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TEIL I: 13. WOCHE – SLOWAKEI: LOST IN TRANSITION

28.08. - 04.09.2021

Bin ich schon drin?

Wie bei Finnland habe ich auch bei der Slowakei lange überlegt, ob ich überhaupt einreisen möchte, oder ob ich nicht doch lieber eine längere Fahrt und den Besuch der Tschechei vorziehe. Die Bedingungen, die man im Internet für eine Einreise in die Slowakei findet umfassen, sind für mich alles andere als einladend. 

 

Umso erstaunter bin ich, als Christian mir berichtet, er sei ohne jegliche Kontrolle ein- und ausgereist. Das animiert mich doch die ursprünglich angedachte Route zu wählen, da sie einfach deutlich kürzer ist. Um ganz sicher zu gehen, entscheide ich, hinter Christian zu fahren und ihm und Hans den Vortritt beim Länderwechsel zu lassen. 

 

Entgegen aller meiner Sorgen ist alles unkompliziert und ich bemerke nur anhand eines Schildes, dass wir eine Landesgrenze überschritten bzw. -fahren haben. Wieder ein Mal hat sich Papier als äußerst geduldig erwiesen...

 

Im ersten Dorf trennen sich unsere Wege, so dass Malte, Dr. Blutrich, Moggel und ich wieder auf uns gestellt sind. Ich bin völlig unschlüssig, was wir nun machen, da ich mich aus genannten Gründen gar nicht mit möglichen Zielen in der Slowakei befasst habe. 

Regentropfen, Regentropfen...

Da die Wettervorhersage für die kommenden Tage weiterhin Regen ankündigt, beschließe ich, dass wir die trockenen Zeiten im Freien und die nassen mit erholsamem Programm in Malte verbringen werden. Und dass ich mich einfach ad hoc ein wenig orientiere und nach den jeweiligen Gestaltungsmöglichkeiten suche.

 

Die erste Trockenphase nutzen wir sofort für eine kleine Radtour in Oravsky Biely Potok. Das Moggelkind kann es kaum erwarten: „Komm, Mama, wir erkunden das neue Land!“.

Wir radeln am Fluss entlang, studieren die Infotafeln, kicken Steine ins Wasser und beobachten im Dorf die Badenden in der örtlichen Thermalquelle. 

 

Über Zuberec gelangen wir auf einen kleinen und sehr günstigen Campingplatz in Vavrisovo. Wir brauchen dringend Frischwasser, Strom und Internet für ein wenig Recherche, was die Slowakei für Touristen zu bieten hat.

Verschiedene Wanderungen sprechen mich an und für Sonntag, den 29.08.2021 suche ich gleich eine häufiger erwähnte aus. Nach dem Frühstück starten wir mit der Fahrt in die Berge nach Stary Smokovec. 

 

Dort angekommen lassen wir die Seilbahn links liegen und laufen stattdessen auf den Hrebienok. Oben finden wir gleich die Route zu den Wasserfällen Vodopady Studeneho Potoka, die sich auf der anderen Seite des Berges wieder ins Tal schlängelt. Mit dem gleichen Rückweg hatte ich eigentlich mit einer Tour von etwa 1,5 bis maximal 2 Stunden gerechnet, aber am Wasserfall entscheiden wir, einen anderen Abstieg ins Tal zu nehmen. Natürlich ohne Karte und daher ohne zu wissen, wo wir landen werden... Aber der Weg ist einfach zu schön: Er wird uns schon nicht fehlleiten.

 

Unterwegs stocken wir unseren Vorrat an Waldheidelbeeren auf und genießen den klaren Fluß, der uns die ganze Zeit begleitet. 

 

Am Ende sind wir 4 Stunden unterwegs und ich bin wieder einmal erstaunt, wie wanderfest mein kleiner Mann ist. Nur die letzten 2 km möchten ihn seine Beinchen nicht mehr tragen. Nachdem der Weg da nur noch neben der Straße entlangführt, ist es jedoch auch kein Problem für uns zwei zu trampen. Ein netter Slowake fährt uns direkt auf den Parkplatz zu Malte, wo wir ein verspätetes Mittagessen einnehmen und dann weiterfahren zum Bergsee Strbske Pleso. 

 

Der Wunsch des Kindes war es, diesen ein Mal am Abend und ein Mal am Morgen zu umrunden. Und natürlich ist mir dieser Wunsch Befehl...

Leider finden wir keinen Parkplatz in Seenähe, sondern werden aufgrund Maltes Ausmaßen überall weggeschickt. Etwas weiter unten am Berg sind schließlich Parkplätze für Camper ausgewiesen und da nur noch ein Tscheche dort parkt beschließen wir, hier auch zu übernachten. Sicherlich ist morgen genauso wenig los und wir nehmen niemandem einen Platz weg...

 

Schnell laden wir die Räder ab und radeln bergauf um den See das erste Mal zu umrunden. Er ist viel kleiner, als ich es mir vorgestellt habe und nach knapp einer Stunde sind wir wieder am Auto. Da wir nachts weiterhin circa 8° C haben, werfe ich sofort die Heizung an und koche Wasser für die Wärmflasche und einen heißen Tee. Wir machen es uns gemütlich und schlafen beide sehr früh ein.

Am nächsten Morgen starten wir früh die zweite Tour um den See. Das Moggelchen fährt mit dem Rad und ich gönne mir eine Joggingrunde. Der See ist völlig in Nebel gehüllt und bietet ein ganz besonderes Bild.

Von Rittern und Prinzessinnen

Nach dem Aufladen der Räder, einer heißen Dusche und einem warmen Frühstück planen wir unsere Zeit. Ich habe mir mit dem Joggen meinen Wunsch des Tages schon erfüllt, aber der Moggel möchte gerne eine Burg besichtigen. Die gibt es hier ja zur Genüge und seit Hans da war, ist die Idee eines Astronauten-Geburtstags der Idee eines Ritterfestes zum 5. Ehrentag gewichen. Da passt der Besuch einer Burg ja wunderbar ins Konzept...

 

Nächstes Ziel ist also Spissky Hrad bei Zehra.

Unterwegs erzählt mir das Kind – wie meistens bei der Fahrt – von all seinen Plänen und es kommt zu ähnlichen Gesprächen wie diesem hier:

„Mama, Hans und ich sind die Ritter und du bist die Prinzessin. Ich kaufe mir dann einen Anzug mit einem Lederwams und einem Spitzenkragen. Und wir retten dich dann aus dem Turm!“.

„Ok. Aber Ich weiß nicht, ob ich eine so gute Prinzessin bin…“

„Warum nicht?“

„Prinzessinnen sind vermutlich nicht so eigenständig, freiheitsliebend und widerborstig wie ich es bin?!“

„Mama, während wir arbeiten, kannst du ja lernen Prinzessin zu sein. Du kannst gleich morgen beginnen…”

 

Leider ist die Burg nicht für Touristen zugänglich. Der Parkplatz ist abgesperrt und zwei Männer in Warnwesten erklären, dass die Renovierungen einen Besuch unmöglich machen. Schade! Das wäre ein weiteres Unesco-Welterbe für unsere nicht vorhandene Liste gewesen...

 

Wir bleiben ein wenig in einer Einfahrt unweit des Parkplatzes stehen und überlegen, was wir stattdessen machen können. Das Moggelchen mag basteln und so holen wir die in Schweden am Strand gesammelten Steine aus der Heckgarage und bemalen sie mit Farben aus meiner Nagellacksammlung mit Dinosaurierfußspuren.

Irgendwie hat das ja auch mit vergangenen Zeiten und Prinzessin sein zu tun...

Reboot...

Danach fahren wir nach Kovice, das im Internet mehrfach empfohlen wurde. 

 

Dort finden wir einen Campingplatz neben der Autobahn. Nicht sonderlich schön, auch nicht sonderlich leise, aber neu und mit allem ausgestattet, was wir für die kommenden Regentage brauchen: Wir befreien Malte endlich von den Spuren ihres Matschunfalls, leeren und füllen, was zu leeren und füllen ist und kochen uns ein leckeres Abendessen im Thermomix. 

 

Der regnerische Vormittag lässt uns Zeit für einen neuen Haarschnitt beim Kind und sonstige Körperpflege: Es geht doch nichts über eine ausgiebige warme Dusche mit entsprechendem Wasserdruck! Selbst das Kind möchte freiwillig duschen – und das will etwas heißen!

 

Und dann gibt es auf dem Platz noch zwei süße, kleine Katzen. Der Moggel hat sich auch hier verändert: Seine bisherige Scheu gegenüber Katzen weicht seiner Neugier. Er reibt seine kleinen Fingerchen und probiert mit Schmatzen die Kätzchen anzulocken, um sie hochzuheben und zu knuddeln. Sein Glück ist ein Bild für die Götter!

 

Kovice - aber bitte mit Sahne!

Am Nachmittag erkunden wir mit dem Rad die Innenstadt, die ich entgegen der Beschreibungen im Netz nicht besonders berührend finde. 

 

Wir steigen auf den Turm des Doms der Heiligen Elisabeth, der so eng ist, dass wir – insbesondere ich – fast in der Wendeltreppe steckenbleibe, lauschen danach angestrengt dem – leider nur leise – singenden Brunnen und gönnen uns zum Abschluss eine Tasse heiße Schokolade mit Sahne und ein überaus mächtiges Crepe mit Pflaumenmus und Sahne. 

 

Im Dom links von uns und in der Kapelle rechts von uns wagen sich zwei Paare in einen neuen Lebensabschnitt. Zeitgleich Zaungast bei zwei Hochzeiten zu sein – bei beiden Gebäuden stehen die Türen weit offen – , habe ich auch noch nie erlebt...

Zum Glück weiß man vor mancher Entscheidung im Leben nicht, welche Konsequenzen mit ihr auf einen zukommen... Das meine ich jetzt natürlich ganz generell!

Im slowakischen Paradies

Auf dem Weg zur Eishöhle in Dobsina, die wir uns für den Mittwoch vorgenommen haben, halten wir an der Burg Krasna Horka, die ebenfalls wegen Reparaturen unzugänglich ist, und dem Bergsee in Dedinky. Zu Recht betrachten wir beides eher als angenehme Fahrtpausen, denn als wirkliche Attraktionen.

 

Die Eishöhle, zu deren Eingang man etwa 30 Minuten läuft, ist im Gegensatz dazu – zumindest für mich – sehr spannend: Wie kann inmitten einer warmen Umgebung eine Höhle mit Schnee und Eis bestehen? Wieso wird sie schon Mitte September wieder geschlossen? Warum darf man in ihr nur – was ich nicht wußte – gegen eine horrende Gebühr fotographieren? 

 

Leider ist die halbstündige Führung slowakisch, so dass der Moggel und ich nichts verstehen. Und Dr. Blutrich, der ja alle Sprachen spricht, weigert sich leider standhaft für uns zu übersetzen...

Auf der Fahrt nach Hrabusice, wo wir am nächsten Tag wandern möchten, lässt das Moggelmännchen in Dauerschleife „Following the Sun“ laufen. Als Beifahrer ist er der DJ und darf eigenständig über das akustische Programm entscheiden.

„Mama, verstehst Du, was die singt?“ fragt er mich immer wieder, wenn wir Musik hören. Als ich seinen Song des Tages übersetze entflammt er noch mehr für das Lied von Super-Hi und Neeka.

„Mama, fahren wir auch der Sonne hinterher? Treffen wir dann die Sängerin? Mama, können wir erforschen, in welchem Land sie gerade ist? Und woher sie kommt?“ 

 

Die Beschäftigungen gehen uns nie aus. In 12 Wochen hatte ich nicht eine Minute Langeweile mit diesem Kind und die mitgenommenen Bücher, Spiele und Bastelmaterialien sind zum größten Teil noch unberührt.

 

Das Lied das fortan hoch- und runtergespielt wird ist ab jetzt jedenfalls „Following the Sun“:  

Maybe I don't wanna know


The way home


Taking on a journey


I've got places to go


Wanna chase a miracle?


It's possible


You just gotta open the door

Darling, it's cold out there


Don't fear the road


Just come along with me


You're not alone out there


Let's write a song, make up the melody

If you're looking for me baby


You know you can find me


Following the sun


Somewhere running up my heartbeat


I don't look behind me


Following the sun”

Für die Nacht fahren wir weiter auf den Parkplatz vor dem Nationalpark Sprava Narodneho, so dass wir am Morgen gleich mit unserer geplanten Wanderung durch die Schlucht Sucha Bela starten können. 

 

Um 9.00 Uhr sind wir bereit für unser heutiges Abenteuer, wobei ich immer noch zweifle, ob die ausgesuchte Tour nicht doch zu schwierig ist für ein Kind von vier Jahren. Als ich beim Campingplatz am Eingang des Nationalparks eine Kletterausrüstung zur Sicherung des Kindes ausleihen will, wird mir versichert, dass sie bei dieser Tour nicht nötig ist. Ich bin beruhigt und deute das als Zeichen, dass wir das schaffen.

 

Gleich nach dem Start wird der Weg bereits sehr nass und dadurch auch rutschig. Ich habe leider keine wasserdichten Wanderstiefel mit gutem Profil dabei, sondern nur Straßenstiefel ohne jeden Grip. Das sichere Leiten vom Moggelkind wird damit eine Herausforderung...

 

Meine Socken sind nach etwa 20 Minuten völlig durchnässt und da beginnt es erst steil und unwegsam zu werden: Man muss sich von Stein zu Stein hangeln, über Baumstämme balancieren, das Wasser über Holzleitern queren und die ganz steilen Stellen mit beinahe senkrechten Metallleitern überwinden. Jeder Tritt sollte hier sitzen und ich muss viel sprechen und erklären, damit der mutige Moggel nicht abrutscht. Er hört aufmerksam zu und setzt meine Tipps auch immer artig um. So kommen wir – wenn auch langsamer als die anderen Wanderer – doch sehr gut voran. Dass auch Moggelchens Schuhe und Socken nass werden, bleibt nicht aus, stört ihn aber nicht weiter.

Bis wir die Schlucht vollständig durchquert haben, sind wir 4 Stunden unterwegs. Ich bin mal wieder unheimlich stolz, denn im Gegensatz zu mir habe ich beim Kind nicht ein einziges Mal Angst verspürt. Ich dagegen habe mir einige Male vorgestellt, was alles passieren könnte, wenn... und entsprechend geschwitzt!

„Werde deiner Verantwortung gerecht, Tabea!“, waren die Abschiedsworte meines Vaters. 

Heute habe ich wieder einmal sehr an sie gedacht.

 

Eine halbe Stunde queren zum Wanderweg, der wieder ins Tal hinab führt, kommt zu den 4 Stunden Aufstieg dann noch hinzu. Und natürlich der 1,5 stündige Abstieg. 

 

Ohne Mullen und Knullen läuft und läuft das Kindlein und – wie man sich inzwischen vorstellen kann – erzählt und erzählt: Heute drehen sich seine Gedanken ums Ski fahren und wir überlegen, welche Ausrüstung man bei der Bergrettung im Winter benötigt. 

 

Als wir wieder bei Malte ankommen, scheint er nach wie vor voller Energie zu sein, während ich sofort einschlafen könnte.

Für die Nacht parken wir um an ein anderes Ende des Nationalparks, da mein letzter Wunsch in der Slowakei eine Wanderung zum Tomasovsky Vyhlad ist.

 

Auch diese Tour sieht im Internet spektakulär aus und ich hoffe, dass wir einen schönen Tag verbringen. 

 

Wir haben etwas Schwierigkeiten den Einstieg zu finden, aber nachdem uns zwei slowakische Paare den Weg weisen, entpuppt sich die Route als passende Mischung zwischen abenteuerlichen und gut machbaren Abschnitten. Unsere Kraft reicht genau für die 3,5 Stunden und so fahren wir um die Mittagszeiten mit schönen Bildern im Kopf Richtung Süden.

Der kleine Moggel möchte nicht aus dem Kinderparadies abgeholt werden...

Die nächsten zwei Tage möchten wir auf einem Bauernhof mit Campingplatz mitten im Nirgendwo verbringen, den uns eine deutsche Familie als „Paradies für Kinder“ empfohlen hat. Als wir ankommen und Pferde, Schweine, Hühner, Spielplatz und Gemüsegarten sehen, fühlen wir uns sofort wohl. 

 

Am Morgen dürfen die Kinder reiten, am Nachmittag Ziegen melken, am Abend Lagerfeuer machen und dazwischen nach Herzens Lust das Gelände erkunden und bespielen. Wundervoll!

 

Und ich kann endlich mal wieder Yoga machen, die Nähmaschine auspacken, lesen... wirklich paradiesisch!