27.06. - 03.07.2021
Von Mücken geplagt ...
Am Samstagabend treffen wir nach 2 Stunden Fahrt mit einem vorher getätigten Großeinkauf im Naturreservat Glaskogen (www.glaskogen.se) wieder auf Tassilo, Marco, Nadze und die Kinder. Der Campingplatz ist wunderbar im Wald gelegen und auf den ersten Blick nur von Deutschen besucht.
Auf den zweiten Blick ändert sich dieser Eindruck: es gibt viele unserer Landsleute dort, aber noch mehr Mücken. Es gibt nicht nur noch mehr, sondern unglaublich viele Mücken dort. Kaum verlässt man das Wohnmobil wird man gestochen. Nein, man muss das Wohnmobil noch nicht mal dazu verlassen. Man kann auch im Wohnmobil gestochen werden. Beim Schlafen, beim Essen, bei was auch immer...
Am nächsten Morgen zähle ich die Stiche eines der Kinder im Gesicht und am Hals: 42 Stück! Arme und Beine habe ich vorsorglich gar nicht erst beachtet. Vermutlich wäre es dreistellig geworden...
Hier werden das arme Moggelkind und ich nicht alt, denn wir beide sind ja schon in Deutschland das gefundene Fressen für diese Mistviecher. Wir verschanzen uns also wann immer möglich im Fahrzeug
und lassen uns nur für eine Kanutour mit Tassilo und seinen Kindern auf dem See herauslocken. Da es Sonntag ist und wir ja den Sonntag mit Zucker „feiern“, gibt es beim Landgang Kanelbullar. Im
Gespräch wird aber klar, dass auch die anderen hier nicht lange bleiben werden und so trennen sich unsere Wege schon am darauf folgenden Tag, den wir eigentlich als Tassilos Geburtstag noch
gemeinsam begehen wollten; also zumindest ich hatte mir das so vorgestellt. Da Tassilo aber gar nicht gefeiert werden will – zumindest nicht anlässlich des Geburtstags – fahren die beiden anderen
Wohnmobile noch etwas weiter nördlich, während wir uns auf den Weg machen Richtung Stockholm.
Halt, das hätte ich fast vergessen: in aller Eile – da verfolgt von Mücken – nehme ich eine weitere Hürde. Zusammen mit Tassilo werfe ich den Generator das erste Mal an. Juhu, ein weiteres
„erstes Mal“ überstanden. Und das ganz ohne Schaden! Ich fühle mich mit jedem Mal erwachsener.
Hauptsache gefahren ...
Eine Pause in Karlstad will ich eigentlich nutzen für eine Radtour auf dem Klarälvsbanan-Radwanderweg. Leider ist er aber nicht zu finden: entweder, weil mein Schwedisch zu schlecht ist, um die Schilder zu lesen oder, weil er so unbekannt ist, dass uns selbst die befragten Schweden nicht die richtige Auskunft auf Englisch geben. Sei´s drum. Wir fahren einfach so ein wenig Rad und suchen uns danach ein wunderschönes Plätzchen zum Übernachten auf einer Ausweichstelle in einem abgelegenen Wohngebiet mit Ausblick aufs Wasser.
Ich glaube, das Parken dort war eher nicht erlaubt. Daher kein Link an dieser Stelle; aber ein Bild von unserem leckeren Frühstück.
Unter Wasser ...
Ziel für den Dienstag ist dann ein schnöder Campingplatz mit Freibad bei Hallstahammar (Skantzö-Bad, https://www.hallstahammar.se/). Ich will nach monatelanger Abstinenz endlich mal wieder Bahnen ziehen und habe mir auch eine Pause von den Stechmücken verdient. Für den Moggel ist das Wasser natürlich ein riesiger Spaß und wir tauchen das erste Mal so richtig gemeinsam, in dem wir uns immer wieder nach „1, 2, 3 – Luft anhalten!“ auf den Beckenboden setzen.
Am Abend nutzten wir zum zweiten Mal unsere Waschmaschine und setzen erneut die Heckgarage unter Wasser. Ach, wir werden es sicher noch lernen. Immerhin haben wir dieses Mal so gewaschen, dass
die Wäsche auch noch trocknen kann und nicht nach Katzenpipi riecht.
Der am Morgen festgestellte Wasserrohrbruch in Maltes Bad wird nicht repariert. Ich beschließe, dass wir fortan einfach nur noch das Waschbecken in der Küche nutzen und frühestens in Finnland
eine Lösung für dieses Problem suchen. Denn die restlichen Tage in Schweden will ich Stockholm widmen und nicht in irgendeiner Werkstatt verbringen.
An der Rezeption wird uns dann doch eine Werkstatt in der Nähe unserer sowieso geplanten Route empfohlen. So verbringen wir den ganzen regnerischen Vormittag damit, diese zu finden, um dann
festzustellen, dass ausgerechnet das Wasserrohr in der von uns benötigten Dicke nicht erhältlich ist. Zum Glück sind wir beim Lebensmittelkauf erfolgreicher. Ich will für die mögliche Quarantäne
in Finnland gerüstet sein und nicht mit leerem Kühlschrank auf die Fähre.
Stockholm
In Stockholm angekommen ist leider kein Platz mehr auf den beiden städtischen Campingplätzen. Wir finden aber etwas außerhalb im Wohngebiet eine gute Parkmöglichkeit mit Turngeräten fürs Kind und sind am Ende froh, die Gebühr gespart zu haben. Für einen Bruchteil der Ersparnis gönnen wir uns nämlich einen neuen Kochlöffel und eine Beleuchtung für den Kleiderschrank.
Stockholm selbst erkunden wir mit Rad und Anhänger. Das ist sehr praktisch, denn laufend kann man viel weniger sehen. Abgesehen davon scheint Stockholm eine absolute Fahrradstadt zu sein. Neben den Straßen sind fast ebenso breite Radwege, die vielfach befahren werden und ein schnelles und recht ungefährliches Vorankommen ermöglichen. Moggel lässt sich für die Kunstwerken von Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely begeistern. Aber nicht zu früh gefreut: nur eine Minute später wünscht er sich in die Achterbahn des gegenüberliegenden Vergnügungsparks. Wie vielfältig die Interessen in diesem Alter noch sind und wie wenig es braucht, um eine Stunde Zeit an einer Stelle zu verbringen...
Wieder einmal fallen wir am Abend erschöpft in unsere Betten.
Am nächsten Morgen machen wir uns nochmals auf in die Innenstadt Stockholms. Dieses Mal besuchen wir verschiedene Kirchen: St. Eugene (https://www.sanktaeugenia.se/) und St. Klara (https://clarakyrka.se), das bekannte Kaufhaus Nordiska Kompaniet (https://www.nk.se/) und Östermalms Saluhall, die wunderschöne Markthalle mit lauter schwedischen Leckereien (https://www.ostermalmshallen.se).
Den Nachmittag verbringen wir dann damit doch noch eine Testmöglichkeit für Covid zu suchen, da bei der Ankunft am Wohnmobil eine Email vorliegt, dass für die Fährüberfahrt ein negatives
Testergebnis notwendig ist. Als wir mit dem Auto zu dieser Teststelle fahren, übersehe ich fast eine Höhenangabe vor der Einfahrt in einen Tunnel. Erst in letzter Minute kann ich bremsen und auf
der zweispurigen Fahrbahn die Warnblinkanlange einschalten. Der Schwede hinter mir reagiert erstaunlich gelassen und weicht auf eine andere Fahrbahn aus, so dass ich mit Malte zurücksetzen kann,
um eine Umgehungsspur zu nehmen. Gerade nochmal Glück gehabt! Ich war so in die mir unbekannte Wegführung vertieft, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, Malte könnte für irgendeine
Strecke zu hoch oder zu breit sein.
Bei der Teststation gibt es leider keine Parkmöglichkeit, weshalb wir uns ganz dreist ins Parkverbot stellen und so schnell wie möglich den Test hinter uns bringen. Im Vergleich zu den zwei
bisherigen Antigen-Tests, die ich nicht umgehen konnte, wird das Teststäbchen hier kräftig in die Nase eingeführt. Mir schießen bei beiden Nasenlöchern die Tränen aus den Augen und es bleibt den
ganzen Mittag über ein unangenehmes Gefühl. Als die Testergebnisse nicht nach den versprochenen maximal 4 Stunden da sind, werde ich nervös. Was, wenn irgendetwas schief lief und wir die Fähre
morgen gar nicht nehmen können? Gegen 24 .00 Uhr trudelt die heiß ersehnte Email mit dem negativen Ergebnis ein. Ich bin erleichtert...
Langer Abschied von Schweden ...
Aber nur bis zum Morgen, denn um 7.00 Uhr kommt eine SMS, dass die Fähre aufgrund technischer Probleme leider nicht fahren kann. Also beginnt das Recherchieren und Telefonieren von vorne. Ich komme dieses Mal allerdings recht schnell an eine sehr freundliche Dame, die uns für Samstagabend eine Fähre mit Außenkabine verspricht. Leider merke ich mir nicht ihren Namen und vertraue darauf, dass sie mir die versprochene Bestätigungsemail für die neue Buchung schickt. Aber ich warte umsonst: es kommt keine Email. Die Fahrt nach Finnland beginnt also schon mit Abenteuern! Und wieder einmal mit warten...
Den uns geschenkten Tag in Schweden verbringen wir auf einem Bauernhof mit Wildgehege und Caravanparkplatz (https://www.park4night.com/lieu/249558/). Wir parken in Seenähe und können am Morgen eine 2-stündige Stand Up Paddel Tour unternehmen.
Um die Mittagszeit nehmen wir an einer Fahrt durch das Wildgehege teil und dieses Erlebnis wiegt jeden Frust über die verschobene Fähre auf: Rothirsche, Rehe, Wildschweine, Mufflons, Bisons umkreisen die Hänger, die von einem Traktor durch das Gehege gezogen werden und alle sind so zutraulich, dass sie einem das vorher vom Bauern ausgeteilte Brot fast oder manche auch tatsächlich aus der Hand fressen. Man kann die Köpfe, Geweihe und Rücken der Tiere streicheln und Bekanntschaft mit mancher großen, nassen Zunge machen.
Am Nachmittag radeln wir ein wenig durch die Gegend und lernen dann am Abend unsere erste deutsche Familie auf unserer Reise kennen. Bine und Benjamin aus Berlin sind mit ihren zwei Kindern seit einem Jahr im Wohnmobil unterwegs und haben genau die Tour hinter sich, die wir noch vor uns haben. Gemeinsam drehen wir mit den Boards eine Abendrunde auf dem See und unterhalten uns gleich sehr vertraut. Jetzt ist es fast schon schade, dass wir morgen Abend eine Fähre haben. Naja, vielleicht haben wir sie ja auch nicht!
Die krasseste Sache der Welt...
Da ich in einem kleinen Dorfladen drei getöpferte Anhänger für Talithas Geburtstag gefunden habe, möchte auch der Moggel etwas für sie kaufen. „Etwas ganz krasses, was es nur im Internet gibt. Nicht so etwas Blödes, Süßes, wie Du!“. Er weist mich an, was ich in Google eingeben soll: „Krasseste Sache der Welt“. Dann schauen wir die Bilder dazu an – zum Glück habe ich vorher noch auf „Shopping“ gedrückt und damit wohl einiges gefiltert...
Nachdem wir ein Windspiel mit 2 Metern Durchmesser leider ausschließen müssen, er alle Gartenzwerge nicht krass genug findet und Engel ja genauso süß sind, wie meine doofen Anhänger, finden wir, dass eine grüne Petroleumlampe genau das richtige für den Geburtstag ist. Beim Preis ist er sehr großzügig: „Es soll auch etwas Teures sein!“. Wie lieb kann man zu einer nie auf Erden gekannten Schwester sein als kleiner Bruder? Alle Rangeleien des Tages über die weltbewegenden Fragen, wie etwa „wer darf den Strom ausstecken?“, „wann gibt es Abendessen?“, „warum soll ich mich alleine anziehen?“, sind in diesem Moment vergessen.
Die letzte Schwedenwoche und das alleine Reisen war nochmals eine neue Herausforderung.
Ich bin nun die einzige Ansprechperson für den Moggel und das merkt man seiner, aber auch meiner Gemütslage deutlich an. Doktor Blutrich läuft quasi an loser Leine und es gibt täglich kleine Reiberein, weil ihm oder mir dies oder jenes nicht passt. Ich hoffe, wir gewöhnen uns noch an diese Form des Reisens und finden beide wieder mehr Zufriedenheit. Immerhin gehen wir jeden Abend kuschelnd ins Bett und vergessen die vielen Mini-Momente, die den Tag kurzzeitig schwer gemacht haben. Auch hier kann ich noch so viel vom heiß geliebten Moggel lernen: Ärgern ist ärgern, freuen ist freuen und vergessen ist vergessen. Jeder Moment wird gelebt und weder der in der Zukunft, noch der in der Vergangenheit ist im Jetzt noch wichtig. Außer natürlich der Moment vor – äh, wieviel Tagen – als ich nicht in dieses Loch getroffen habe und wir keine Kuschelkatze mit nach Hause nehmen durften.
„Mama, ich bin immer noch sauer mit Dir, weil Du nicht getroffen hast!“. Wenn das der einzige Grund ist, mein kleiner Schatz...