17. – 23.10.2021
Love and Peace…
Fast 3 Monate waren wir nun ohne Tobias unterwegs. Dafür, dass wir seit Moggelchens Geburt eigentlich nie mehr als 14 Tage getrennt waren, ist das eine außergewöhnlich lange Zeit. Und das merken wir nun beide: Es dauert, bis wir uns wieder aneinander gewöhnen und damit meine ich sowohl die Vorzüge, als auch die Nachteile des "Zu-zweit-seins".
Der Sonntag beginnt mit einem handfesten Streit...
„Nicht streiten, Mama!“, wünscht das Kind und ich frage mich, „Warum? Warum ist es so schwierig, Meinungsunterschiede auszuhalten?“
Wie kann man mit verschiedenen Ansichten zu einem Thema in der Familie umgehen? Sollte man sie besser vor den Kleinen verbergen? Oder offen austragen?
Was möchte ich dem Moggelmann auf diesem Bereich mitgeben: Ist Streiten schlimm? Wichtig? Unausweichlich? Ein Gewinn?
Wie streitet man selbst konstruktiv und wie bringt man es anderen bei?
Noch lange nicht bin ich bei der Konfliktfreudigkeit angekommen, die Tassilo proklamiert (https://tassilopeters.com), aber ich spüre, dass die Beschäftigung mit Gewaltfreier Kommunikation unsere Streits – für mich in mehrfacher Hinsicht positiv – verändert hat. Dafür bin ich sehr dankbar, auch wenn ich im Akutfall immer noch in meine alten Denk- und Handlungsmuster zurückfalle...
Insgesamt kommen wir viel schneller als früher zu den wirklichen Auslösern und den dahinterstehenden Bedürfnissen. Es gelingt uns besser, einander zuzuhören und den anderen so zu lassen, wie er ist. „Besser“, kann ich sagen, „nicht unbedingt gut! Aber besser...“.
Und damit habe ich noch nichts darüber geäußert, wie die Beschäftigung mit Gewaltfreier Kommunikation meinen Blick auf das heißgeliebte Kindlein verändert hat (https://empathy-first.com/wp-content/uploads/JT-2021-din5.pdf). Ich möchte diese Einsichten nicht mehr missen! Und ich wünsche mir, immer mehr und noch mehr Verständnis für andere Menschen zu gewinnen; insbesondere für die, die ich überhaupt nicht mag... ich könnte dadurch noch so viel mehr über mich selbst lernen und vielleicht auch zum Weltfrieden beitragen.
Aus Versehen...
Nachdem sich die schwärzesten Wolken um unsere Herzen verzogen haben, fahren wir am frühen Mittag mit dem Auto zum Eingang der Vintgar-Schlucht (https://vintgar.si/?lang=de). In der Schlange vor der Kasse wartend, kommen wir mit den vor uns stehenden Indern aus England ins Gespräch und können uns ihnen anschließen, um so ein deutlich günstigeres Gruppenticket zu lösen: Die Preise für den Eintritt in den Triglav-Nationalpark sind wirklich gesalzen!
Vermutlich wird so das in der Tourismusbranche verlorene Jahr 2020 kompensiert...
Über Brücken und Holzstege läuft man in der teilweise 300 m tiefen und knapp 2 km langen Klamm am Fluss Radovna entlang, der am Ende in einem Wasserfall in die Tiefe stürzt. Dort rätseln wir, wo der Einstieg zum Rückweg über die Kirche Sveta Maria beginnt. Die Karte im Flyer und die auf den aufgestellten Karten sind nicht auf Anhieb lesbar und die Ausschilderung ist eher mau. Schließlich folgend wir den anderen Touristen und erreichen auch nach kurzer Zeit das kleine, weiße Kirchlein neben einer Alm.
Auf der Kirchenmauer machen wir Pause und lassen uns die warme Sonne ins Gesicht scheinen, bis das Moggelchen – eigentliche gerade dem Opa am Telefon von unserer Wanderung erzählend – aufgeregt ruft: „Mama, da ist ein Eichhörnchen!“.
Als ich mich aufsetze, entdecke ich aber nicht ein Eichhörnchen, sondern das erste Wiesel meines Lebens in freier Wildbahn. Schnell wie der Wind saust es über die Wiese und wieder zurück zur Mauer. Dann stellt es sich auf und zeigt stolz seine weiße Brust. Wieder auf die Wiese, zur Mauer, zurück zur Wiese. Und dann dreht es sich – die Schnauze in die Erde gesteckt – wie eine Schraube in die Erde. Zack – weg ist das Wiesel! In der Erde verschwunden ... Wahnsinn! Was wir alles beobachten dürfen!
Nach der ausgedehnten Pause stehen wir vor dem gleichen Problem wie vorher: Wo ist der Weg? Alle Touristen, denen wir folgen könnten, sind schon weg und so laufen wir den Schildern nach, die wir für richtig halten... Dass wir aber absolut nicht richtig sind, wird bald klar, denn im Reiseführer ist von einer leichten Tour die Rede, während wir immer steiler bergauf laufen... Irgendwann fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Wir wollten ins Dorf Podhom, besteigen aber stattdessen – aus Versehen – den Berg Hom! Wenigstens gibt es oben eine Bank, auf der wir uns von der Anstrengung erholen können.
Dass wir für den ebenfalls sehr steilen Rückweg auch noch Zeit brauchen, ist nicht so wild. Wichtig ist nur, dass wir vor 17.00 Uhr an der Sommerrodelbahn ankommen, denn die hat heute ihren letzten Tag und auf Moggels Wunschliste steht doch noch „Rodeln gehen“ ...
Reden ist silber, Zuhören ist Gold...
Den Montagvormittag benötigen Tobias und ich für ein klärendes Gespräch: Was hat sich alles unbeabsichtigt angestaut seit dem letzten Treffen? Wie geht es uns beiden in der Zeit der Trennung? Und wie geht es uns jetzt, wo wir wieder beisammen sind? Was braucht Tobias von mir und was ich von ihm?
Es gelingt uns – während das Kindlein mehrere Folgen Benjamin Blümchen hört – sehr ehrlich miteinander zu sprechen und um die Mittagszeit herum habe ich das Gefühl, dass wir wieder in guter Verbindung zueinander sind. Ich jedenfalls fühle mich erleichtert und offen für die restliche gemeinsame Urlaubszeit und unsere bald anstehende Winterpause in Tübingen.
Beschwingt gehe ich einkaufen und koche für uns alle Linsen mit Spätzle. So ein bisschen schwäbische Küche hin und wieder kann nicht schaden. Schließlich ist ja alles um uns herum ausreichend fremdländisch ...
Mountainbike-Tour...
Nach dem Essen machen wir Malte startklar und fahren weiter Richtung Bohinjsko jezero. Antonia hat mit ihrer Familie so von dem See und seiner Umgebung geschwärmt, dass ich mir sicher bin, dass auch wir uns dort wohlfühlen werden.
Als wir ankommen, gilt es zuallererst ein Fahrrad für Tobias zu mieten, denn wir möchten den See mit dem Rad umrunden (https://www.outdooractive.com/de/route/wanderung/julische-alpen/bohinjsko-jezero-umrundung-und-wasserfall-savica/12743354/). Die im Reiseführer angegebenen 13 km dürften für uns als trainierte Radler ja kein Problem sein!
Tatsächlich finden wir nach einigem hin und her – die Saison ist definitiv beendet – ein einfaches, älteres, aber noch funktionstüchtiges Leihrad und so ziehen wir los. Schon nach wenigen Metern verlassen wir die geteerte Straße und fahren auf einen Schotterweg. Während der Moggel vor einigen Wochen noch bei derartigem Straßenbelag fluchend vom Rad gestiegen ist, freut er sich jetzt daran Mountainbike zu fahren und größere Steinbrocken gekonnt zu umgehen. Je weiter wir uns jedoch von Ribcev Laz entfernen, umso größer wird der Schotter und umso schwieriger natürlich auch das im Sattel bleiben. Wir müssen also immer wieder absteigen, auch weil Baumwurzeln Hindernisse bilden. Schließlich kommt es so weit, dass wir die Räder tragen, statt die Räder uns ...
Wir sind froh, als wir die Hälfte der Tour hinter uns haben und hoffen auf eine bessere zweite Hälfte, aber da kommt uns die Idee, nun mit dem Rad noch zum naheliegenden Wasserfall Savica zu fahren. „Das dürfte nicht weit sein!“, sage ich noch ... natürlich nichtsahnend, dass der Weg dorthin zwar wieder weniger große Steine, dafür aber ziemlich Steigung mit sich bringt.
Als es langsam zu dunkeln beginnt hat das Moggelchen keine Lust mehr. „Ich hab´ die Nase voll von Deinen blöden Touren!“, meckert es – zu Recht – und verweigert das Weiterfahren. Wir können ihn vollkommen verstehen: So richtig Spaß macht der Untergrund auch uns nicht, aber der Wasserfall ist nun schon so nahe und und und... „Aufgeben gibt’s nicht!“, meint der Papa.
Also legen wir das Kinderrädchen hinter einer Bank im Wald ab, polstern meinen Gepäckträger mit Jacken und flitzen dann Dank des Elektroantriebs zu zweit auf meinem Rad wie der Wind den Berg hinauf. Tobias kommt – zur großen Freude des Moggelmanns – mit seinem alten Bock gar nicht mehr hinterher...
Kurz vor Schließung des Eingangs zum Wasserfall kommen wir an und steigen als letzte Gäste die vielen Stufen zum Slap Savica hinauf (https://www.bohinj.si/de/sehenswurdigkeiten/savica-wasserfall/). Es hat sich auf jeden Fall gelohnt: Der Ausblick ist toll und die Dämmerung wirft ein besonders schönes Licht auf den Herbstwald.
Da wir unmöglich zur offiziellen Schließzeit des Fahrradverleihs zurück sind, kündigen wir telefonisch unsere Verspätung an. Noch wissen wir ja auch nicht, wie die Straßenverhältnisse auf der zweiten Hälfe des Sees sind und leider können wir – da das Kinderrädchen noch auf Abholung wartet – auch nicht einfach die Straße nehmen.
Im Stockdunkeln kommen wir bei Malte an: Der Moggel und ich frierend auf meinem Rad und Tobias das Kinderrädchen auf dem Lenker seines Drahtesels balancierend. Was für eine krasse Tour! Dafür haben wir uns alle eine Medaille verdient!
Über den Wolken...
Für den Folgetag habe ich zwei Alternativen im Kopf: Entweder wir erkunden die Mostnica-Schlucht oder wir fahren nach Bovec, um dort auf der Soca zu raften. Am liebsten wäre mir ja, wir könnten beides machen, aber die Wettervorhersage gibt uns nur noch zwei regenfreie Tage in Slowenien und einer davon ist schon für einen weitere Kinder-Wunsch vergeben...
Theoretisch haben wir die Qual der Wahl, aber praktisch lassen wir mal wieder das Leben entscheiden, wohin es uns treibt: Wenn bis zum Morgen einer der vielen Rafting-Anbieter zurückruft, die ich vor der Radtour noch kontaktiert habe, gehen wir raften; wenn nicht, werden wir wandern. Ganz einfach!
Tatsächlich ruft genau einer zurück. Einer von bestimmt acht Unternehmern nimmt seine Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ernst. Was für eine Quote!
Einziges Manko: Er bietet gar kein Rafting mehr an, sondern nur noch Tandem-Gleitschirmfliegen.
Komisch, dass genau das noch auf meiner Wunschliste steht und ich mich von allein nicht getraut habe, mir diesen Wunsch zu erfüllen. So wegen Preis und so... und auch wegen Gerechtigkeit: Wir könnten ja nicht beide...
Jetzt ist doch eine aktive Entscheidung fällig, denn diese Möglichkeit stand bislang gar nicht zur Debatte. Tobias gibt grünes Licht, auch wenn wir für den Flug vor 12.00 Uhr in Bovec sein müssen, was wiederum heißt, dass wir nun entweder schnell über die Autobahn nach Österreich und Italien fahren, um vom Norden aus Bovec zu erreichen oder aber schnell mit Malte einen Pass überqueren, um über Tolmin nach Bovec zu kommen. Egal wie: Auf jeden Fall schnell!
Sepp als Ortskundiger empfiehlt uns am Telefon dringend die Drei-Länder-Route zu nehmen, aber ich entscheide, dass wir den Pass fahren: Wenn schon alles knapp wird und wir womöglich für einen Flug zu spät kommen, dann doch wenigstens unterwegs eine schöne Route fahren ...
Malte gibt mal wieder alles, als wir die Kurven hoch und runter heizen. Nur ein einziges Mal springe ich aus dem Auto, um doch ein Foto von dieser wunderbaren Landschaft zu machen: Die Bäume leuchten von der Sonne beschienen in allen denkbaren Gelb-, Orange-, Rot- und Grüntönen zwischen den grauen Steinbergen. Es ist ein herrliches Farbenspiel!
11.45 Uhr zeigt der Kirchturm an, als wir Sepp in Bovec treffen. Geschafft! Ich werde fliegen!
In einem Jeep werden Sepp und ich auf den Kanin gebracht, wo wir den Tandem-Gleitschirmflug über das Soca-Tal starten. Vor etwa 20 Jahren habe ich zwar einen Einführungskurs im Gleitschirmfliegen besucht, aber der Österberg lässt sich einfach nicht mit den julischen Alpen vergleichen: Schon vor dem Fliegen genieße ich die Berge und den Blick bis zur Adria. Und natürlich waren auch meine Flughöhen und -zeiten damals nicht annähernd wie diese: Fast 30 Minuten gleiten wir durch die Lüfte und ich kann die Berge, die bunt gefärbten Bäume, den türkis in seinem sandigen Bett leuchtenden Fluss und das kleine Städtchen Bovec aus ganz neuer Perspektive begutachten.
Mann und Kind gönnen sich derweil im Café vor Ort etwas zu trinken und zu essen. Leider braucht die überforderte Bedienung für beides so lange, dass sie selbst eine Stunde nach meiner Abfahrt nicht zum abgesprochenen Ort der Landung kommen können und sie so leider verpassen. Aber halb so wild: Das beeindruckende Erlebnis war ja das Fliegen und nicht das Landen; und außerdem hat Jelena, Sepps Frau, alles fachgerecht aufgezeichnet. Die beiden - Sepp und Jelena - sind auf jeden Fall ein super Team und die perfekte Adresse für einen Gleitschirmflug (www.avantura.org)!
Im Drei-Uhr-Loch
Nach dem Mittagessen bin ich wie erschlagen. Der Vormittag war so voller Spannung, dass ich mich nun am liebsten nur hinlegen würde. Da wir aber an der Soca, dem schönsten Fluss Europas sind, ist das nicht möglich: „Raus geht’s!“, tönt es und es stimmt ja auch: „Rumliegen können wir später noch!“.
Wir machen uns auf für einen Spaziergang am Fluss. Ganz gemütlich und ohne wirkliches Ziel. Das ist schön, denn so verlassen wir den Weg, gehen eine Weile im ausgetrockneten Teil des Flussbetts, bewundern und sammeln Treibholz, bauen einen kleinen Staudamm, bestaunen das wunderbare, flüssig Türkis, stehen ein wenig barfuß im eiskalten Wasser und laufen dann fürs Abendessen zurück.
Packen wollen wir ja auch noch, denn morgen, ja morgen, an unserem letzten Tag in Slowenien, möchte der Moggel einen Berg besteigen: „Einen richtigen Berg! Mit Klettern!“
Als das Kindchen im Bett ist, kommt es nicht zur Ruhe. Auf die Frage, was los sei, kullern schließlich große Tränen: „Mama! Mama, ich bin so traurig! Jetzt habe ich das Holz am Fluss vergessen, das ich doch mitnehmen wollte!“. Das arme Kerlchen schluchzt und weint ganz bitterlich: „Ich brauche doch den Keil, den ich gefunden habe. Mama, das Holz! Weißt Du, welches ich meine?“. Ich weiß es, tröste, umarme und streichle, so gut ich kann und bin gerührt: Ein Stückchen Holz, so einzigartig und so wichtig!
Die Julischen Alpen...
Pünktlich um 7.00 Uhr fallen wir aus den warmen Betten in die kalte Malte, ziehen unsere Wanderkleidung an, frühstücken und fahren dann über Trenta zum Vrsic-Pass auf 1611 m Höhe (https://www.soca-valley.com/de/abenteuersuche/natur/2021010714563492/strassenbergpass-vrsic-1611-m/).
Oben angekommen stehen wir nicht nur in den Startlöchern, sondern auch vor einem altbekannten Problem: Wo ist nur der Weg?
Wir haben zwei Reiseführer mit unterschiedlichen Routen im Angebot und finden weder den einen, noch den anderen Einstieg. Nach erfolglosem Abgleich der Beschreibungen mit Googlemaps und der vorhandenen Ausschilderung geben wir auf.
Ich beschließe, in meinem nächsten Leben Wegbeschreibungen für Reiseführer zu verfassen. „Hinter dem kleinen Stein an ihrem rechten Fuß biegen Sie ab zum Busch mit den grünen Blättern. Etwa 50 Schritte weiter passieren Sie links einen kleinen Grashügel und nehmen dann, am Baum mit der braunen Rinde, den Weg geradeaus nach oben“. Aha! Wie aufschlussreich!
Wir folgen nach kurzer Beratung, was wir nun ohne die vorbereitete Wanderung machen, einfach dem rot-weißen Kreis, der auf den Felsen aufgemalt ist. „Mala Mojstrovka“ steht auf dem dazugehörigen Schild.
Die mehr oder weniger unfreiwillig gewählte Route führt uns steil bergauf und wird recht bald sehr steinig. Zur großen Freude des Moggelchens werden die anfangs den Weg säumenden Büsche abgelöst durch Geröll, das etwas weiter oben schon mit Neuschnee bedeckt ist. Wir steigen tapfer weiter, klettern teilweise, brauchen beide Hände, um sicher vorwärts zu kommen und erreichen irgendwann das Seil, das die rutschigsten Passagen sichert. Die Tour ist alpin und vor uns gehen zwei Wanderer, die mich schon allein aufgrund Ihrer Ausrüstung leicht verunsichern, aber das Kindlein und wir sind wild entschlossen: „Heute wird gewandert – ob mit geplanter Route oder ohne!“
Die Aussicht und die Sonne machen es uns leicht: Es ist – egal wie unwegsam – wunderschön! Wann immer uns danach ist, machen wir Pause, trinken oder essen etwas und erfreuen uns an den Bergen, die vor, hinter, neben, einfach überall soweit das Auge reicht, um uns herum sind.
Nach rund zwei Stunden begegnen wir erneut den erfahrenen Alpinisten, die vor uns waren. „Der Schnee ist zu tief, der Wind zu stark. Wir drehen um!“, erklären sie uns. „Wir haben zwar schon einige Touren gemacht in dieser Höhe, aber das ist nichts für uns!“.
Ich erschrecke ein wenig, aber Tobias und ich sind uns einig, dass wir uns selbst ein Bild davon machen möchten, wie die Route weiter geht. Etwa 15 Minuten später entscheiden wir ebenso: Wir drehen um, denn für den nun vor uns liegenden Teil sind wir nicht ausgerüstet. In Jeans und Turnschuhen, ohne Kartenmaterial, mit Kleinkind – das wäre unklug! Ich bin gerne mutig, aber nicht fahrlässig!
Der Rückweg ist dann auch Herausforderung genug: Vorwärts nach oben klettern ist deutlich einfacher als rückwärts – oder vorwärts – bergab. Insbesondere, wenn Schnee die Steine rutschig macht... Der kleine Mann meistert aber auch das alles bravourös. Er lässt sich leicht anleiten, hört verlässlich auf unsere Tips, schätzt sich selbst und seine Fähigkeiten realistisch ein und bittet gegebenenfalls um Hilfe, er läuft ausdauernd... man kann ihn inzwischen einen geübten, kleinen Wanderer nennen; und ab heute auch einen mit alpiner Erfahrung.
Was für ein glorreicher Abschied von Slowenien!
Endlich kraxeln...
Nach einem kurzen Stop in Kranjska Gora, wo wir mit einem Einkauf unseren Kühlschrank frisch befüllen, fahren wir über den Wurzenpass nach Österreich. Eine flüchtige Passkontrolle ist alles, was uns an der Grenze erwartet, während Tobias im Auto hinter uns nicht einmal den Ausweis zeigen muss. Nun sind wir im letzten Land unseres ersten Reiseabschnitts angekommen...
Beim Frühstück entdecke ich, dass nicht weit von unserem Übernachtungsparkplatz ein Klettergarten mit Übungsklettersteigen ist (https://www.kanzianiberg.com). Das ist eine gute Gelegenheit, um den Moggel mit seinem Klettergurt vertraut zu machen. In einem Bergsportgeschäft in Villach finden wir das uns bislang noch fehlende Ausrüstungsteil für sein Set und machen uns dann auf an den Übungsfelsen.
Wir sind allein an den Felsen und haben so alle Zeit der Welt, um uns an das Klettersteigen zu gewöhnen. In aller Ruhe beginnen wir mit der einfachsten Route, die Niveau B hat. Manche Passagen sind nicht ohne für das Kind, da er einfach deutlich kürzere Beine als ein Erwachsener hat. Dennoch meistert er die erste Tour ohne Probleme und hat tatsächlich Feuer gefangen.
Wir versuchen am gleichen Felsen eine zweite Tour mit Niveau C. Auch diese wird bewältigt, wenngleich wir Zeit für die gemeinsame Suche der nächsten Tritte brauchen. Erst bei der dritten Tour drehen wir um: Das Kindlein ist inzwischen zu erschöpft und hungrig, um sich den ausgesetzten Passagen mit nur wenigen Vorsprüngen zu stellen. Für den ersten Tag aber bin ich mehr als zufrieden: Wir kommen auf jeden Fall morgen nochmals hierher und trainieren weiter...
In der Zwischenzeit aber lassen wir es uns gut gehen: Da auf Moggelchens Wunschliste „in einem Hotel übernachten“ steht und Tobias gerne „ein leckeres Frühstück“ hätte, übernachten wir heute im Hotel. Allerdings nicht in irgendeiner schnöden Absteige, sondern im Karawankenhof in Villach (https://www.karawankenhof.com). Von unserem Zimmer aus können wir direkt in die Kärntentherme laufen; wir müssen noch nicht einmal das Gebäude dafür verlassen (https://www.kaerntentherme.com). Damit haken wir zwei weitere Wünsche auf der Urlaubsliste ab: „Baden gehen“ und „Kraulschwimmen am Morgen“. Ich würde sagen: „Läuft!“
„Läuft!“ denke ich auch, als wir vor dem Frühstückbuffet stehen, das sogar das Buffet vom Hotel Nudelbacher noch alt aussehen lässt. Als ich sehnsüchtig ein Stück Maronikuchen in der Auslage anschmachte, meint der Moggel kopfschüttelnd: „Nein, Mama, das ist nichts für Dich. Viel zu süß! Das ist nur Zucker, Zucker, Zucker, nochmal Zucker und ein bisschen Luft!“. Ich liebe es, meine eigenen Aussagen aus dem Mund meines Kindes zu hören ...
Vorsorglich nutzen Tobias und ich am Morgen daher das Sportbecken der Therme und ich kann danach sogar noch an einem der Fitnesskurse teilnehmen, die im gleichen Gebäude angeboten werden. Völlig gewellt checken wir um 12.00 Uhr aus und gehen am Nachmittag nochmals klettern.
Ich bin froh, dass wir den Kanzianiberg gefunden haben, denn hier können wir wirklich nach Herzenslust üben. Kein Mensch ist vor oder hinter uns, so dass wir uns alle Zeit der Welt lassen und jeden Tritt mit Bedacht wählen können. Auf Moggels Wunsch hin wiederholen wir zwei der Klettersteige vom Vortag und wagen uns dann an die hohen Felsen, die mit einer Seilbrücke verbunden sind. Er selbst sucht die Route anhand der Buchstaben auf der Übersichtskarte aus und hat auch keine Angst vor der Querung auf dem Seil.
Als Tobias und ich Hunger bekommen und zu Malte möchten, quengelt er: „Mama, ich möchte nochmal die Route B auf dem kleinen Felsen machen. Bitte! Bitte, bitte, bitte, Mama. Es macht mir so Spaß!“. Also schicken wir Tobias vor und machen in 15 Minuten ein letztes Mal die gewünschte Strecke. Auf dem Rückweg zum Auto strahlt er über das ganze Gesicht: „Jetzt bin ich der glücklichste Mensch der Welt!“
Zum Abendessen fahren wir zum nahegelegenen Faaker See und kochen dort „Sticky Rice with Mango“. Mit Blick auf den See und den herbstlichen Wald im Hintergrund können wir unser Thailand-Urlaubs-Erinnerungsessen genießen und den vollen Tag ausklingen lassen.
Besuchszeit...
Die letzten gemeinsamen Stunden mit Tobias sind für einen Besuch bei Cecilia und Matthias reserviert. Als wir im Dunkeln dort ankommen, möchte Cecilia gerade zur Feuerwache der ortsansässigen freiwilligen Feuerwehr, um dort alte Feuerlöscher in neue umzutauschen. Wir dürfen mitkommen und das Feuerwehrauto und die Garderobe der Feuerwehrmänner anschauen. Als wir eine Frage zu den vielen unterschiedlichen Helmen haben, wird uns erzählt, dass die ganze Truppe bald mit neuen ausgerüstet werden wird. Die alten werden dann verschrottet oder verkauft.
Das ist doch die Gelegenheit: Das Moggelchen darf mit in den Keller und bekommt dort einen der ganz alten Helme geschenkt. Was für eine Freude für den kleinen Mann! Ein echter Feuerwehrhelm – er leuchtet sogar im Dunkeln!
Am Morgen erwartet uns ein festlich gedeckter Frühstückstisch und ich freue mich, dass wir nun endlich Matthias kennenlernen dürfen, von dem wir bislang immer nur gehört haben. Im Anschluss an das gemeinsame Essen machen wir uns auf nach Döbriach, in der Hoffnung dort einen leichten Klettersteig begehen zu können. Das Kindlein hat ja nun Feuer gefangen und möchte nicht aus der Übung geraten ...
Leider ist die Route nicht so schön, wie die Beschreibung im Internet vermuten ließ und so vertrauen wir den Rest des Tages auf die Ortskenntnis von Matthias und Cecilia, die uns zu einem romantischen Rundweg mit Blick auf den Millstätter See führt. Der Gedanke irgendwann einen Haustausch zu machen, um die Ferienregion des jeweils anderen ausgiebig genießen zu können, wird geboren.
Hungrig erreichen wir am Nachmittag Pusarnitz. Ein sehr großer Topf Spaghetti mit Gemüsesoße und Salat wird spätes Mittag- und frühes Abendessen zugleich. Nach interessanten Gesprächen über Politik, Religion, Erziehung und Wertvorstellungen allgemein ziehen wir uns – mit prall gefüllten Mägen – und mit neuem Stoff, um über diese Themen nachzudenken, zurück.
Morgen früh fährt Tobias zurück nach Hause, während wir noch ein Weilchen in Österreich bleiben dürfen. Mit geht es wie beim letzten Mal: Jetzt haben wir uns gerade wieder aneinander gewöhnt und nun ist die Zeit zu dritt schon wieder um ... Wie gut, dass die Trennung dieses Mal nur von kurzer Dauer sein wird!