durch diese Verzögerung gestrichen – fuhr ich dennoch mit ihr nach Hause. Wenigstens zu Ende laden wollte ich dann, damit ich am Dienstag fertig gerichtet starten könnte...
Aber am Dienstag ging die Misere weiter: Das Navi war nicht zu reparieren. Einzige Lösung: Einschicken und vermutlich mehrere Wochen auf Hilfe warten.
„Waaaaaas? Seid ihr des Wahnsinns?“
Ich kann nicht anders, als den „Mir-egal-ich-will-jetzt-eine-Lösung-und-zwar-sofort“-Modus einzuschalten:
„Ich will hier weg. Und zwar so schnell wie möglich!“
Das ist meine (!) Zeit. Meine kostbare, kostbare, unglaublich kostbare Zeit!
„Wo sitzt denn die Firma, wo das elende Ding eingeschickt werden soll?“
„In Karlsruhe.“
„Dann fahre ich jetzt dahin!“
Gesagt, getan: Karlsruhe ist immer noch besser als Tübingen.
Bei Dynavin in Malsch angekommen, müssen wir eine halbe Stunde warten, bis die Mittagspause der Monteure vorbei ist, aber dann werden wir geholfen: Die kalte Lötstelle wird repariert, der falsch eingesteckte Stecker umgesteckt und zu guter Letzt erhalten wir sogar Hilfe bei verschiedenen Einstellungsoptionen, die mir bisher entgangen waren: Handy, Ipod und Ipod touch können jetzt als Geschichten- und Musikquelle genutzt werden. Echt gut!
Und auf die Frage, wer das nun bezahlt, bekomme ich einen Luftkuss. Hach...
Dieser Umweg hat sich wirklich gelohnt!
Am Dienstag, 8. März 2022, um 14 Uhr fahren wir los. In Malsch und mit 4,5 Tagen Verspätung...
Ole, ole, ole, ole...
Am Tag darauf erreichen wir um 19 Uhr – 1400 km später (der Moggel ist wirklich ein hervorragender und sehr geduldiger Beifahrer, dem kaum eine Strecke zu lang ist...) und durch Tanken und Maut um fast 700 Euro ärmer – Castro Urdiales, das kurz hinter Bilbao liegt. Hier verbringen wir auf einem Parkplatz am Meer die zweite – aber die erste richtige, denn die andere war ja noch in Frankreich – Nacht des zweiten Teils unserer Europareise.
Ich bin aufgeregt und habe auch ein bisschen Angst.
Die vier Monate zu Hause vergingen so unglaublich schnell und sofort bin ich im alten Trott gewesen. Sich jetzt wieder an das Leben mit Malte zu gewöhnen ist eine Herausforderung:
Es ist einfach deutlich enger hier als zu Hause. Selbst wenn wir unsere Wohnfläche während des Sabbatjahres halbiert haben.
Jeden Tag sind wir in einer neuen Umgebung und sollen uns darin möglichst reibungslos zurechtfinden.
Und jede Nacht verbringen wir auf einem Platz, von dem ich nicht weiß, wer sich sonst noch so im Dunkeln dort herumtreibt.
Jedes Land hat seine Eigenheiten: Verkehrsregeln, Campingregeln, Corona-Regeln und noch viele andere Regeln mehr – ich erinnere mich mit einem Schmunzeln an Slowenien ...
Dafür haben wir wieder Zeit. Zeit, die zu Hause von morgens bis abends gefüllt war mit (scheinbar wichtigen) Tätigkeiten. Das ist definitiv etwas, das ich ändern will: Meine Zeiteinteilung zu Hause; meine Prioritäten bei den Aufgaben.
Und wir haben uns. 24 Stunden 7 Tage lang für 6 Monate – mit einigen wenigen kleinen Ausnahmen...
Die erste Nacht ist unruhig. Es regnet, ach was, es schüttet wie aus Kübeln. Und das Meer rauscht. Mir geht es wie den Delphinen: Die eine Hälfte meines Gehirns schläft, während die andere nur döst und währenddessen bekannte und unbekannte Geräusche auf ihre Gefährlichkeit hin überprüft.
Gegen 1 Uhr wache ich dann richtig auf. Ein Auto kommt auf den einsamen Parkplatz und den Lichtern nach ist es die Polizei. Darf man hier etwa nicht stehen? Ich dachte, ich hätte alles richtig gemacht, werde aber dennoch sehr nervös und sehe schon den Strafzettel mit einer Strafe von 2000 Euro an meiner Scheibe kleben.
Danke, liebes Internet, für diesen Film vor meinem inneren Auge...
Als ich das Licht anmache, um zu signalisieren, dass ich nicht (mehr) schlafe, wendet das Auto der Guardia Civil und verlässt mein Revier. Uff, Glück gehabt. Oder gibt es in Spanien vielleicht nur noch digitale Strafzettel? Haben die sich mein Kennzeichen notiert und zu Hause wartet dann ein böser Brief auf mich?
Ach, Internet, wie gerne hätte ich auf die Information verzichtet, dass unerlaubtes Campen in Spanien vierstellige Strafen mit sich bringen kann!
EL camino del Norte - 1. Versuch
Am Morgen vertreten wir uns kurz die Beine und fahren dann weiter. Hinter Santander möchte ich einsteigen in den Camino del Norte und heute mit einer kleinen Tour beginnen.
Die Fahrt dorthin dauert nochmals den ganzen Vormittag, aber wir schaffen es um 15.00 Uhr mit kleinem Vesper und ausreichend Trinken ausgerüstet in Muros de Nalón mit dem Hänger loszulaufen. 8 km weiter habe ich in La Magdalena vorsorglich das Fahrrad abgeladen, denn wir müssen ja auch wieder zurückkommen zu Malte.
Keine 20 Minuten nach unserem Pilgerstart fällt mir auf, dass mein Handy fehlt. Es muss bei dem Geruckel des Wagens über den holprigen Waldweg aus der Hängertasche gefallen sein. Echt jetzt???
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als umzudrehen und das Telefon zu suchen. Ohne haben wir keinen Kontakt mehr in die Heimat, keinen Navigator auf unseren Touren und vor allem keine Möglichkeit zu fotografieren!
Nach wenigen Metern werde ich fündig. So ein Glück!
Dennoch reicht es mir jetzt mit den „Problemen“! Ich will, dass nun die unbeschwerte Reisezeit beginnt! Sofort!
Sofort Leichtigkeit für mich bitte! Und zwar viel davon!
Ich werde nicht gleich erhört, aber die verbleibenden Schwierigkeiten wie matschige und unwegsame Strecken kann ich gerade noch aushalten. Es geht hoch und runter und hoch und runter. Abgesehen von einigen Blicken auf die Küste ist der Camino (noch) nicht überzeugend; immer wieder ist mir der Weg zu nahe an der Straße.
Rechtzeitig mit den ersten Regentropfen erreichen wir das Rad und düsen im Affenzahn zurück. Vor Sonnenuntergang möchte ich mit Blick aufs Meer Abend essen...
Auf einem Parkplatz hoch über dem Meer können wir mit wunderbarem Ausblick speisen und uns auf die Nacht vorbereiten. Nur ein weiteres Auto steht noch neben uns. Der Mann darin ist mir nicht ganz geheuer, aber diese Aussicht gibt es nur hier und am Morgen könnte sie phantastisch sein...
Höre ich nun lieber auf mein Bauchgefühl oder doch auf meinen Verstand? Gehen oder Bleiben? Was will man im Stockfinsteren hier oben in einem Auto? Ich entscheide mich nach Anbruch der Dunkelheit dafür, doch zu fahren und zum Schlafen den Parkplatz direkt am Strand aufzusuchen. Dort steht schon ein Camper und ich fühle mich neben diesem sicherer.
Als ich mitten in der Nacht aufwache, weil es wieder stürmt wie wild und Malte hin und her geschüttelt wird, bin ich nochmals froh über diese Entscheidung. Ich stehe in zweiter Reihe und werde vom Gewackel des Fahrzeugs geweckt – wer weiß, wie es mir dort oben auf dem Berg ergangen wäre?
Am Morgen können wir auch hier unten mit Blick auf tosende Wellen essen...
Wir lieben die Stürme, die brausenden Wogen, der eiskalten Winde rauhes Gesicht...
Danach packen wir unsere Sachen für 2 Tage wandern auf dem Jakobsweg. Ich möchte Malte dafür in Ribadeo parken und mit dem Bus nach Navia fahren. Die Strecke zwischen La Magdalen und Navia werden wir angesichts unserer sich ständig verändernden Ausgangssituation großzügiger Weise auslassen...
Da der Bus von Ribadeo nach Navia erst um 13.30 Uhr fährt, nutzen wir den späten Vormittag, um Toilette, Grauwasser und Müll zu leeren, den Frischwassertank zu füllen und den fast platten Vorderreifen des Fahrradanhängers an der Tankstelle aufzupumpen.
Als wir vor dem Busbahnhof parken, beginnt es erneut so stark zu regnen und zu stürmen, dass Malte fast Schluckauf davon bekommt. Sollen wir uns bei diesem Wetter wirklich für den Rest des Tages zum Pilgern nach draußen wagen? Ich konsultiere zuerst verschiedene Wettervorhersagen und berate dann mit dem Kindchen.
„Nein! Ich will nicht raus!“, sagt der kleine Mann. „Bei dem Wetter spiele ich lieber Lego!“
Irgendwie kommen wir nicht richtig in den Pilger-Flow...
Auf dem Parkplatz beim Playa de las Catedrales bin ich aber froh über diese Entscheidung: Es regnet nämlich den kompletten Nachmittag durch. Ich packe also den Rucksack wieder aus...
Mit Schokolade und neuen Bauanleitungen verbringen wir die Stunden in der Hoffnung auf ein paar trockene Minuten für einen Strandspaziergang.
Am Nachmittag haben wir Glück und können für fast 3 Stunden die beeindruckende Küste entlang schlendern. Leider ist selbst bei Ebbe so viel Wasser da, so dass wir nicht durch die Steinformationen wandern, sondern sie nur von oben betrachten können. Ich fühle mich erinnert an die Steilküsten Irlands und die Pancake Rocks in Neuseeland, kann aber keinen so schönen Regenbogen aus meinem Gedächtnis kramen wie den, den das Wetter hier uns schenkt.
Für die Nacht stellen wir uns an den nahe gelegenen Strand Playa de Esteiro, kochen erneut mit Blick aufs Meer und gehen dann früh mit – den einschläfernden Geräuschen von Dauerniesel – auf Maltes Kopf schlafen. Über Nacht regnet und windet es wieder sehr stark und ich frage mich – wachliegend – wann ich unter diesen Umständen mit dem Pilgern beginnen kann.
Natürlich kann ein echter Pilger immer pilgern; auch beim heftigsten Sturm...
Aber mehr Spaß macht es natürlich bei trockenerem Wetter. Insbesondere für die kleinen Pilger!
El Camino del Norte - 2. Versuch
1. Tag: Von Ribadeo nach Lourenza
Am nächsten Morgen habe ich das Warten satt: „Das Wetter kann uns mal!“, sage ich zum Moggelmann und packe eilig wieder unseren Rucksack. „Wir fahren jetzt nach Ribadeo, stellen dort am Busbahnhof die Malte ab und laufen los nach Santiago!“. Von dort – so habe ich beim Wachliegen in der Nacht davor recherchiert – kommen wir auf jeden Fall mit dem Bus wieder nach Ribadeo zurück.
Das Kind widerspricht mir nicht und so starten wir um 10.00 Uhr an der Estacion de Autobus mit dem Hänger und unserem Gepäck für die nächsten 10 Tage. Es dauert ein Weilchen, bis wir im Zentrum die Jakobsmuschel, die uns von nun an fast 200 km nach Santiago de Compostela führt, finden, aber dann kommen wir schnell ins Laufen und können uns am Ortsausgang auch schon den ersten Stempel für unseren Pilgerausweis holen.
Hart im Nehmen...
20 km habe ich für jeden Tag vorgesehen, aber nicht wirklich damit gerechnet, dass es auf und ab und auf und ab und auf und ab geht. Und windet. Und regnet.
Manchmal ist es doch gut, wenn man nicht zu viel im Voraus weiß, sondern einfach mit einer Sache beginnt!
"Mama, bist Du nun hart im Nehmen oder nicht?", fragt das Kind, wenn ich anhalte und beginnen will, mich selbst zu bedauern...
Bin ich hart im Nehmen? Will oder muss ich es sein?
Nach 22 km erreichen wir die Herberge, die ich für diese Nacht eingeplant habe und stehen vor verschlossenen Türen. In einer Bar 300 m weiter erfahren wir, dass seit Corona alle öffentlichen Herbergen in der Gegend geschlossen haben und die nächste – private – 5 km weiter zu finden ist. Schon aus dem Fenster der Bar kann ich sehen, dass diese 5 km eine lange und steile Steigung beinhalten. Aber haben wir eine andere Wahl?
Als ich stöhnend den Hänger durch den Matsch bergauf schiebe, dreht sich das Moggelchen um und meint:
„Mama, DU wolltest den Jakobsweg laufen...“.
Ja, ich weiß. Er hat Recht: Ich wollte es nichts anders!
Um mich zu motivieren, schalte ich Musik an.
Ich lasse mich jetzt nicht mehr aufhalten, denn mein Entschluss steht: Wir pilgern! Basta!
Am Ende der Steigung wartet dafür ein wunderbarer, weicher und über die restlichen Kilometer hinweg leicht abfallender Waldweg auf uns. Der Beat der Musik wird so schnell, dass ich jetzt einfach den Rest der Strecke renne. So merke ich auch nicht mehr, ob meine Beine schmerzen oder nicht...
45 Minuten später klingeln wir an der Tür der Herberge in Lourenza. Beim Eintreten kommt uns eine schwarze Katze und eine Frau mit deutlichem deutschen Akzent entgegen, die der Herbergsmutter verkündet, dass sie zum Supermarkt gehe. Wir fragen höflich, ob sie uns etwas mitbringen kann, damit wir noch etwas kochen können und haben tatsächlich Glück: Sie bejaht und dieser Liebesdienst scheint ihr tatsächlich nichts auszumachen.
Nach einer heißen Dusche und dem Auspacken unserer Schlafsäcke können wir so in Gesellschaft der Herbergskatze Bebe und der Hamburgerin Jessi in der Küche – mit den gleichen Bodenfliesen wie in unserer heimatlichen Wohnung – noch drei Portionen Nudeln mit Tomatensoße essen. Unser Tag nimmt also ein gutes Ende, so dass wir zufrieden und müde in unser Bett fallen und die Früchte unserer Anstrengung ernten: Einen tiefen – und am Ende auch recht langen – Schlaf mit süßesten Träumen...