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TEIL I: 14. WOCHE – UNGARN: SUPALONELY

05. - 11.09.2021

Lazy Camping

Bis nach dem Mittagessen im Schlafanzug rumhängen, Süßigkeiten naschen und ein Hörbuch nach dem anderen hören – so lazy beginnen wir die Woche und genießen das in vollen Zügen. Nur zum Reiten am Vormittag, zum Ziegen melken am Nachmittag und zum Trampolinspringen am Abend lassen wir uns aus Maltes windgeschütztem Bauch locken. 

 

„Abhängen“ entspricht dem Zustand meines Herzens: Eigentlich wäre Tobias heute gekommen, aber die Arbeit und andere Unternehmungen sind wichtiger. Ich bin niedergeschlagen, da ich mich wirklich sehr auf diesen Besuch gefreut habe. 

 

Dass der Moggel noch eine weitere Nacht auf dem Lamy-Campingplatz (https://www.minicamping.eu/deutsch.html) bleiben will, kommt mir daher nicht ungelegen und so machen wir uns erst montags nach dem morgendlichen Reiten in die neue Woche auf. Zum Abschied läuft uns Fury auf der Koppel nochmals entgegen und begleitet Malte für 3, 4 Meter. Wir freuen uns beide über dieses kleine, freundschaftliche Zeichen.

Alle Ritter-Geburtstagsplanung sind jedoch nun hinfällig – wir feiern einen Pferde-Geburtstag!

Erste Begegnungen...

Ziel für den Nachmittag ist Hollokö, ein weiteres Unesco-Welterbe. Das kleine Dörfchen gleicht einem Freilichtmuseum und ist ein lebendiges Beispiel für das ländliche Leben in Ungarn vor der landwirtschaftlichen Revolution. In den wunderschönen weißen Häusern mit den graubraunen Balken und Dächern kann man sich verschiedene Gewerke aus vergangenen Zeiten anschauen wie zum Beispiel die Korbflechter, Besenbinder, Schuster, Töpfer und andere mehr (https://www.zauberhaftes-ungarn.de/geschichte-kultur/holloko.htm). 

 

Da weder Kind noch ich Lust haben, die dazugehörige Burgruine zu besteigen, fahren wir nach dem Essen gleich weiter Richtung Nationalpark Bükk, den ich für den nächsten Tag eingeplant habe. 

 

Kurz vor unserem Ziel treffen wir auf einem Waldparkplatz einem Fuchs, der ungewöhnlich zutraulich ist und hilfesuchend umherirrt. 

Er hat eine Wunde am Hinterlauf, aber ich weiß nicht, wie ich ihm helfen könnte. Das Auto möchte ich nicht verlassen, da es nun mal nicht um eine Hauskatze, sondern ein nach wie vor wildes Tier handelt, und ich kann auch keinen ungarischen Tierschutzbund oder Förster anrufen, da ich leider keine entsprechende Telefonnummer zur Hand habe. So überlassen wir das Tier seinem Schicksal und hoffen das Beste für ihn... 

 

Ich bin dennoch dankbar für diese Begegnung, denn noch nie konnte ich so lange und nah einen wilden Fuchs erleben.

 

Am Abend erreichen wir Lillafüred und erkunden mit einem kleinen Spaziergang den Ortsrand (https://reisewege-ungarn.de/lillafuered/). Dabei treffen wir ein deutsch sprechendes, ortsansässiges Paar, das uns sofort tolle Tipps für den nächsten Tag gibt. 

Höhlentour oder Höllentour?

Als wir am Morgen mit Rad und Hänger die Gegend erkunden möchten, bemerken wir den dritten Platten am Reifen des Hängers...

 

Wir disponieren also um und fahren beide mit dem Rad zum Hamori-See, der grün leuchtend unterhalb des pompösen Lake Palace Hotels aus den 1920er Jahren liegt, bis zum größten Wasserfall Ungarns – ich erinnere mich an die Wasserfallerfahrung in Kuldiga – direkt auf der anderen Seite des Hotels und schließlich zur Anna-Höhle, die sich mit ihren schönen Kalksteinsälen nur einen Steinwurf vom Wasserfall entfernt befindet (https://reiseziele.ch/der-nationalpark-buekk-in-ungarns-bergwelt/). Auf dem Rückweg würde ich gerne noch in die Szent Istvan-Höhle, eine scheinbar beindruckende Tropfsteinhöhle besichtigen, aber das Moggelkind stellt schon auf dem Weg dorthin klar: „Ich hab jetzt die Nase voll von Deinen ganzen Höhlen, Mama!“. Das wird also nichts...

 

Am frühen Nachmittag wechseln wir selbst den platten Schlauch und bemerken dann, dass wir leider keine passende Luftpumpe zum aufpumpen haben. Daher fahren wir in die nahegelegenen Stadt Miskolc, um dort  in einem Fahrradladen um Unterstützung zu bitten. 

Wie immer haben wir mit dem Fahrradladen Glück und können sofort weiter zum Barlangfürdö (http://barlangfurdo.hu), einem Thermalbad, das in eine Höhlenlandschaft eines Berges eingebaut ist. Trotz „Nase-voll-von-Höhlen“ geht das Moggelchen mit und ist am Ende des Tages sehr begeistert: Im Bad gibt es viele verschiedene Becken mit Wasser in unterschiedlichsten Temperaturen. Einige davon sind im Freien, andere überdacht und weitere in einem Gewirr von Gängen und Höhlensälen. Es ist ein echtes Erlebnis für uns zwei und wir verbringen die ganze Zeit bis zur Schließung des Bades im Wasser.

 

Zum Einschlafen fahren wir weiter nach Poroszlo am Tisza-See und übernachten dort auf dem Bahnhofsparkplatz.

Fischers Fritz fischt frische Fische...

Den Vormittag verbringen wir im Tisza-tavi Öcozentrum (http://www.tiszataviokocentrum.hu), wo wir Biber, Fischotter, Seeadler, Schildkröten und andere am See lebenden Tiere wie Kröten, Schlangen und Fische sehen. Höhepunkt im großen Süßwasseraquarium des Zentrums ist ein Becken, das über die Köpfe der Besucher hinweggeht und wir stehen lange dort, um die Fische von unten anzuschauen. Sie sind riesig und aus dieser Perspektive noch phantastischer anzusehen, als sonst. 

 

Am Nachmittag fahren wir die 65 km lange Rundtour auf dem asphaltierten Damm um den Tisza-See. Beim Radeln kann ich meine Gedanken schweifen lassen: Ich denke an ein Projekt eines Freundes und spinne an Ideen dazu weiter; erinnere mich an einen kürzlich verstorbenen Klassenkameraden von mir und einige wenige gemeinsame Erlebnisse; schicke einer mir sehr ans Herz gewachsenen Familie gute Gedanken für eine schwierige Situation; plane grob im Kopf die kommenden Tage vor; lasse die Fische über meinem Kopf nochmals Revue schwimmen und bewundere die leeren, bunten Strandbäder, die wir passieren...

 

Der Moggel dagegen sitzt gemütlich im Wagen, reimt wie das Sams, lässt sich den warmen Wind ins Gesicht wehen und fragt immer wieder, wie lange es noch bis zu einem Eis sei. 

 

Wir halten mehrmals, um die am Morgen gesehenen Tiere nun in der freien Wildbahn zu beobachten: Schmetterlinge, Vögel, Fische, Frösche und sogar eine kleine Schlange. Und immer wieder sehen wir Fischerboote auf dem Wasser oder Angler am Seeufer stehen. Die Ungarn scheinen auch ohne eigenes Meer dem Wasser sehr zu getan zu sein: Zum Baden, für Wassersport und vor allem auch zum Angeln.

Alles ist relativ...

Nach einer Nacht auf dem Parkplatz beim Öcozentrum fahren wir nach Gyöngyös. Dort wollen wir den höchsten Berg Ungarns, den Kekesteto (https://kekesteto.hu), mit 1014 m besteigen. Nachdem wir schon fast doppelt so hoch hinauf gestiegen sind, ist das laut Moggel „ein Klecks für uns“... 

 

Nach einem schnellen Einkauf in Gyöngyös – ungarische Städte haben wirklich tolle Namen - halten wir recht weit unterhalb auf einem Parkplatz bei einem kleinen See. Von dort laufen wir mit 3 Stunden Aufstieg, einer Pause für ein leckeres Langos mit Käse und 2 Stunden Abstieg die 15 km auf den Gipfel und wieder zurück. Es ist eine leichte Tour, aber angesichts der vielen Kilometer sind wir am Ende recht erschöpft. Eine Weile trage ich das Moggelkindchen  auf meinen Schultern durch den Wald, weil seine Beine plötzlich so schwer sind... Aber das meiste läuft er wieder ohne jede Klage und mit plapperndem Göschlein neben mir her.

 

Auf der Fahrt nach Gödöllö, wo wir in der Nähe von Sisis Sommerresidenz einem Campingplatz aufsuchen möchte, schlafe ich fast ein. Schnell halte ich für eine kleine Pause an und ruhe mich ein wenig aus. 

 

Als wir den Campingsplatz erreichen, stehen wir vor verschlossenen Türen. „Closed“ winkt mir der einzige Mensch auf dem Gelände zu. Auch der nächste Campingplatz hat seine Tore schon geschlossen... und das ausgerechnet heute, wo wir dringend eine Toilette und Wasser brauchen! Ich fahre daher weiter bis an den Ortsrand von Budapest und wir finden endlich eine Bleibe für die Nacht. Eine sehr gute sogar, denn alle notwendigen Handgriffe können wir aufgrund der durchdachten Logistik in wenigen Minuten erledigen (https://arenacamping.eu/de).

 

Müde essen wir zu Abend und verschieben die Überlegungen, ob wir Sisi dennoch einen Besuch abstatten und dafür 30 km zurück fahren, auf morgen früh.

Sisi muss warten...

Ich entscheide, dass Sisi auf uns warten muss, bis wir in Österreich sind. Die Zeit, die wir für Gödöllö gebraucht hätten, verwende ich stattdessen zum Spülen, Aufräumen und Planen des Aufenthalts in Budapest. Jeder Tag will gestaltet sein mit Bewegung, Pausen, Entdeckungen, Essen – es ist gar nicht so einfach, das immer zur Zufriedenheit von uns beiden hin zu bekommen.

 

Ich spüre inzwischen auch, dass wir schon einige Wochen unterwegs sind. Mir fehlt der Kontakt zu anderen Erwachsenen, zu meinen Freundinnen und Freunden. Wie geht es ihnen und was geht in ihren Köpfen vor? Irgendwie fühle ich mich abgeschnitten vom Rest der Welt und einsam...

Es kommt mir so vor, als gäbe ich allen über meine Reiseberichte tiefen Einblick in mein Leben und meine Gedankenwelt, aber erhielte kaum Rückmeldung, wie es in anderen Leben aktuell aussieht.Woran knüpfen wir an, wenn wir wieder zurück sind?

Buda loves Pest

Nach Sichtung der Informationsflyer vom Campingplatz fahren wir mit dem Rad ins Zentrum Budapests: Der Moggel will gerne Riesenrad und Karussell fahren. Ersteres finden wir schnell, aber das Karussell wird schwierig: Schließlich tauschen wir diesen Wunsch gegen ein Eis. Das ist deutlich einfacher!

 

Danach bummeln wir ziellos durch die Straßen und lassen uns überraschen von dem, was kommt. Wir beobachten eine stickende Frau, lauschen zwei Jazz-Straßenmusikern, essen nochmals Langos und entdecken dann einen Straßenzug mit interessanten lokalen Designern und ihren „Handcrafted Souvenirs“ (http://en.szimpla.hu/szimpla-garden). Ihren Labeln über Adressen aus dem Internet folgend, werden wir in verschiedene wunderschöne Innenhöfe geführt, die wir sicherlich in keinem Reiseführer gefunden hätten. 

 

In Cafe „August“ (https://auguszt.hu/auguszt-belvaros/) gönnen wir uns „Homemade Limonade“ und ungarische Kuchenspezialitäten mit Apfel, Mohn, Nüssen und Zwetschgenmus. Die Bedienung geht so nett auf den kleinen Mann ein, dass wir von allem nochmals Nachschub bestellen. Man gönnt sich ja sonst (fast) nichts...

Trotz Adresse vom Campingplatz benötigen wir am nächsten Morgen fast 1 Stunde, um unsere Gasflasche auffüllen zu lassen. Ich werde schon nervös, da wir für 10.00 Uhr eine Stadtführung gebucht haben und wir noch ins Zentrum fahren und vor allem einen Parkplatz für unsere unbewegliche Malte finden müssen. 

 

Ich werde über Park4night fündig und traue mich einen Parkplatz auszuwählen, der als sehr "schmal", aber unglaublich zentral beschrieben wird; „man sollte sein Fahrzeug kennen“, aber der Parkplatzwächter ist auch das Einwinken gewöhnt, heißt es im Text... Ich weiß nicht, ob das wirklich die beste Idee ist und ich das schaffe, aber mir fehlt einfach die Zeit für etwas anderes: Give it a go! 

 

Mit Hilfe des netten Herrn an der Schranke kommen wir gut auf den Platz, aber ein wenig stolz bin ich dennoch: Es ist wirklich unglaublich eng gewesen und mehr als 10 cm Platz hatten wir an keiner der beiden Seiten zu anderen, auf der Straße parkenden Autos.

Wie wir da bloß wieder rauskommen? Egal, die Führung beginnt... 

Beim Treffpunkt stellen wir fest, dass zeitgleich auch eine Führung durch Budapest unter der Überschrift „Street Art“ angeboten wird. Spontan entscheide ich mich um; tolle große Gebäude haben wir ja schon zur Genüge in den anderen Hauptstädten gesehen. 

Diese Entscheidung entpuppt sich als die einzig wahre, denn wir sind inklusive Kind nur zu viert und können so viele Fragen stellen und gut miteinander in Austausch kommen. 

 

Ich bin verblüfft, an wie vielen der Straßen ich schon am Vortag vorbei gekommen bin, ohne die kleinen und großen Kunstwerke, die uns nun gezeigt werden, gesehen zu haben. Einige sind mir zwar auch ins Auge gefallen, aber viele habe ich völlig übersehen. Auch die Geschichten dahinter sind für mich sehr spannend und so habe ich einen erfüllten Vormittag. 

 

Am Nachmittag wünscht sich das Kind drei Packungen TicTac und Zeit, um mir von seinen neuesten Plänen zu erzählen: Er möchte nun einen Malergeburtstag feiern und mit seinen Gästen die Nordseite unseres Hauses bemalen. Natürlich hat er dazu unzählige Ideen...

Diese reichen auch noch für die einstündige Fahrt an den Balaton aus, die wir nach einem weiteren Besuch im Fahrradladen – dieses Mal habe ich einen Platten am E-Bike – starten.

 

Woher hat dieses Kind nur seinen unerschöpflichen Ideenreichtum? Schließlich planen wir nun schon die vierte komplette Mottoparty in unseren Köpfen...