04. - 10.07.2021
Ein Geschenk von Finnlines...
Da die versprochene Bestätigungsemail für die umgebuchte Fähre nicht kommt, mache ich mich am Samstag nochmals daran, irgendjemanden bei Finnlines zu erreichen. Ich klappere alle im Internet auffindbaren Telefonnummern und Service-Hotlines und Beschwerde-Emailadressen ab, aber natürlich ist niemand zu erreichen. Es ist ja auch Samstag!
Nach 1,5 Stunden suchen, schreiben und telefonieren erreiche ich schließlich jemand am Hafen, der uns zusichert, dass wir einen Platz auf der abendlichen Fähre haben und auch nichts mehr an
Dokumenten benötigen für die Überfahrt. Ich bin unheimlich erleichtert und freue mich nun endlich auf Finnland.
Im Fährhafen warten nur wenige Autos und Wohnmobile, aber Unmengen an LKWs. Wir dürfen zum Glück vor den großen Brummern an Bord und werden auch gleich herzlich empfangen und eingewiesen. Gas
müssen wir abstellen und erhalten stattdessen Bordstrom. Das heißt, ich darf beim Einsteigen auf keinen Fall vergessen, das Gas wieder anzuschalten. Denn wenn ich erst die Geräte einschalte und
dann das Gas, erhalte ich Fehlermeldungen, zu deren Behebung ich wieder ein Mal alle möglichen Profis konsultieren muss... Manche Fehler macht man nur ein Mal!
Unsere Kabine ist im Vergleich zum Wohnmobil sehr geräumig und hat sogar ein eigenes kleines Bad mit Dusche. Da es für Moggels Routine schon relativ spät ist, gehen wir gleich an Deck 11 in
Restaurant. Schließlich haben wir auch Abendessen und Frühstück geschenkt bekommen und das lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Es gibt reichlich Auswahl und zum Abschluß fürs Kind zwei große
Kugeln Eis und fünf Minuten Schwimmen im Bällebad. „Bevor wir schlafen gehen, werfen wir aber einen letzten Blick aufs Meer“, wünscht sich der kleine Mann. Da sage ich nicht „Nein“ und wir
bewundern einen leuchtenden beginnenden Sonnenuntergang.
Kaum liegt der Moggel im Bett, beginnt das Jammern: „Es ist so laut, da kann ich nicht schlafen. Ich bleibe die ganze Nacht wach!“. „Pustekuchen! Du kannst die Kopfhörer haben!“. Zum Glück kann
man mit denen nicht nur Musik hören, sondern auch Geräusche dämmen. Es dauert keine 5 Minuten, bis er tief und fest schläft. Ich warte noch ein wenig und verdrücke mich dann wieder auf Deck 11,
denn dort gibt es eine Sauna. Juhu! Das wird ein toller Abend!
Kontakt auf händisch und füssisch – oder auch noch anders ...
Nach circa 10 Minuten betritt ein dicker Mann meine Sauna. Es ist unüberriechbar, dass er sowohl Alkohol, als auch Zigaretten konsumiert hat. Ich denke sofort, dass ich aufgrund der Schilder an
der Tür davon ausgegangen bin, ich wäre in einer Frauensauna...
Vielleicht ist aber auch nur die Umkleide getrennt?
Wir beginnen stockend ein Händisch-Füßisch-Gespräch. Er heißt Sergej, ist LKW-Fahrer, 36 Jahre alt und kommt aus der Ukraine. Er mag Bier und raucht und spendiert mir, da ich beides ablehne, eine Schokolade.
Als wir zum Abkühlen ins Freie gehen, stutze ich erneut: Die Türe, die ich für den Zugang zur Sauna aus der Männerumkleide gehalten habe, führt direkt auf das offene Deck. Gibt es dann doch eine separate Männersauna? Wo ist er gleich nochmal reingekommen? Durch die Frauenumkleide? Durch den Stöpsel aus dem nicht befüllten Jacuzzi? Mir dämmert's...
... und tatsächlich fragt er mich dann nach dem zweiten Durchgang, welche Kabinennummer ich habe...
Lass mich mal überlegen! „Ich glaube, es war die 7008!“ Ja, genau: Für Dich war es die 7008. „Sollen wir noch in meiner Kabine reden?“ Reden? Ukrainisch oder was? „Oder Massage?“. Äh, nein! Definitiv: „Nein!“. Ich geh dann doch lieber schlafen... und zwar allein!
Den wahnsinnig schönen Sonnenuntergang auf Deck zwischen den Saunagängen vergesse ich aber trotzdem nicht. Und überhaupt: Wer war denn schon mal auf einer Fähre in der Sauna? Also ich nicht. Und gebucht hätte ich so was schon gleich gar nicht für mich. Das lasse ich mir lieber schenken.
Vielen, vielen lieben Dank, du gute Fee am anderen Ende der Telefonleitung, die Du uns so ein tolles Erlebnis, so eine luxuriöse Überfahrt ermöglicht hast.
Quarantäne als Camper...
Sonntag früh morgens kommen wir in Naantali an und werden ein weiteres Mal gebeten, einen Coronatest vorzuzeigen. Außerdem sollen wir über Finentry unsere Anwesenheit in Finnland buchen und auch bei der Testkontrolle werden meine Daten und meine geplanten Aufenthaltsorte aufgenommen. Finnland reagiert also ganz anders als Schweden auf die Pandemie.
Schon montags erhalte ich einen Anruf vom Healthcenter, wann ich denn einen Termin für die zweite Testung haben möchte. Ich vertröste die Dame auf Mittwoch. Schließlich sind wir ja auch später angekommen als geplant.
Den Sonntag verbringen wir mit dem Stand Up Paddleboard auf dem Meer. Da können wir niemand anstecken. Moggel findet diese Quarantäne trotzdem doof und als ich mir später das bei der Einreise
erhaltene Merkblatt durchlese, sind alles nur Empfehlungen. Also setzen wir für Montag unseren Menschenverstand ein und fahren mit dem Rad nach Turku. Dort halten wir dann einfach brav Abstand
und befinden das für ausreichende Selbstisolation. Im Dom Turkus liegt ein Flyer für einen kleinen Pilgerweg aus. Wir freuen uns und wissen gleich, dass wir damit den Tag verbringen werden: Vier
der dort beschriebenen Kirchen auf dem Weg von „Helena and Peter“ (https://evl.fi/etusivu) möchten wir
besuchen. „Vier reicht. Das ist so, wie ich alt bin!“, stellt das Kind fest, denn schließlich soll auch noch Zeit bleiben zum Spielen. Am Vorabend nämlich haben wir die Spielekiste geplündert und
dabei „Halligalli“ und „Uno Junior“ für uns entdeckt.
Vier Kirchen klingt ja nicht gerade viel, aber wir brauchen eine gefühlte Ewigkeit dafür, denn wir haben nichts in der Hand, als die im Pilgerpass abgedruckte Landkarte. Handyakku ist leer
und meine Ortskenntnis leider beschränkt. War ja noch nie in Finnland... Aber gut, so lerne ich wenigstens in meiner Selbstisolation ein paar Finnen kennen. Die, die ich nach dem Weg fragen muss.
Gefühlt ist das die halbe Einwohneranzahl von Turku (naja, in echt waren es 5). Sie sind alle sehr hilfsbereit, aber am Ende des Tages haben wir statt den geplanten 30 km doch fast 60 km hinter
uns. Ich bin platt und fühle mich wirklich endlich mal wieder ausgepowert. Bei Malte angekommen, die seit unserer Ankunft in Finnland im Hafen von Naantali steht und wild campt, springen wir erst
Mal für eine Abkühlung ins Meer. Herrlich!
Unesco-Weltkulturerbstücke ...
Abendessend planen wir die Route für morgen: Das Wetter scheint trübe zu sein und es wird ein Besichtigungs- und Fahrtag werden. Rauma ist unser nächstes Ziel.
Dort bewundern wir gleich zwei Weltkulturerbestätte an einem Tag: Zum einen die Altstadt von Rauma, eine der ältesten Hafenstädte Finnlands, die noch vollständig aus alten Holzhäusern besteht und zum anderen die bronzezeitlichen Grabhügel von Sammallahdenmäki, die ganz in der Nähe von Rauma in einem Waldstück liegen (beides unter https://www.visitfinland.com/).
Die Wohnungen bei ersterem sehen wirklich schnuckelig aus und das Schlendern durch die Gassen vermittelt absolut Urlaubsgefühl. Die bei zweiterem sind ebenso imposant, nur eben auf ganz andere Weise: Dass hier schon vor über 3000 Jahren Menschen gelebt haben und beerdigt worden sind, ist schon ein ganz besonderes Gefühl, denn eigentlich wirken die Steinhäufen, wie vor kurzem per Bagger wahllos abgeworfen. Der Wald allerdings bietet viele verschiedene Arten von Moos, von denen besonders das ganz helle gefällt.
Wenn ich wüßte, dass das bei uns auf dem Friedhof auch anwächst, und ich schon bald wieder dort sein könnte – heute ist der 6. Todestag von Talitha – ich würde tatsächlich ein wenig davon klauen und mitnehmen. Dem ist aber nicht so und ich lasse das Moos dort, wo es hingehört: In den finnischen Wald.
Ein finnisches Jucken ...
Den ganzen Tag über bemerken wir Stiche an uns, die ohne entsprechende Insekten gekommen zu sein scheinen und dafür doppelt so stark jucken, wie die anderen Stiche. Haben wir uns irgendwo Milben
eingefangen? Ich denke ja, bin aber unsicher, um welche es sich handelt: Hausstaubmilben? Eher unwahrscheinlich, da wir ja keinen Teppichboden haben und auch schon mehrere Wochen in Malte hausen
ohne jeden Effekt auf unsere Haut. Grasmilben? Das könnte sein, denn wir sind ja die ganze Zeit im Freien...
Was auch immer es ist: Es ist sehr unangenehm und ich beschließe, dass wir einen Putz- und Tanktag einlegen. In Tampere suchen wir uns daher einen Campingplatz, waschen die Bettwäsche, lüften die
Matratze in der Sonne aus, putzen und schrubben Malte innen kräftig durch, waschen die getragene Wäsche, leeren Grauwasser- und Toilettentank und füllen Frischwasser und Benzin auf. Auch der
Kühlschrank freut sich über eine Neubefüllung. Beim Einkauf gelingt es mir dann zum zweiten Mal statt Mineralwasser ein Wasser mit Fruchtgeschmack zu erwischen. So ist das, wenn man keine der
Sprachen spricht, die auf dem Etikett und bei den Inhaltsstoffen aufgeführt sind.
Der Moggel freut sich und ich nehme mir fest vor, beim nächsten Einkauf zu Lidl zu gehen, den es hier an jeder Ecke gibt. Da weiß ich wenigstens, dass das Mineralwasser „Saskia“ heißt.
SCHWABEN IN FINNLAND
Tampere bietet uns abgesehen davon Zeit und ausreichend Möglichkeiten unser Geld für Vergnügungen auszugeben: Wir spielen Minigolf und gehen das erste Mal Essen. Das Moggelkind genießt ein Croissant für 3,90 Euro sowie eine Kugel Mango-Eis für 3,50 Euro und ich schnabuliere an ein paar Blättchen Caesar-Salad für sage und schreibe 12,00 Euro. Schweden war ja wirklich günstig im Vergleich zu Tampere – zum Glück hatte keiner von uns beiden Lust auf ein Stück Kuchen ...
Dennoch hat Tamepere eine wirklich nette Innenstadt mit einer Mischung aus alten und sehr modernen Gebäuden (https://www.dein-finnland.de/13-tipps-fuer-einen-aufenthalt-in-tampere/).
Wie gut, dass in Malte ein gut gefüllter Kühlschrank auf uns wartet, so dass wir unseren Hunger doch noch stillen können.
Tagesabschluss soll dann ein Abendspaziergang im Arboretum werden, aber kaum am Flussufer angekommen, entdeckt der Moggel eine Hand voll Jetski, die übers Wasser flitzen. Natürlich brechen wir den Spaziergang an dieser Stelle sofort ab, um zum Anlegesteg zu rennen und diese schnittigen Wasserfahrzeuge beim Anlegen zu beobachten. Er würde zu gerne damit fahren! Aber heute ist das zeitlich nicht mehr drin.
Über Nacht und am verregneten nächsten Vormittag fahren wir die fast 400 km zum Saimee-See. Dort möchten wir drei Tage bleiben und die wunderschöne Landschaft genießen. Natürlich hoffen wir auch die bekannten, vom Aussterben bedrohten Ringel-Robben zu sehen, wenngleich es von der Jahreszeit vermutlich schon zu spät dafür ist (https://www.gosaimaa.com/news/Population-der-Saimaa-Ringelrobbe-wachst/isgsrqqu/34b27179-8368-4436-be7a-33c08255db75).
Die Saimaa-Ringelrobbe
Unseren ersten Versuch unternehmen wir bei einem langen Waldspaziergang, dem Norppapolku Trail (https://www.outdooractive.com). Mit dem Kinderwagen zusammen erklimmen wir aussichtsreiche Felsen und sehen und pflücken viele, viele Heidelbeeren, aber ein Blick auf die Robben bleibt uns verwehrt.
Der zweite Anlauf ist eine Bootsfahrt mit Artos umweltfreundlichen Ökoboot (https://www.lakelandgte.fi/de/). Aber auch hier sehen wir keine der vom Aussterben bedrohten Robben.
Kein Wunder eigentlich, denn der Saimaa-See hat eine Fläche von 4.400 Quadratkilometer und bietet etwa 440 Robben Raum. Im Juli sind sie nur beim Atmen zu beobachten, kommen also alle 3-5 Minuten für etwa 20 Sekunden an die Wasseroberfläche und bleiben sonst unter Wasser. Unsere Chancen waren von Anfang an übersichtlich!
Wir lernen bei der Bootsfahrt aber alles mögliche über Finnland, Puumala und die dort ansässige Tierwelt kennen und dürfen tatsächlich mit dem Fernglas zwei Seeadler-Neste mit mehreren Jungvögeln beobachten.
An den Tagen, die wir dort mit Blick auf den See wild campen, findet in Puumala im Hafen auch ein Bootsrennen statt. Wir mischen uns unters Volk und hören einem Chor zu, der im Hafen von einem
Schiff aus finnische Volkslieder zum Besten gibt. Ich verstehe leider nichts vom Text, aber die Melodien sind so berührend, dass mir die Tränen kommen...
Wirklich: Es ist der Gesang des Chores und nicht der Preis für das Eis, das der Moggel essen durfte, der mir die Tränen in die Augen treibt!
Unwillkürlich denke ich an Gabriellas Lied aus dem Film „Wie im Himmel“ – auch wenn dieser in Schweden spielt.
Ich will spüren, dass ich lebe,
Jeden Tag ganz neu:
Offen, mutig, stark und frei.
Ich will leben und will sagen:
Ich bin gut so, wie ich bin.
Ich hab mein Selbst nie verloren,
Lies es manchmal einfach nur schlummern.
Doch nun ist es in mir erwacht
Und nun strahlt es in mir und lacht.
Ich will leben,
glücklich sein, so wie ich bin:
Offen mutig stark und frei.
Die Zeit hier geht so schnell vorbei!
Ich will wachsen, staunen über diese Welt
Und den Himmel, den find ich hier,
Wenn ich daran glaube und ihn suche in mir.
Ich will sagen: Ja, ich hab gelebt!