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TEIL I: 3. WOCHE – SCHWEDEN: KUNTERBUNT DURCH'S LAND

20. - 26.06.2021

Pipi in der Villa Kunterbunt ...

Welch ein Glück, dass der Süßigkeiten-Sonntag auf den Tag fällt, an dem wir Astrid Lindgrens Welt besuchen (https://astridlindgrensvarld.se/en/). Das wird zwar teuer für uns, aber der größte Spaß für die Kinder.

Astrid Lindgrens Welt in Vimmerby ist für uns alle eine Attraktion. Neben den Gebäuden aus den Geschichten, die man alle besichtigen kann – am besten hat die mir Hütte von Sophia aus dem Kirschblütental gefallen – , gibt es ausreichend Spiel- und Erholungsmöglichkeiten für jung und alt: Rutschen, Kletterwände, Wasserspiele, Tiergehege, Dosenwerfen, Souvenirläden und so weiter und so fort. Schauspieler führen Auszüge aus den verschiedensten Büchern auf und laufen in der Zeit zwischen den Vorführungen durch den Park. Selbst Pipis kleiner Onkel ist dabei. Auch wenn alles auf Schwedisch ist, gewinnen wir eine viel klarere Vorstellung von den Geschichten. Wir sehen ein Theaterstück von „Pippi Langstrumpf“, „Ronja Räubertochter“ und „Michel aus Lönneberga“. Diese Aufführungen wecken im Moggel die Lust, sich auf neue Hörspiele einzulassen und in den kommenden Tagen hören wir die Geschichten von Michel hoch und runter. Selbst zum Einschlafen muss es nun Michel sein. Es läuft quasi wie geplant und das Buch, das ich vorsorglich mitgenommen habe, ergänzt die Hörspiele um die dort fehlenden Geschichten.

Am Ende des Nachmittags allerdings wartet eine Enttäuschung: beim Körbewerfen treffe ich nicht alle Löcher wie gewünscht und der Moggel muss auf die ersehnte Kuschelkatze verzichten. „Mama, warum hast Du nicht getroffen? Ich möchte so gern diese Katze haben!“

Ja, wieso bekommt man nicht, was man sich wünscht, wo man sich doch angestrengt und das Beste gegeben hat? Und wie oft soll man weiter versuchen, zu bekommen, was man will?

Ich gebe nach 4 Versuchen auf, aber höre noch häufiger den Vorwurf, warum ich denn nicht...

Eine gute Frage:
Ja, das ist tatsächlich eine wichtige Frage: Wann ist es Zeit aufzugeben? Dem Drang weiter und weiter und weiter zu kämpfen nicht mehr nachzugeben? Es als Stärke zu anzuerkennen, das Objekt der Begierde zu verändern? Oder sich einfach ein Scheitern einzugestehen? Oder vielleicht auch nur mangelndes Glück?

Eine weitere Erkenntnis für mich in Schweden ist, welche Bedeutung die Villa Kunterbunt für ein Leben in Schweden hat. Hier sind 99% der Häuser weinrot. Ausnahmen bilden einige wenige in gelb. Aber bunt? Bunt ist in den Teilen, die ich von Schweden gesehen habe, nichts. Wie mag das wohl in den Jahren gewesen sein, als Astrid Lindgren die Geschichte von Pipi Langstrumpf verfasst hat?

Ich erinnere mich an „Astrid“, die Verfilmung ihres Lebens, die ich auf dem Rückflug von Thailand im Flugzeug gesehen habe und lese nochmals ein wenig über sie im Internet. Für mich war sie eine starke Frau, auch wenn ich weiß, dass Filme und Texte über berühmte Persönlichkeiten mit Vorsicht zu genießen sind.

Leider endet der schöne Tag in einem Konflikt mit verletzenden Worten und Tränen.

Zum Glück sind wir alle mehr oder weniger geübt in gewaltfreier Kommunikation und können die Themen im Gespräch benennen und klären. Ich brauche jedoch die längere Fahrt auf den nächsten Campingplatz bei Korsvik (Sandviks Camping, https://www.sandvikscamping.se/de/) und den darauffolgenden Tag, um mich innerlich wieder zu sortieren und aufzurichten.

Was trägt besser zur inneren Säuberung bei, als die äußere? Der trübe Tag kommt mir wie gerufen für einen gründlichen Putz Maltes und beim leckeren Camping-Essen – Tassilo, Marco und Nadze kochen hervorragend – reift die Entscheidung, doch noch einen Abstecher allein zu einem ehemaligen Mitarbeiter von Tobias zu machen.

Jakob ist mit seiner Frau vor 2017 nach Schweden ausgewandert und hat sich dort eine Existenz auf einem eigenen Hof aufgebaut. Ursprünglich lag Animskog gar nicht auf meiner Route, aber nun ist es doch relativ nah und ich freue mich auf die Zeit mit den beiden. Auch weil ich weiß, dass sie Christen sind und mir in den letzten Monaten die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen gefehlt hat. Am Dienstag Vormittag verlasse ich also meine Reisegruppe und mache mich allein mit Moggel, Doktor Blutrich und Malte auf den Weg.

ZUCKERSTANGEN FÜR ALLE ...

Auf dem Weg dorthin machen wir einige Male Station: zuerst in Gränna, das bekannt ist für die Herstellung der typisch schwedischen Karamellen. In dem kleinen Örtchen kann man an der Hauptstraße einen Bonbonladen am anderen besuchen und bei den meisten auch die kleine Produktion besichtigen. Anfangs haben wir kein Glück, doch im dritten Laden wird auch am Nachmittag noch hergestellt und wir können in etwa einer dreiviertel Stunde zuschauen, wie aus Zuckersirup zweifarbige Zuckerstangen hergestellt werden. Es ist faszinierend, wie die beiden jungen Burschen hinter dem Glas die Zuckermasse kneten, schleudern, ziehen, drehen und rollen, bis sie mit der Schere in kleine Stangen geschnitten wird. Von Hand werden diese dann in Papier gerollt und in den Laden gebracht, in dem man alle möglichen Sorten versuchen darf. Schließlich entscheiden wir uns aufgrund der Kostproben für Lakritz, salzige Lakritz, Karamell, salziges Karamell und Coca-Cola. Natürlich kaufen wir auch eine der klassischen weiß-roten Pfefferminzstangen, obwohl ich schon beim Bezahlen weiß, dass niemand sie mögen wird. Egal – wir sind in Schweden und da muss das sein!

Das Abendessen nehmen wir am Hafen mit Blick auf die ein- und auslaufende Fähre ein und zu guter Letzt erleben wir beim Verlassen des Dorfes noch den Abflug eines wunderschönen bunten Heißluftballons. Wer sich für den Zusammenhang von Gränna und Heißluftballons interessiert, möge beides hier nach lesen (https://www.visitsmaland.se/de/erlebnisse/kultur-geschichte/granna-und-die-insel-visingso).

SCHLEUSEN AUF ...

Am nächsten Morgen fahren wir weiter Richtung Animskog und halten auf dem Weg dorthin in Trollhättan. Wir parken vor dem Saab-Museum (https://saabcarmuseum.se/en/) und laden unsere Räder ab, um damit über die Doppelklappbrücke Olidebron und am Kanal entlang zu der Wehranlage zu fahren, von der ich gelesen hatte. Ein hübsch angelegter Park verbindet beindruckende alte mit einer riesigen neuen Wehranlage und wir begutachten alles ausgiebig. Drei junge Männer möchten mit ihrem Boot den immensen Höhenunterschied Dank der Schleusen bewältigen. Wir begleiten sie durch alle Ebenen der Schleusenanlage und freuen uns an den schließenden Schleusen, dem absinkenden Wasser, dem auf der anderen Seite der Schleusen schäumend und gurgelnd austretenden Wasser und schließlich dem Öffnen der nächsten Schleusen (Mehr unter https://www.schwedentipps.se/vaestergoetland/trollhaettan/). Die drei Burschen sind auf dem Weg nach Göteborg, um dort am Freitag Mittsommer zu feiern. Wir wünschen ihnen winkend viel Spaß und klettern über den schmalen Pfad im Wald zurück zum Ausgangspunkt, wo wir am Eingang des Parks das Fahrrad geparkt haben. Ein kleiner Abstecher in die Stadt rundet das Programm vor der Weiterfahrt ab.

BRÜDER UND SCHWESTERN IM HERRN ...

Am frühen Abend kommen wir bei Jakob und Deborah an. Schon beim Einfahren in den Hof bin ich beeindruckt: alles wirkt so aufgeräumt und ordentlich. Der Oldtimer-Traktor steht wie im Bilderbuch vor den sauber gebauten und mit Gemüse bepflanzten Hochbeeten. Am Zaun entlang ranken die Erbsen und auf Stroh gebettet sonnen sich die noch gelben Erdbeeren. In diesem Garten mit seinen Gewächshäusern findet sich alles: Bohnen, Zucchini, Kürbis, Tomaten, Paprika, Lauch, Kartoffeln, Rettich, Karotten, Kräuter, Johannisbeeren, Trauben, Kiwi – ich möchte am liebsten hier bleiben und den Rest des Sommers mithelfen bei der Bewirtschaftung dieses kleinen Paradieses. Der Empfang mit frischem selbstgebackenem Brot verstärkt diesen Wunsch und auch die Ruhe tut mir nach den trubeligen Tagen mit den vielen Kindern gut.

Am nächsten Morgen kommt Jakobs Vater Roland vorbei und holt sich ein Stand Up Paddelboard um auf dem Vänernsee von Insel zu Insel zu „hüpfen“. Kurzerhand laden wir uns selbst dazu ein, ihn zu begleiten und verbringen so den ganzen Tag mit ihm auf dem Wasser. Was für ein Glück wird doch haben! Der Moggel ist völlig begeistert und paddelt mit seinen Flossen wie ein kleiner Motor am Ende des Boards, bis wir nach etwa 10 eroberten Inseln umkehren, um an Land mit Jakobs Mama Moni Wassermelone zu schmausen. Am Abend musizieren und singen wir im Wohnzimmer und tauschen uns über die Bibel aus. Ich fühle mich so wohl bei den beiden bzw. vieren, dass ich froh bin, als sie uns anbieten, noch länger bleiben zu können. Am Samstag dürfen wir zum Abschluss unseres Besuchs an der Sabbatfeier teilnehmen und gehen seelisch sehr gestärkt in die Woche, die den endgültigen Abschied von unserer kleinen Reisegruppe bringt. Vielen Dank für dieses Geschenk, Vater im Himmel!

Da Jakob und Deborah bei airbnb zu finden sind und dort ihr kleines Gästehaus zur Vermietung anbieten, darf ich Werbung machen für dieses wunderbare Fleckchen Erde und zwei ganz besondere Menschen:

https://www.airbnb.de/rooms/35887174
 
Das „erste Mal“ dieser Woche: Auffahren auf die Plastikstützen, damit Malte auch gerade steht. War gar nicht so schlimm, wie gedacht. Ich bin nicht drüber gefahren, sondern habe tatsächlich rechtzeitig gehalten!

 

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