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TEIL I: 10. WOCHE – POLEN: TOUR DE NATUR

07. - 14.08.2021

Nationalpark 1

Nach der unkomplizierten Einfahrt nach Polen fällt uns siedend heiß ein, dass wir vergessen haben, unsere bereits litauisch frankierten Postkarten in Litauen zu versenden. Wir klappern daher die grenznahen Parkplätze ab in der Hoffnung ein deutsches Auto zu finden, dessen Fahrer wir bitten können, unsere Karten wieder über die Grenze zu zurückzufahren und dort in den Briefkasten zu werfen. 

 

Leider finden wir keine Landsleute, aber letztlich erbarmen sich russische Handwerker aus einem Kleinbus mit litauischem Kennzeichen, denen wir mit Händen und Füßen unser Problem erklären. Ich bin gespannt, ob sie die Karten tatsächlichen zur Post bringen...

 

Im Nationalpark Biebrzanzski (https://www.polen.travel/de-at/natur/nationalparks/biebrza-nationalpark), dem größten Nationalpark Polens, finden wir direkt an der Biebrza einen schönen Parkplatz mit Landesteg für Hausboote (https://park4night.com/de/lieu/157536//rybacka/poland/powiat-augustowski/Umgeben-von-Natur#.YSTtMC0esnU). Nach einem kurzen Spaziergang über einen der torfigen Äcker, der exemplarisch für die dortige Sumpf- und Torfmooorlandschaft steht, gehen wir in Vorfreude auf die Entdeckungen, die uns in Polen erwarten, schlafen.

Unser erster „richtiger“ Besuch...

Am 9. August fahren wir schon am Vormittag nach Bialystok, da wir um 15.10 Uhr Sabine am Hauptbahnhof abholen möchten.

 

Vorher suchen wir aber eine Möglichkeit unsere leere Gasflasche auffüllen oder tauschen zu können. Das hört sich in der Theorie weit weniger kompliziert an, als es in der Praxis ist. Nachdem ich übers Internet eine Liste möglicher Gasläden gefunden habe, fahren wir den ersten Kandidaten an, der aber nur an Firmen und nicht an Privatpersonen verkauft. Dort werden wir zu einer zweiten Stelle geschickt, bei der sich herausstellt, dass sie kein Propan hat. Wir werden weiter verwiesen an eine dritte Stelle – inzwischen sind wir schon 2 Stunden unterwegs und haben über 20 km hinter uns – bei der wir endlich Glück haben, wenngleich es Kommunikationsprobleme gibt, da wir kein Polnisch und dort niemand Englisch spricht. Nachdem ich bezahlt habe und an der Auffüllstation stehe, stellt sich heraus, dass ich für zwei Flaschen bezahlt habe, aber eigentlich nur eine Füllung benötige...

Bis wir dann eingekauft haben, ist es bereits Zeit zum Bahnhof zu fahren. Sabine ist unser erster „richtiger Besuch“ und wir freuen uns auf die Abwechslung. Nach der freudigen Begrüßung suchen wir ein Plätzchen zum Mittagessen und besprechen dabei, was wir in den gemeinsamen fünf Tagen erleben möchten: An erster Stelle auf unserem Programm stehen Polens Nationalparks. Los geht’s!

Nationalpark 2

Wir machen uns – mit einem Zwischenstop in Rybaki zum Abendessen am Fluss – auf den Weg nach Bialowize, um den Nationalpark Bialowieski (https://www.polen.travel/de-at/natur/nationalparks/biebrza-nationalpark) zu erkunden. Dieses Naturschutzgebiet befindet sich an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland und ist als einer der ältesten Nationalparks Europas bekannt für seine von Menschen unberührten Waldgebiete und die dort lebenden Wisente. Die Besichtigung des Teils, der von der Unesco zum Weltbiosphärenreservat und zum Welterbe erklärt wurde, ist nur mit Führung erlaubt. 

 

Am Dienstagmorgen organisieren wir uns über das Touristencenter des Nationalparks einen deutschsprechenden Parkführer. Die Polen scheinen unbürokratisch und pragmatisch zu sein. In Deutschland hätten wir dafür vermutlich 14 Tage vorher einen schriftlichen Antrag mit Angabe aller Personaldaten stellen müssen. Hier genügt ein Hinweis auf eine Telefonliste und ein Anruf, dass keine 25 Minuten später ein Guide, der unsere Sprache spricht, Zeit für uns hat. Während der Wartezeit auf ihn gesellt sich eine holländische Familie mit zwei Kindern zu uns und auch das ist kein Problem für den Parkführer, sodass wir etwas später zu siebt den vielen Erklärungen von Tadeusz zu den Bäumen, Blumen und Pilzen, die sich am Wegesrand befinden, lauschen. Über 4000 Pilzarten gibt es in diesem Park und er scheint sie alle mit Namen und Wirkung zu kennen. Dieses Wissen und auch die Pilze selbst sind sehr beindruckend. 

Da Rudolf und Ilse Biologen sind, haben ihre zwei Mädchen keine Scheu Frösche, Käfer und Raupen zu fangen und uns ihre Schätze zu präsentieren. Es ist ein lehrreicher, vierstündiger Spaziergang durch den letzten Urwald Europas, an dessen Ende wir in Vorbereitung auf den nächsten Tag noch versuchen, herauszufinden, wo man Wisente sehen kann, denn in freier Wildbahn hatten wir leider wieder kein Glück. 

 

Auch das hört sich viel leichter an, als es ist: Hier gibt es wirklich kaum Informationen in Englisch und unser Polnisch ist mehr als rudimentär. Wir fahren hierhin und dorthin und bleiben dann doch ohne Erfolg für die Nacht auf einem Parkplatz, auf dem schon zwei andere deutsche Wohnmobile stehen. Zum Glück...

 

... denn am Abend taucht ein Auto mit betrunkenen, jungen polnischen Männern auf, die schnurstracks auf unsere Malte zusteuern und wirken, als würden sie eintreten wollen, um dann wir-wissen-nicht-was – mit uns? – zu tun. Sabine ruft gerade noch „Stop“, was die Burschen aufhält und in lautstarke Diskussion mit ihr bringt. Nach einigen unfreundlichen Worten ziehen sie schließlich ab, aber wir sind unsicher, ob sie nicht wieder kommen werden. Sicherheitshalber parken wir um und stehen dann geschützt zwischen den anderen Wohnmobilen, deren Inhaber mit mehr Kraft, Elektroschocker und Hund ausgerüstet sind. Ich schlafe so ruhig wie noch nie – mit Ausnahme der Unterbrechung, als die polnischen Männer zurückkommen, aber angesichts unseres neuen Standortes unverrichteter Dinge wieder verschwinden. 

Mit Sabine entdeckt der Moggel eine neue Morgenroutine: Während ich Hula Hoop mache, spielen die beiden Federball. Nun haben wir beide morgens eine sportliche Beschäftigung!

Nach diesem Frühsport beginnen wir erneut die Suche nach den Wisenten, dieses Mal aber gleich nach denen im Gehege (https://www.polen.travel/de-at/natur/nationalparks/biebrza-nationalpark). Im „Rezerwat Pokazowy Zubrow“ angekommen sehen wir neben ihnen auch Tarpane, Elche, Rothirsche, Wildschweine, einen Luchs und sogar einen Wolf. 

Nationalpark 3

 Da es am späten Nachmittag zu regnen beginnt ziehen wir weiter nach Sliwno, das im Nationalpark Narwianski liegt (https://www.polen.travel/de/sehenswertes/nationalparks/nationalpark-narew-narwianski-park-narodowy). Das Moggelkind möchte so gerne ein Feuer mit unserem Gast machen und Sabine zum Grillen einladen, so dass wir einen Übernachtungsplatz benötigen, auf dem dieser Wunsch erfüllt werden kann (https://park4night.com/de/lieu/180033//Śliwno/poland/białostocki/Parkplatz-Tag-und-Nacht-#.YSTvFy0esnU).

Am nächsten Morgen geht es weiter nach Kurowo, wo das Touristencentrum des Nationalparks liegt. Wir möchten uns dort erkundigen, wo man Kanus mieten kann, um auf dem Narew zu paddeln. 

Der Narew ist einer der letzten Flüsse Europas, der mehrere miteinander verbundene Flussbetten besitzt, die im Falle eines Falles ein gemeinsames Überschwemmungsgebiet – den „polnischen Amazonas“ – bilden. Von oben betrachtet sieht das auf der Landkarte aus wie ein Spritzer Tinte, der mit einem Strohhalm in die verschiedensten Richtungen zerblasen wurde. Ohne Schilder in dem den Fluss umgebenden Schilf wäre man also hilflos im Gewirr der Flussarme verloren. 

 

In Kurowo ist erneut alles sehr pragmatisch: Man kann für drei unterschiedlich große Touren sofort ein Boot mieten und es, wenn man über Nacht auf dem Campingplatz des selben Geländes bleibt, auch länger als die Öffnungszeiten des Touristenzentrums andauern, behalten. Das klingt in unseren Ohren wie ein sehr gutes Angebot, das wir ohne Zögern annehmen. Auch, weil das Moggelkind die Feuerstelle auf dem Campingplatz erspäht hat und nun nochmals ein Feuer entzünden will. 

Schnell packen wir unser Mittagessen für ein Picknick ein und gehen mit zwei Booten aufs Wasser. Es ist wunderschön den ganzen Nachmittag auf den relativ engen Wasserstraßen zu paddeln und von nichts an anderem umgeben zu sein, als Wasser, Schilf und Wind. Ganz besonders erholsam – fast wie eine Einschlafmeditation – empfinde ich das Rauschen des Windes durch das hohe Schilfgras. 

 

Auch der Moggel hat seinen Spaß an der Tour. Erst als ein Wolkenbruch uns von unten bis oben durchnässt ist er frustriert und will zurück an Land. Wir rücken auf einen Sitz zusammen und wärmen uns gegenseitig, bis wir nach einem kurzen Umweg wegen ungenauer Beschilderung an unseren Ausgangspunkt zurückkommen. 

Zum Abendessen entfachen wir erneut ein Feuer und ziehen damit alle auf dem Campingplatz verweilenden Urlauber an. Trotz des Rauches habe ich den Eindruck von Mücken gefressen zu werden. Auch Sabine und Moggel geht es ähnlich, so dass wir uns bald in Maltes Bauch verkriechen, um dort unsere Extremitäten zu betrachten, die Streuselkuchen gleichen. Sogleich benennen wir uns um in „Ober-“, „Mittel-“ und „Unterstreuselkuchen“, wobei ich zum „Oberstreuselkuchen“ ernannt werde, Sabine der „Mittelstreuselkuchen“ ist und das Moggelchen der „Unterstreuselkuchen“ wird. 

 

Zum Glück darf ich meinen Ehrentitel nach genauer Inspektion von Sabines Waden schon am nächsten Tag abgeben...

Was der Tag so bringt...

Am Freitag, den 13. August, reihen wir verschiedene Aktivitäten aneinander: Für unseren „Unterstreuselkuchen“ besuchen wir einen Storchenbauernhof (https://ermland-masuren-journal.de/tykocin-europaeisches-storchendorf/), der „Oberstreuselkuchen“ wünscht den Besuch der Synagoge im historischen Tykocin und ich, als „Mittelstreuselkuchen“ möchte die zweite Gasflasche in Bialystok auffüllen lassen. Denn wenn ich nach langem Suchen schon mal die Möglichkeit zum Auffüllen gefunden habe, muss ich das ja nutzen! Wer weiß, wie lange wir ein nächstes Mal suchen müssten...

 

Am Nachmittag, der zu lang ist, um nur bei Malte zu bleiben, aber zu kurz für eine weitere geplante Unternehmung, möchten wir einen Spaziergang in einem der Parks in Bialystok machen (http://atrakcjepodlasia.pl/atrakcje-dzieci/akcent-zoo-w-bialymstoku/). Sabine und ich hatten trotz der gemeinsamen Tage kaum Zeit zum Reden und erhoffen uns nun eine Parkbank, die uns vor dem Abschied noch ein wenig Austausch ermöglicht. Kaum betreten wir den Park springt uns jedoch ein „Zoo“-Schild in die Augen. Da es ein öffentlicher Zoo ohne Eintrittspreise ist, lassen wir uns diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen und sehen dieses Mal tatsächlich aus nächster Nähe einen Bären und zwei Wölfe. Noch schöner als diese eingesperrten Tiere finde ich allerdings die Eichhörnchen, die so zutraulich sind, dass sie anderen Parkbesuchern die Nüsse aus der Hand fressen. Man kann beobachten, wie sie zuerst etwas essen und dann die weiteren Nüsse im näheren Umfeld vergraben, bevor sie erneut angerannt kommen, um Nachschub zu holen. 

 

Auch an diesem Nachmittag bestätigt sich, dass das, was einem das Leben zufällig vor die Füße wirft, nicht das Schlechteste ist – wenn man sich darauf einlassen kann...

Ein Abstecher zum Spielplatz beendet das nachmittägliche Programm. Wir schaukeln und wippen zu dritt, jagen den Seifenblasen nach und genießen die letzten gemeinsamen Stunden. 

Da es uns alle weiterhin unglaublich juckt, vermuten wir, uns erneut Grasmilben eingefangen zu haben. Gut! Dann wissen wir wenigstens, dass die Kratzerei bald wieder vollständig vorbei ist...

 

Am Abend fahren wir nach Warschau, wo wir am Rand eines Ikea-Parkplatzes übernachten. Trotz des lange anhaltenden Verkehrs schlafe ich recht gut und wir können am Morgen gleich die umliegenden Läden nutzen, um die Vorräte wieder aufzufüllen: Sabine für ihre Reise nach Hause und wir für die Weiterfahrt. Eigentlich könnten wir das immer so machen: Direkt vor dem Supermarkt parken. Wer will schon ständig in die Natur glotzen, wenn man aufwacht?

Erfinderischer Widerstand

Nach Sabines Abreise nehmen wir an einer Freeguided Walking Tour durch Warschau teil (http://kurs.walkative.pl). Der Guide spricht ausgesprochen gut Englisch und nimmt mit gängigen Klischees die Teilnehmer unterschiedlichster Nationalitäten auf den Arm. Ich amüsiere mich königlich und fühle mich durch seine Erzählungen bestätigt in meiner Annahme, dass Menschen, die in der Vergangenheit unter dem sowjetischen Regime gelitten haben, nun sehr feine Antennen für Machtmißbrauch haben und eher mit Rebellion als mit erneutem Gehorsam reagieren. In Warschau jedenfalls – so berichtet er – wäre in allen Innenräumen Maskenpflicht: Die Polen kämen dieser Pflicht auch nach, allerdings trügen die meisten davon die Maske nur über dem Kinn...

Meine Beobachtungen decken sich mit seinen Erzählungen und ich weiß nicht, ob ich das nun mutig, lustig oder inkonsequent oder gar ganz anders finde.

Diese Form von Widerstand zeigt sich auch bei anderen Gelegenheiten: Wurde die Höhe der Steuern in Abhängigkeit von der Größe der Hausfassade zur Straße hin erhoben, so bauten die Polen schmale, aber nach hinten hin lange Häuser. Die beste Position hatte man da natürlich mit einem Eckhaus...

 

Warschau erlebe ich als eine bunte Stadt: Skyscraper neben vermeintlich historischen Gebäuden. „Vermeintlich“, da Warschau durch seine fast vollständige Zerstörung im zweiten Weltkrieg, mehr nachgebaut, als tatsächlich alt ist. Chopinkonzert neben Jazzfestival, Natur an den Rändern der Weichsel neben eng verbauten Straßenzügen: Vielleicht gefallen mir die Gegensätze, weil ich dieses Spannungsfeld so aus meinem Inneren kenne...

 

Mit dem Rad erkunden wir diese Gegensätze bis in den späten Abend hinein.

Insgesamt gefällt mir Warschau von den bislang besuchten Hauptstädten am besten. Ob das an der lebendigen Führung liegt? Ich kann es nicht ausreichend begründen; vielleicht ist und bleibt es ein Bauchgefühl...

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Sabine (Samstag, 28 August 2021 18:49)

    Hi, ihr beiden! Es war eine wunderschöne Zeit mit euch. Vielen Dank für alle Federballspiele, Lagerfeuer, Wisentsuchen, Nationalparkerkundungen und für eure Freundschaft! Wenn es ferientechnisch hinhaut, bin ich gerne nochmal mit euch unterwegs.
    Bleibt weiterhin behütet! �