18. - 24.07.2021
SIGHT-SEEING ...
Auch den Sonntag verbringen wir mit Fahren und Schauen, was wir in den vergangenen sechs Wochen ja eigentlich noch nicht gemacht haben: Unser erster Stop ist auf einer Pferdefarm, da das Moggelkind sich schon so lange wünscht, auf einem Pferd zu reiten. Man könnte meinen, das sei Bestechung, denn diese Maßnahme schafft die Basis für die meckerfreie Teilnahme am weiteren Sightseeing... Nachdem ich eine Proberunde im Kreis geführt wurde, traut sich auch der junge Mann auf das beängstigend große Tier und findet tatsächlich Gefallen am Sitzen auf dem anfangs skeptisch beäugten Pferderücken.
Dann erkunden wir das Meteoritenkraterfeld von Kaali (www.visitestonia.com/de/das -meteoritenkraterfeld-von-kaali) , das uns wegen aufkommender Fragen zu einer Liste aller Meteoriteneinschläge der Welt führt und die Erkenntnis bringt, dass in Skandinavien und den osteuropäischen Ländern wirklich, wirklich viele Meteoriten gelandet sind.
Manches Mal schaffe ich es, mit einer interessanten Neuigkeit den vielen anderen Fragen, die ich leider nicht beantworten kann, zu entgehen. Der Moggel ist tatsächlich vom „Wasbär“ zur „Warummel“ mutiert. Aber besser eine „Warummel“, als ein eingefleischtes „Neinhorn“.
Rings um den Meteoritenkrater beobachten wir zahlreiche, wunderschöne Schmetterlinge.
Im Anschluss an diese Informationsflut benötigen wir dann dringend eine Pause und gönnen uns dazu ein „organic and homemade icecream“ in der selbstgemachten Waffel – so lecker, dass wir eine
zweite Portion nachkaufen und weiterschlemmen. Beim Nachschub holen können wir sogar zusehen, wie die Waffeln hergestellt und in Becher geformt werden. Vielleicht sollte ich doch irgendwann mal
noch ein Kaffee eröffnen. Falls das je passiert, dann sicher auch mit selbst gemachten Waffeln.
Abschluss des Tages ist dann der Besuch in Kuressaare (https://www.visitestonia.com/de/die-bischofsburg-von-kuressaare), wo wir durch die Burg und das kleine Städtchen schlendern. Das empfohlene Fischrestaurant ist leider völlig ausgebucht, so dass wir uns in Malte zurückziehen und dort Spaghetti mit seit der Abreise eingefrorenem Bärlauchpesto essen. Besser hätte es auch gegen Bezahlung nicht geschmeckt.
MITTEN IM NIRGENDWO kuscheln ...
Für die Nacht möchten wir auf die Halbinsel Sörve fahren und dort bei einem Leuchtturm halten. Leider ist die Straße nicht befestigt, aber da uns auch nichts anderes einfällt, fahren wir trotz heftigstem Geschaukel weiter. Unbefestigte Straßen sind in Estland nicht ungewöhnlich, wie wir inzwischen bemerkt haben. Und wozu sollte hier auch asphaltiert sein?
Um uns herum ist nichts als Wiesen, Bäume, Dreck und ab und an eine Kuh oder ein Füchslein, das die Straße überquert.
Auch der Montag, 20. Juli 2021 startet mit einem Kinderprogramm: Erst Mal wird ausgiebig gekuschelt und dann fahren wir mit dem Ziel eine Kinder-Karnickel-Stadt mit dem wundervollen Namen
„Küülikuküla“ zu besuchen quer über die Halbinsel (https://www.puhkaeestis.ee/et/kuulikukula). Natürlich fast alles auf unbefestigten Straßen. Zum Teil muss Tobias aussteigen, um Äste von der Straße
zu hieven oder zu niedere Äste zur Straßenseite zu biegen. Habe ich Straße gesagt?
Dort angekommen werden wir aber enttäuscht: Aus unerfindlichen Gründen hat der Streichelzoo geschlossen. Als Notprogramm kaufen wir Brot, dass wir den Fischen in den Teich werfen. So lange, bis
eine relativ große Wasserschlange ans Ufer geschwommen kommt und uns böse anzischt. „Bitte entschuldigen Sie die Störung! Wir fahren gleich weiter!“
Die Steilküste bei Panga mag für Estland erstaunlich sein. Da ich aber weiß, was uns in Irland erwartet – falls wir das noch erleben dürfen – bin ich nur mäßig beeindruckt. Vielleicht liegt es
aber auch daran, dass wir nun fast drei Tage ein Fahrt-Stop-Fahrt-Stop-Programm hinter uns haben und ich mich nach mehr Bewegung in der Natur sehne. Irgendwie ist durch den Besuch auch unsere
bisherige Reise-Routine etwas durcheinander gekommen...
Wir beraten, was wir nun weiter unternehmen und wie unser Roadtrip weiter geht. Direkt nach Riga? Abstecher über einen Nationalpark? Ein Tag Pause?
Wir einigen uns auf eine Nacht im Hafen von Simisti und die Weiterreise nach Pärnu (https://www.nordisch.info/estland/ostseebad-paernu/) am nächsten Tag, um dort auf dem Fernwanderweg E 9 ein paar Kilometer zu laufen (https://www.visitestonia.com/de/der-baltische-kustenwanderweg). Als alte Pilgerin freue ich mich sehr darauf und entdecke, dass ich mit unserer Pilgerreise über Ostern 2019 ja schon ein ganz schönes Stück auf dem E9 hinter mich gebracht habe. Wie schön, an diese Erinnerung nochmals anknüpfen zu können.
Windstärke 23 ...
Pärnu ist uns als Sommerferienziel der Esten angekündigt und wir stellen uns auf kitschige Souvernirläden an einer überfüllten Strandpromenade ein. Nicht nur deshalb wollen wir daher lieber den E9 laufen, als zu baden. Aber dort angekommen, bietet sich ein völlig anderes Bild: Der Strand ist relativ leer, da wir mit über 20 km/h Wind beglückt sind. Ein Wind, der den Sand durch die Kleidung in alle erdenklichen Ritzen des Körpers bläst. Baden wäre nur mit Taucherbrille oder andauernd tränenden Augen möglich.
Der Strand ist daher also leer, bis auf die vom Wind begeisterten Kite-Surfer. Was für ein farbenfrohes Getümmel auf dem Wasser. Wir möchten so gerne sofort einen Kurs belegen, um auch Kite-Surfen zu lernen, aber da dieser über 3 Tage andauert und Tobias ja am Donnerstag in Riga sein will, ist es leider nicht möglich. Nicht bei diesem Besuch Pärnus jedenfalls. Vielleicht aber beim nächsten oder bei einem Besuch an einem anderen Ort. Es liegen ja noch viele Länder vor uns!
Ozolkalns ...
Über Nacht passieren wir die Grenze nach Lettland, da wir am Dienstag im Nationalpark Gauja (https://www.entergauja.com/de/enter-gauja/uber-die-region/der-gauja-nationalpark) auf der
Gauja Kanu fahren möchten. Leider hat der Campingplatz, auf dem die gewünschte Tour angeboten wird, den gleichen Namen, wie ein Dorf, das weit im Landesinneren liegt. Ich klicke unaufmerksam das
falsche Ziel im Navigationsgerät an und als wir am nächsten Morgen die restlichen 15 Minuten Fahrt bis zum Campingplatz hinter uns bringen möchten, bemerken wir am entsprechenden
Doppelgänger-Ortsschild diesen Fehler.
Oh nein! 120 km bis zum Bootsverleih! Und das bei dieser Straßenqualität! Wie konnte mir dieser Anfängerfehler nur passieren?
Ich ärgere mich unheimlich, auch wenn ich die Erfahrung dieser Fahrt durch das Landesinnere Lettlands und die dazugehörige Nacht am Rand einer Kirche nicht missen will: Erstens, weil wir relativ
nahe an der russischen Grenze waren und damit den vermutlich ärmeren Teil Lettlands – zumindest aus dem Auto – gesehen haben und zweitens, weil wir direkt neben zwei Storchennestern geparkt haben
und den ganzen frühen Morgen mit einem ausgiebigen Klapperkonzert dafür belohnt wurden.
Im Traum habe ich mich gefragt, ob denn neben mir ein Specht sein Unwesen treibe, bis mir am frühen Morgen klar wurde, dass das bei der Fahrt häufig direkt am Straßenrand anzutreffende Tier nicht nur Storch, sondern Klapperstorch heißt und dass dieses Geräusch wohl der Grund dafür ist...
Also 120 km wieder zurück, in die Nähe von Riga, wo wir sowieso hin müssen, und zwar bitte so schnell wie möglich!
Malte ist wirklich die Beste – sie gibt auf dieser Fahrt alles und bringt uns heil mit einer Stunde Verspätung (48 Minuten laut Navigationsgerät eingefahren) am eigentlichen Ziel an.
4 Stunden lang dürfen wir auf der breiten und träge dahinfliessenden Gauja paddeln und die Natur genießen. Mir gefällt das außerordentlich gut. Und zwar nicht nur, weil ich die Steuerfrau bin und
damit am wenigsten paddeln muss, sondern einfach, weil wir draußen sind und nur unter uns. Weil wir keinen Zeitdruck haben, sondern uns treiben lassen können. Weil Zeit bleibt zum Gespräch.
Im Anschluß daran schlendern wir noch durch Cesis (https://www.nordisch.info/lettland/cesis/) und kaufen ein für das Abschiedsgrillen, das wir um einen Tag vorverlegen, da wir mitten in Riga
vermutlich schlecht grillen können. Zufällig finde ich dabei noch eine tolle Strickjacke für mich – ich bin versöhnt mit dem Tag, der so unbequem für mich begonnen hat.
Eine gute Frage
Am Abend erreichen wir telefonisch endlich meine Patentante, die am 21. Juli ihren 85. Geburtstag gefeiert hat. Nach kurzer Gratulation stellt sie
eine interessante Frage:
„Ist die Reise nun so, wie Du sie Dir vorgestellt hast?“
Ich hatte gar nicht so viele Vorstellungen. Lediglich die Liste der Länder, die ich bereisen wollte, den Ordner mit Ideen aus der wenigen Literatur, die ich durchgelesen habe, und dann die Aufzählung der Sachen, die ich machen, auffrischen oder neu lernen wollte.
Was ich mir genauso vorgestellt habe ist, dass ich den Druck nicht mehr spüre, den ich durch Corona in Deutschland verspürt habe. Das Tragen der Maske, die eingeschränkten Sozialkontakte und das sehr eingeschränkte Angebot an Gestaltungsmöglichkeiten in meiner Freizeit hat mich von Anfang an sehr belastet. Bislang haben die Menschen auf der Reise wenig Maske getragen, nie habe ich beobachtet, dass Menschen ohne Maske angesprochen oder wie in Deutschland sogar aggressiv angegangen wurden.
Kein Mensch hier hat mich bisher gefragt, ob ich geimpft sei. Was geht es auch irgendjemand an? Nach einem möglichen Fußpilz fragt mich ja auch niemand oder danach, ob ich irgendeine Geschlechtskrankheit habe.
Ich weiß, dass sich hier die Geister scheiden und ich möchte auch nur für mich sprechen und allen anderen ihre eigene Wahrnehmung lassen: Ich habe es kaum mehr ausgehalten im Land der moralischen Besserwisser und bin sehr froh, mit dieser Reise (vermutlich nur dem Anschein nach) entkommen zu sein. Vorerst.
Ich hatte es mir auch schön vorgestellt viel im Freien zu sein und neue Orte und Dinge zu erkunden. Und das ist genauso, wie ich es mir gewünscht habe.
Was anders ist, als geplant:
Ich habe nicht so viel Zeit, wie ich haben wollte. Obwohl das Wohnmobil sehr klein ist, muss man doch viel aufräumen, putzen und organisieren. Kämmt man sich im Bad die Haare, so fallen sie in der Küche auf den Boden oder auch ins Essen. Holt man etwas aus dem Kühlschrank, knipst man mit dem Po gleichzeitig das Licht im Hochbett an oder aus... Ich bin also immer wieder mit Malte beschäftigt und damit, dass wir in ihr hausen können.
Auch damit, dass hier etwas klemmt und dort etwas piepst und ich jedes Mal wieder wie der Ochse vor dem Berg stehe und die Betriebsanleitungen studiere (oder einfach wild irgendwelche Knöpfe drücke in der Hoffnung, dass sich dadurch etwas zu meinen Gunsten verändert). Der Kühlschrank hat mich drei Wochen lang mit seinem Gepiepse drangsaliert, bis Tobias zum Glück die Ursache gefunden und eine Metallplatte so verschoben hat, dass es aufhörte.
Ich habe auch gemerkt, dass mein Zeitplan relativ straff ist. Wir bleiben kaum mehr als zwei Nächte an einer Stelle und daher gilt es auch immer wieder, sich neu zu orientieren. Wo gibt es Wasser, wo ein Klo, wo kann man spülen und einkaufen. Und vor allem: Was möchten wir unternehmen? Wie kommen wir dort hin, was kostet das, wie lange dauert die Unternehmung, ist das mit kleinem Kind möglich? Freundinnen, die vor einiger Zeit auch eine derartige Reise gemacht haben, sind relativ lange an einem einzigen Platz geblieben und haben dort andere Reisende kennengelernt. Das war bei uns bislang nicht so. Dass wir möglichst viel frei stehen und nur zwei oder maximal drei Nächte pro Woche auf einem Campingplatz sind, verhindert das Kennenlernen anderer Reisender. Wir sind also viel zu zweit und haben nur ab und an andere Gesprächs- und Spielpartner als uns gegenseitig. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt ...
Eigentlich wollte ich viel weniger am Handy hängen, als in Deutschland. Stattdessen bin ich aber unheimlich auf dieses Gerät und vor allem ein funktionierendes Internet (wieviele Stunden versuche ich, überhaupt funktionierenden Empfang zu haben) angewiesen. Das Navigationsgerät im Auto kennt nur die großen Städte, aber nicht die kleinen und kleinsten Dörfer und Straßen.
Es gilt Übernachtungsmöglichkeiten zu finden und Angebote, was wir am Tag unternehmen können. Der Moggel hat Wünsche, von denen ich nicht weiß, wie ich sie ohne die Internetrecherche erfüllen sollte und dann sind da noch die 1000 Fragen, die ich nicht aus dem Stegreif beantworten kann. Und so weiter ...
Sicherlich ließe sich noch viel sagen über die Dinge, die so oder nicht so sind, wie gedacht, aber ich möchte es vorerst dabei belassen. Wer weiß, was sich noch während der Reise daran
ändert?
Fazit ist: Es ist wundervoll. Es ist aufregend. Ich werde nur einen Bruchteil der aufgelisteten Dinge schaffen ...
Der Abschied naht ...
Wir finden ein Plätzchen für die Nacht mitten im Wald. Obwohl Malte beim Parken bereits von Bremsen besetzt wird, trauen sich meine beiden mutigen Kämpfer ins Freie, um dort im mitgebrachten
Mini-Kugelgrill ein kleines Feuer zu entfachen. Zusammen mit dem leckeren Brot und der regionalen Limonade aus einem Bioladen in Cesis wird es ein schönes letztes Camperessen in der Natur.
Am nächsten Morgen, es ist inzwischen Donnerstag, 22. Juli 2021, machen wir nach Abstecher im Tierpark bei Ligatne (https://www.ligatnesdabastakas.lv/). Eigentlich wollen wir dort eine lange Liste an für diese Region typischen Tieren sehen, aber wie bislang immer haben
wir mit den Tieren kein großes Glück. Was wir sehen sind zwei faul im Dreck liegende Bären, zwei hungrige Wildschweine, in der Hitze dösende Elche, verschiedene Eulen und entgegen ihrem Namen
drei sehr muntere Siebenschläfer.
Danach fahren wir nach Riga, das wir noch ein wenig besichtigen, bevor wir zu einem Fischrestaurant wollen, um den letzten gemeinsamen Abend noch zu genießen. Leider können wir den verlangten Impfausweis für den Eintritt ins Restaurant nicht vorweisen, so dass wir nicht dort essen dürfen. Ich bin sehr verführt hier zu sagen und zu schreiben, was ich von derartigen Maßnahmen halte. Aber es ist ein vergebliches Unterfangen und so will ich einfach bei der Beschreibung der Tatsachen und meiner Gefühle belassen: Ich fürchte mich vor meiner Zukunft. Wohin gelangen wir als Menschheit unter dem Deckmantel von Corona?
Am Abend kommen wir im Stadtcampingplatz an (https://www.eurocampings.de/lettland/riga/riga-city-camping-117032/) und genießen den Luxus von Toiletten, Dusche, Spülbecken und Waschmaschine. Tobias möchte am nächsten Tag in die Stadt, aber ich bin noch nicht überzeugt. Jede Großstadt ist nach einigen Tagen ohne Menschen und Hektik immer eine Herausforderung für mich.
Am Morgen des Abflugtages fahren wir aber dennoch mit Rad, Hänger und Leih-E-Roller ins Zentrum. Ich bin erstaunt: Die beim Durchfahren recht hässliche Stadt hat eine wunderschöne und wirklich
sehenswerte Altstadt. Da wir nur 3 Stunden Zeit haben, bleibt nicht viel zum Anschauen und so schlendern wir ein wenig durch die Gassen und kaufen dann noch auf dem großen Markt bei den
Markthallen ein. Die Preise für Obst und Gemüse sind unglaublich günstig! Wie kann man so günstig anbauen? Ich würde so gerne fair einkaufen. Hier und auch zu Hause. Möglichst immer. Vielleicht
sollte ich mir das für die Zeit nach der Reise an die erste Stelle meiner To-Do-Liste stellen.
Auf dem Weg zurück zu Malte halten wir an einem Kaffee, damit Tobias noch zu seinem Recht kommt. Zeitgleich bemühen sich zwei englischsprechende Männer um denselben, letzten freien Tisch. Da wir
schneller sind und mir dies wirklich leidtut, frage ich, ob sie sich nicht zu uns setzen möchten. Im gleichen Moment bin ich mir unsicher: Darf man das noch anbieten? Am selben Tisch zu sitzen,
wenn man sich nicht kennt? So rein corona-technisch und in dieser Stadt?
Die beiden setzen sich gerne zu uns und ein reges und interessantes Gespräch beginnt. Sam und Slava kommen aus Schweden und beginnen in Riga ihren Urlaub, da Slava Lette ist und die Stadt noch gut aus seinen Studiumzeiten kennt (wirklich sehenswert: https://www.slavaruza.com/ – Slava ist professioneller Pole-Tänzer). Sam ist beeindruckt von unserem Reisevorhaben und stellt – nach dem wir das Einverständnis gegeben haben, dass er uns auf Instagram posten darf – viele gute Fragen ...
Noch eine gute Frage:
„Welche Auswirkungen hat die Reise auf Dein Kind?“
Vollständig kann ich das aktuell noch gar nicht beantworten, aber ich würde sagen, dass die Reise dem Moggelkind auf jeden Fall viele neue Einsichten bringt, die zu Hause nicht möglich gewesen
wäre. Er sieht Tiere, Menschen, Städte, Länder und all diese Eindrücke bringen auch Fragen mit sich, die sonst vielleicht nicht aufgetaucht wären.
Ich habe den Eindruck, dass auch das Leben im Wohnmobil viele Erfahrungen mit sich bringt, die in Tübingen nicht zu machen sind: Wasser kommt nicht unendlich aus dem Hahn, Pipi und Kaka verschwinden nicht einfach in einem Rohr, technische Geräte können aufgrund fehlenden Stroms nicht ewig benutzt werden ... Unsere Ressourcen sind viel endlicher als normalerweise und bringen uns dazu, anders hauszuhalten, als zu Hause. Es ist auch nicht immer alles wieder sofort verfügbar: „Mama, ich halte es noch aus, bis wir da sind!“ oder „Puh, das stinkt!“ – beim Kloleeren – ist auch ein wichtiger Lerneffekt auf der Reise. Zu Hause wird das ja alles von anderen für uns erledigt.
Auf Nachfrage antworten mir verschiedene Freunde, dass sicherlich auch ein Zuwachs an Selbständigkeit gegeben ist. Da wir uns ständig neu organisieren müssen kann ich nicht alles übernehmen und gebe viel mehr Aufgaben auch an den Moggel ab: Seine Zuständigkeit ist beispielsweise das Fenster schließen, den Strom anschließen, das Kopfkissen aufschütteln, die Gurke schneiden oder das Wäsche in die Maschine werfen. Diese Tätigkeiten darf ich nur im Notfall übernehmen, denn ansonsten werde ich auch scharf gerügt: „Mama, ich bin zuständig für den Strom! Du darfst das Kabel nicht anschließen. Das mache ich!“
Auch das alleine Anziehen klappt inzwischen gut.
Außerdem muss sich das Kind auch immer wieder alleine beschäftigen, da ich verhindert bin und keine anderen Kinder oder Erwachsenen zur Verfügung sind.
Ich bin mir sicher, dass ein Leben ohne Fernsehen und mit sehr wenig Spielzeug, dafür aber viel Zeit in der Natur und Bewegung mehr Ausgeglichenheit mit sich bringt. Da der Moggel aber schon
vorher – Rückmeldung vom Kindergarten – unheimlich in sich ruht, bemerke ich hier vielleicht nicht so große Unterschiede zu vorher oder betrachte das bereits als selbstverständlich.
Neu ist mir jedenfalls sein Drang nach Abenteuer, der sich auf der Reise deutlich zeigt. „Jetzt haben wir schon zwei Mal hier übernachtet, Mama. Wann geht’s endlich weiter?“, hätte mit unserem
festen Wohnsitz gar keinen Sinn gemacht.
Wenn ich das Kind frage, welche Auswirkungen dieses Leben mit sich bringt, sagt es fröhlich: „Keine!“. Ich verstehe das als „keine schlechten“ und hoffe einfach, dass das stimmt.
Leider müssen wir irgendwann gehen. Ich hätte mich noch länger unterhalten können, da ich ja 90% meiner Zeit nur Gespräche mit meinem Vierjährigen führe und diese Abwechslung genieße. Aber Tobias Check-In-Zeit ruft ...
Abschiedsblues ...
Auf der Fahrt zum Flughafen meldet sich das Moggelkind: „Ich bin voller Vorfreude!“. „Voller Vorfreude auf was?“, frage ich etwas verdutzt. „Dass wir jetzt bald wieder mehr Platz haben“, antwortet der ehrliche kleine Kerl. Zum Glück kann Tobias darüber schmunzeln. Wir drücken uns für die nächsten zwei Monate das letzte Mal feste und schon ist er weg, der gute Mann.
Bei mir hat der Abschiedsblues ja schon am Vorabend angefangen – er hält auch den ganzen Freitag über an. War schon schön zu dritt. Auch wenn der Moggel nicht Unrecht hat: Zu zweit hat man viel
mehr Platz in Malte. Vielleicht kann man es sich so vorstellen: Wer sperrt sich freiwillig mit Kleidern, Lebensmittel, Beschäftigungsmöglichkeiten, Kind und Mann für zwei Wochen in sein Bad mit
12 m2 Fläche? Ich bewundere alle Familien, die das zu viert für die Zeit eines Jahres machen. Wirklich! Hut ab! Mit zwei Wohnmobilen kann ich mir das vorstellen; aber in einem? Ne, ne...
Die Nacht auf Samstag parken und schlafen wir in einem Wohngebiet. Besser gesagt: Ich versuche zu schlafen. Interessant, wie schnell ich manches an andere abgebe, wenn ich die Möglichkeit dazu
habe. In Tobias Anwesenheit habe ich mich sicherer gefühlt, obwohl er ja nicht unbedingt der ist, der sich verbal oder physisch je für meine Verteidigung eingesetzt hat ...
Vergnügungen ...
Am Morgen fahren wir zum Lido, das uns empfohlen wurde (https://www.lido.lv/en/), in der Hoffnung dort
vielleicht frühstücken zu können. Aber sowohl das Restaurant als auch der Vergnügungspark für die Kinder öffnen erst nach 10.00 Uhr. Wir „drücken“ uns daher noch ein wenig rum. Flugzeuge
beobachten. Sprudel einkaufen. Malte pflegen. Malen. Musik hören. Uns gegenseitig erzählen, was wir erleben möchten.
Als der Park öffnet fahren wir gleich mit dem Elektro-Schwimm-Schwan. Natürlich kommt auf die ellenlange Wunschliste des Lieblingskindes nun auch ein Elektro-Schwimm-Schwan. Zum Glück ändert sich
diese Liste ständig, denn was sollte ich in unserer Wohnung mit einem Elektro-Schwimm-Schwan anfangen?
Nach einer Kettcar-Fahrt bekommen wir Hunger und begutachten die ganzen lettischen Leckereien, die im Lido auf meterlangen Buffets angeboten werden. Da Moggel am Anfang der Reise entschieden hat, dass wir nun vegetarisch leben, kommt gefühlt 90% des Angebots nicht auf unseren Teller. Manchmal weiß ich nicht, ob ich die Ideen meines Kindes anstrengend oder genial oder beides finden soll. Muss ja kein Widerspruch sein.
Letztlich essen wir eine Art Kartoffelgratin, Spinatpfannkuchen, Nudelpfanne und Käsekuchen mit Rosinen. Dabei bewundern wir das Wassermusikspiel, das zu Klassikern und Hits Wasser in verschiedenen Höhen, Richtungen und Farben verspritzt. Es ist Moggelchens erstes Wassermusikspiel und auch ich habe schon lange keines mehr gesehen. Wieso eigentlich nicht?
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