11. - 17.07.2021
Eis bis zum erbrechen ...
Am Sonntag, den 11.07.2021, fahren wir Richtung Helsinki. Ich muss nun schon nachschlagen, welchen Tag und welches Datum wir haben. Ganze fünf Wochen sind wir bereits unterwegs. Heute halten wir in Porvoo, einer weiteren Stadt mit sehr gut erhaltenen Holzhäusern in der Altstadt (https://www.schwarzaufweiss.de/finnland/porvoo.htm).
Durch den Meeresarm, der Porvoo durchquert, wirkt das Städtchen aber nochmals ganz anders, als Rauma im Westen des Landes.
Wir bummeln durch einen Flohmarkt, die dort ansässigen schmucken kleinen Läden und gönnen uns ein letztes Eis von dieser Marke, die in Moggels Augen das „weltbeste Mangoeis“ herstellt. Dieses Mal möchte ich es auch probieren, denn bislang war ich ja standhaft. Aber die eine Kugel (für 3,70 Euro – ich bin und bleibe einfach schwäbisch...) ist so groß, dass ich – wohl das erste Mal in meinem Leben – Eis wegwerfe, da ich es einfach nicht schaffe, noch mehr davon zu essen.
Dem Moggel bereitet das keine Probleme: Er hatte nun fast täglich eine dieser Riesenkugeln und ließ sie jedes Mal genüsslich in seinem kleinen Bäuchlein verschwinden.
Zum Abend hin fahren wir weiter und übernachten auf einem Parkplatz am Meer nur 40 km von Helsinki entfernt. Dort treffen wir Tamara und Arwen aus Belgien, die uns beim ersten Gasflaschenwechsel
helfen. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung der geübten Camper; insbesondere vor Gas habe ich unheimlichen Respekt. Die Liste der „ersten Male“ wird kürzer und kürzer.
Für die Erkundung eines halbversunkenen Schiffes blasen wir schnell das Stand Up Paddleboard auf und paddeln noch eine kleine Entdeckerrunde vor dem Abendessen, die abgeschlossen wird mit 15
Minuten Schnitzen an einer Holzbüsse nach dem Vorbild von Michel von Lönneberga.
DER PAPA KOMMT ...
Endlich ist es so weit: Heute holen wir Tobias am Flughafen ab. Der ganze Tag steht unter diesem Vorzeichen und wir sind beide in Vorfreude. Schon morgens fahren wir nach Helsinki ins Zentrum, machen einen Abstecher zum Marimekko-Outlet (https://www.marimekko.com/eu_en/), da man in Finnland nun mal nicht an Marimekko vorbei kommt und parken dann an der deutschen Bernhards-Gemeinde Helsinkis (https://www.deutschegemeinde.fi/), um von dort aus das Zentrum zu besuchen.
Gleich am Hafen finden wir in der Markthalle ein paar Leckereien zum Essen, die wir als Picknick einnehmen wollen. Eine Gruppe gefräßiger Möwen attackiert uns aber derart, dass uns das Essen aus
den Händen fällt und wir das Weite suchen. Das arme Moggelkind schreit wild auf vor Angst und Passanten helfen uns bei der Verteidigung der Tüten, in denen wir unseren Snack transportiert hatten.
Das war ein Schreck! Dass diese Tiere uns nicht nur ein Mal, sondern gleich mehrmals und auch hinterrücks anfallen, ist uns für alle Hafenpicknicke der Zukunft eine Lehre.
Als wir uns wieder gefangen haben, nehmen wir Helsinki mit dem Fahrrad genauer in Augenschein. Das Moggelkind ist heute der Reporter und dokumentiert aus seiner Perspektive...
Stuttgart – Amsterdam – Helsinki
Gegen 16.00 Uhr machen wir uns dann auf Richtung Flughafen, denn um 17.30 Uhr soll der Flieger mit Tobias ankommen.
Wir warten und warten und warten. Wo bleibt er denn, unser erster Gast? Naja, genau genommen gehört er ja zur Familie...
Nach einer Weile erhalte ich einen Anruf: „Ich stecke fest. Gerade musste ich schon einen Test machen, aber die wollen mich trotzdem nicht durchlassen. Kannst Du mal mit Deinem Englisch
helfen?“.
Da Tobias mit KLM geflogen ist und in Amsterdam einen einstündigen Zwischenstop hatte, scheint es, als ob er nicht passieren dürfe. Aus Deutschland direkt benötigt man aktuell nicht einmal einen
Test, während man aus den Niederlanden gar nicht einreisen darf ohne zwingende Gründe. Es sind verrückte Zeiten!
Wie sagte Jens Spahn zu Beginn der Maßnahmen? „Wir werden viel verzeihen müssen!“
Einige Minuten sehe ich ihn vor meinem inneren Auge schon auf dem Flughafen übernachten und am nächsten Tag zurückfliegen...
Die Dame am Telefon hat viele Fragen: Wo ich ankam, wann ich ankam, warum ich hier bin, warum Tobias hier sein will, was wir vorhaben, wann wir gehen und so weiter und so fort. Nach Rücksprache
mit ihrem Vorgesetzten dürfen wir – da ich direkt vor dem Flughafengebäude warte, schon länger in Finnland bin und für Mittwoch für uns drei ein Fährticket zur Ausreise nach Estland vorlegen kann
– Tobias nach über 2 Stunden hin und her doch noch in die Arme schließen.
So ein Glück!
Saunieren auf finnisch
Nach dieser Aufregung tut uns etwas Entspannung gut und die finden wir tatsächlich in der bekannten Löyly-Sauna (https://www.loylyhelsinki.fi/), die in Helsinki direkt am Meer liegt. Wir sind zwar nicht die einzigen Deutschen, die hier landestypische Kultur erleben
möchten, aber es macht trotzdem Spaß in einer echten finnischen Sauna (übrigens nicht so heiß, wie die finnischen Saunen in Deutschland) zu sitzen und zu schwitzen.
Wir campen weiterhin wild, da der städtische Campingplatz gefüllt ist, und genießen den Parkplatz, der zwar in einem Vorort Helsinkis, dafür aber direkt am Meer liegt. Besonders der dazugehörige
Fitnesspark hat es uns angetan (https://park4night.com/de/lieu/15435/parken-tag-und-nacht/helsinki-3-kallviksstråket/finland/vuosaari#.YSTMyi0esnU).
Zu dritt erledigen wir am nächsten Tag das bisschen Haushalt, das uns Malte beschert: Toilette, Mülleimer und Grauwasser leeren, Frischwasser auffüllen, Geschirr spülen und etwas saugen, um den
Sand vom Strand wieder loszuwerden. Danach gehen wir einkaufen, denn die nächsten Tage könnte uns eine weitere Quarantäne bringen.
Helsinki aus anderer Perspektive
Der Moggel möchte nun die Stadt aus einer anderen Perspektive betrachten. Er wünscht sich eine Bootsfahrt und direkt im Anschluss daran eine Fahrt mit dem Riesenrad (https://www.mortimer-reisemagazin.de/helsinki-um-eine-attraktion-reicher-skywheel-dreht-sich-katajanokka-hafen/).
Wir lassen uns von seinen Vorschlägen inspirieren und werfen einen Blick vom Meer und aus der Luft auf Helsinki. Ein drittes Unesco-Welterbe, die Festung Suomenlinna, sehen wir dabei aus der
Ferne (https://www.suomenlinna.fi/de/).
Zum Abschluss drehen wir zu Fuß ein kleines Ründchen auf der Esplanade und fahren dann auf „unserem“ Parkplatz zurück. Unterwegs fallen dem Moggelkindchen schon die Augen zu, so dass wir ihn ohne
Abendessen bei der Ankunft ins Bett tragen.
Die Städte sind tatsächlich deutlich ermüdender als das Leben in der Natur.
Abschied von Finnland ...
Ich spüre, wie mich bei jedem Landesübertritt die Angst überkommt: Muss ich mich nun testen? Werde ich in irgendeiner Form befragt? Müssen wir in Isolation? Die Situation kann sich jeden Tag
ändern und manche Quellen im Internet sind nicht aktuell. Ein Restrisiko bleibt, selbst wenn ich mich informiere...
Wir verbringen den Vormittag daher in Ruhe am Strand. Etwas Yoga, lesen, musizieren, schwimmen und letztlich auch duschen. Wer weiß, wie die Tage in Estland werden? Bine und Benjamin haben
mir berichtet, dass alles ganz unkompliziert gewesen sei, aber schließlich war deren Einreise schon eine ganze Woche her... 7 Tage – und alles könnte schon wieder anders sein: Was ist heuer noch
verlässlich?
Gegen Mittag brechen wir auf zum Fährhafen und begegnen dort bereits an anderen Plätzen gesichteten deutschen Wohnmobilen und deren Besitzer. Auch sie sind gespannt, wie die Einreise verlaufen
wird. Alle Bedenken sind jedoch umsonst: Keine Menschenseele interessiert, wer weshalb mit welchem Gesundheitsstatus auf die Fähre geht und in Tallinn das Festland betritt.
Die Esten sind mir schon jetzt sympathisch!
Fröhlich verbringen wir die letzte längere Fährfahrt auf diesem ersten Reiseabschnitt.
Estland – I love you!
Da wir mit Estland in die baltischen, weniger Camping-begeisterten Länder kommen, beschließen wir den Aufenthalt in Tallinn dafür zu nutzen, um Maltes Zipperlein zu kurieren und die leere Gasflasche neu zu befüllen. Unsere erste Station ist also die größte und anscheinend einzige Camperwerkstatt in ganz Estland.
Leider schauen sie Malte nicht einmal an, denn in den nächsten drei Wochen können keine neuen Aufträge mehr entgegengenommen werden. Dafür aber erhalten wir eine alternative Adresse, die ich auch
gleich telefonisch kontaktiere: „Hey there, do you speak any English?“. „No“. „German?“. „No“. „Spanish?“ (unwahrscheinlich, aber ich will nichts unversucht lassen). „No“. „French?“
(unwahrscheinlich, dass ich mich auf französisch in diesem Fall klar ausdrücken kann, aber auch hier will ich nichts unversucht lassen). „No“. Hmpf.... „Ruski?“. Nein, leider spreche ich kein
russisch. So ein Mist aber auch!
Auf Park4night finden wir einen privaten Stellplatz in der Nähe beider Werkstätten. Vielleicht tut sich ja ein Wunder über Nacht!
Als wir dort ankommen, ist niemand vor Ort. Kein Wunder, da um telefonische Vorankündigung gebeten wurde; allerdings, ohne dass eine Telefonnummer hinterlegt worden wäre...
Wir fragen also die Nachbarn, die Englisch sprechen, und tatsächlich wissen sie Bescheid, dass man hier parken darf. Aber nicht nur das: Es stellt sich heraus, dass der Nachbar passionierter Auto-Schrauber ist und tatsächlich Lust hat, Malte in Kopf und Bauch zu schauen.
Das Klappern im Motorraum, das uns seit dem Kauf begleitet, kann er in einigen Minuten beheben, aber der Schaden im Bad bleibt. Als die Besitzerin des privaten Stellplatzes kommt, kann uns diese aber mit dem Nachbarn zusammen helfen und den estisch und russisch sprechenden Werkstattbesitzer über unser Problem informieren.
Wir dürfen am nächsten Morgen um 8.30 Uhr vorsprechen. Und schon wieder kann ich nur sagen: So ein Glück! Die Esten scheinen unheimlich hilfsbereit und freundlich zu sein! I am in love with them! Wirklich! Nach den eher distanzierten und so übergenauen Finnen sind die lockeren, fröhlichen und hilfsbereiten Esten sehr wohltuend.
Am nächsten Morgen steigt dann tatsächlich ein älterer, verschwitzter (schon am Morgen haben wir hier 28 Grad Celsius) Mann mit dreckigem Hemd in unser Bad und zückt seinen Akkuschrauber. Wir zeigen ihm Videos vom tropfenden Abwasserrohr und malen ein Bildchen, wo genau das Leck ist. Er schraubt und hebt und zieht und stellt dann fest, dass er für eine Reparatur das Waschbecken die Blende davor, das Klo und weitere Dinge abnehmen müsste.
Er stöhnt und wirft die Arme in die Luft. Wir tun dasselbe ...
Und werden uns so einig, dass es besser ist, eine Schüssel ins Waschbecken zu stellen und das verbrauchte Wasser aufzufangen, als diese Reparatur überhaupt zu beginnen. Trotzdem bin ich froh! Ich fühle mich verstanden mit meinem Problem und irgendjemand auf dieser Welt hat sich nun endlich fachmännisch darum gekümmert. Egal mit welchem Ergebnis!
Als wir ihn bezahlen möchten, schüttelt der den Kopf: „Thank you!“ sagt er (kann also doch Englisch) und geht weg.
Leider habe ich seine Telefonnummer nicht mehr. Ich hätte sie sonst jedem in die Hand gedrückt, von dem ich weiß, dass er einen Aufenthalt in Estland plant. So an der Grenze zum Beispiel...
Habe ich schon erwähnt, dass ich die Esten liebe? Und dass sie unheimlich freundlich und hilfsbereit sind?
Free Tour through Tallinn ...
Wir fahren ins Zentrum, da wir um 12.00 Uhr an einer kostenlosen Führung durch die Stadt teilnehmen möchten. Im Internet wurde sie bei Bewertungen angepriesen als spannend, kurzweilig, kostenfrei
und gut besucht. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen.
Am Infopoint finden wir dann Helli vor, die sich mit einem englisch-schwedischen Paar unterhält und völlig aus dem Häuschen ist, dass wir als weitere Interessenten dazu kommen. Erst am 01.07.2021
wurde nach über einem Jahr Pause wieder mit den Touren begonnen und nun habe sie endlich mal wieder Menschen aus anderen Ländern vor sich. Ganze 5 Stück! Die Tour ist tatsächlich wie angekündigt
und wir erhalten einen Einblick in Tallinn und estische Geschichte und Geschichten.
Direkt im Anschluss daran will dann Dr. Blutrich noch durch die Stadt führen. Wir erfahren, dass er – außer Belgien – schon alles gesehen hat und daher wunderbar Auskunft geben kann. Sein Weg
führt fast direkt ins nächste Kaffee und von dort zur Eisdiele. Dieser Dr. Blutrich trägt seinen Titel zu Recht: Wirklich ein cleverer Kerl!
... und dann aufs Land
Wir überlegen, wo wir nun hinfahren. In den Westen des Landes zum Naturschutzpark Lahemaa oder in den Süden Richtung Saaremaa, ans Meer?
Wir haben alle das Bedürfnis nach etwas Ruhe und einem entspannten Tag mit Nichtstun. Daher entscheiden wir uns eher für die Küste und suchen eine geeignete Bleibe. Wie immer ist park4night das Mittel der Wahl: Wir finden einen Bauernhof mitten im Nichts (https://park4night.com/de/lieu/249605//keskküla/estonia//Privater-Womo-Stellplatz-#.YSTO6C0esnU). Da es noch keine Bewertungen gibt, bin ich etwas skeptisch, aber lassen wir es einfach drauf ankommen. Die besten Abenteuer kommen unerwartet!
Die letzten fünf Kilometer der Anfahrt lassen dann nichts Gutes erwarten: Schotter, Dreck, Schlaglöcher. Ich fahre im ersten Gang und alles hinter mir hüpft und klappert. Wo sind wir hier bloß hingeraten?
Aber dann wendet sich das Blatt: Nach der letzten Biegung stehen wir vor gemähtem Rasen und mehreren gepflegten, alten Häusern mit Reeddach. Im Garten blühen Blumen und eine freundliche Frau empfängt uns. Wir sind die ersten Gäste, seit sie sich auf dem Portal angemeldet haben (https://poldotsatalu.ee/). Bislang hatten sie nur ihr Gästehaus vermietet, aber keine Camper empfangen. Wir sind also die einzigen und haben das ganze Areal für uns. Wahnsinn! Schon wieder so ein Glück!
Habe ich es schon erwähnt? Ich liebe Estland und die Esten!
Den kommenden Tag verbringen wir mit Chillen: Lesen, Wäsche waschen, in aller Ruhe in einer normalen Dusche duschen, Spielen, Lesen, Kochen, im Liegestuhl sitzen, Schnitzen, Yoga machen, Lesen
... wundervoll! Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe, aber „Estonia – I love you!“
Da wir eine zweite Nacht bleiben, werden wir am Abend von den Gutsbesitzern zum Essen eingeladen und dürfen estische Wurst mit Kartoffeln und Tomatensalat probieren. Auch heimischer Likör und
Schnaps dürfen nicht fehlen. Ich probiere ein wenig davon, ziehe aber den leckeren Tee aus selbstgepflückten Kräutern vor.
Endlich auch mal Sightseeing ...
Wir ziehen davon mit einer langen Liste an Empfehlungen, was wir noch alles in Estland erleben könnten und setzen tatsächlich gleich einige davon um: Wir besichtigen die historische Brücke über den Fluss Kasari (https://www.visitestonia.com/de/der-fluss-kasari-und-die-historische-brucke)., fahren dann zu den Ruinen der Festung Lihula, wo wir ein entspanntes Picknick auf dem Terrain eines Discgolfplatzes (ein beliebter Sport in Estland, auch in Deutschland gespielt: https://www.discgolf.de/) einnehmen, trinken einen Kaffee, einen Kaba und eine hauseigene Rhabarberlimonade im Künstlercafé des Dorfes (http://meistriaed.edicypages.com/art-gallery) und fahren dann weiter zum Matsalu National Park, um dort von einer Aussichtsplattform, um Vögel zu beobachten (https://www.loodusegakoos.ee/where-to-go/national-parks/matsalu-national-park).
Leider sehen wir nicht die erhofften Tiere, werden aber stattdessen von zahlreichen Bremsen gesehen. Der Ausblick ist dennoch beeindruckend: Kann man das estische Steppe nennen? So ähnlich jedenfalls stelle ich mir die Landschaft in Tschingis Aitmatows „Dshamilja“ vor, wenngleich der Roman in Kirgistan und nicht in Estland spielt.
Die Nacht verbringen wir an einer Landzunge direkt am Meer mit einem weiteren, farbenfrohen Sonnenuntergang. Es geht nicht noch besser!