11. - 19.06.2021
Meer, Meer und noch mehr Meer ...
Unser erster Stopp in Schweden ist ganz in der Nähe von Trelleborg. Wir sind alle müde von der langen Anreise und tatsächlich ist keiner von uns in irgendeiner Weise vorbereitet oder hat andere
Pläne für die erste Übernachtung. So bleiben wir ganz in der Nähe auf einem kleinen Campingplatz direkt am Meer (www.nybrostrandscamping.n.nu) und campieren neben einem deutschen Pärchen aus Göppingen, das am Ende seines Sabbatjahres nun Schweden bereist.
Am ersten richtigen Urlaubstag wird noch viel sortiert. Meine zwei Reisegefährten räumen erst einmal ihre komplette Heckgarage aus, um das ganze Gepäck zu sichten. „Too much stuff“ – das kann ja
selbst ich mit der kleinsten Heckgarage sagen. Ich bin baff, was bei den anderen alles mitreist: insgesamt haben wir mehr als drei Akkuschrauber dabei. Braucht ja schließlich jeder seinen
eigenen! Oder auch zwei...
Unser erster kleiner Ausflug mit dem Rad führt uns zu einem lauschigen Platz hinter einer Düne am Meer, der uns mit Fliederduft das Picknick versüßt. Wir erkunden ziellos die Gegend und hoffen,
per Zufall auf einen Supermarkt zu stoßen, um in den nächsten Tagen einkaufen zu können. Und wir haben tatsächlich Glück. Ein kurzer Moment beim Abschließen der Räder zucke ich zusammen: „Oh
Mist, ich hab mal wieder keine Maske dabei!“. Da fällt mir ein, dass ich ja nicht mehr zu Hause bin. Unglaublich, wie sehr sich diese Angst vor freiem Atmen und Maßnahmen-losem Leben schon bei
mir eingebrannt hat. Wir kaufen ein und ich laufe wie in Trance durch den Laden, denn wann bitte war ich das letzte Mal mit anderen Menschen in einem Laden und konnte frei in alle Gesichter
blicken?
Auf dem Rückweg wird der Wind so stark, dass die Kinder fast von den Rädern geblasen werden. Tassilo und ich halten die zwei Kleinsten einen Großteil der Strecke am Rücken fest, damit wir wieder
heil am Campingplatz ankommen. Völlig geschafft essen wir gemeinsam Abend und fallen dann ins Bett.
Eiszeit ...
Sonntags, so haben wir als Erwachsene vereinbart, machen wir von unserer zuckerfreien Reise eine Pause. Die Kinder dürfen dann so viel Süßigkeiten und Eis essen, wie sie wollen. Für den Moggel ist das kein besonderes Thema, da er gut die ganze Woche ohne Zucker zurecht kommt. Aber für die anderen ist der Sonntag das absolute Highlight der Woche. Vor allem das „Eis ohne Limit“ ist der Grund für diese Vorfreude. Moggel isst also das erste Mal im Leben ohne Beschränkung und schafft tatsächlich vier Stieleis. Ich bin verblüfft, was in dieses kleine Kerlchen hineinpasst; ich selbst hatte nach einem einzigen schon genug. Aber diese Freude zu sehen, wenn man immer wieder zur Rezeption laufen und ein weiteres Eis bestellen darf... es fühlt sich ein wenig an nach Annika, Thomas und Pippi.
Für mich wird auf diesem Parkplatz die lange Reihe der „ersten Male“ weitergeführt: Die erste Nacht mit Malte, Moggel und Doktor Blutrich im Ausland, das erste Mal Strom von einem Campingplatz zu Malte leiten und das erste Mal den Thermomix damit anwerfen, das erste Mal mit GFK-Familien unterwegs sein und nicht zuletzt: das erste Mal die Klobox leeren.
Vorsicht Elch!
Unsere nächste Station führt uns Richtung Smaland. Wir finden einen schönen Campingplatz am See in Urshult (www.urshult-camping.se). Die Kinder können hier viel besser als im stürmischen Meer das Stand Up Paddelboard nutzen. Zu viert sitzen wir darauf und erkunden
die kleinen Inseln auf dem See. Finden wir vielleicht einen Schatz? Nicht nur einen! Wir finden ein altes Tau, Heidelbeersträucher und jede Menge Farn. Der Moggel ist völlig aus dem Häuschen und
liebt schon jetzt seine Schwimmweste, das kurze Neoprenanzügchen und die Taucherflossen.
Auch hier erkunden wir die Gegend und finden doch tatsächlich einen sehr gut ausgerüsteten Baumarkt. Ich brauche dringend einen leichten, langen Wasserschlauch und verschiedene Anschlüsse, um das
Frischwasser auffüllen zu können und auch den Tank für die Waschmaschine zu befüllen. Wieder ein „erstes Mal“: mit etwas telefonischer Nachhilfe von Herrn Gust schaffe ich es, die erste Ladung
Wäsche in Maltes Bauch zu waschen. Juhu! Ich bin so unheimlich stolz auf mich!
Leider bemerkt niemand außer mir, dass all diese „ersten Male“ wirkliche Herausforderungen für mich sind und mich tatsächlich jedes Mal Überwindung kosten. Ich könnte scheitern – diesen Gedanken
loszulassen, erfordert echt Mut! Aus der Ferne mag das lächerlich klingen, aber für mich ist es das nicht. Alle dieser kleinen „ersten Male“ sind Schritte in die Freiheit und ins Selbst- und
Weltvertrauen.
Von Urshult aus unternehme ich mit den großen Kindern eine Fahrradtour zum nahe gelegenen Elchpark. (www.älgriket.se). Ein sehr freundlicher und äußerst gesprächiger Schwede empfängt uns und erklärt, während wir auf den wohnmobilfahrenden Rest der Gruppe warten, alles, was man über Elche wissen muss. Moggel ist besonders von der Tatsache begeistert, dass Elche auf ihren Geweihen eine durchblutete Haut namens Basthaut tragen und diese erste dann durch Reiben an Bäumen abstreifen, wenn das Geweih ausgewachsen ist. Als wir zur Fütterung mit ans Gehege dürfen, warten schon drei der wunderschönen, großen Tiere auf uns. Wir betrachten sie mit gebührendem Abstand. Beim Spaziergang um das Freigehege kommen aber auch die Rothirsche und Damhirsche näher, so dass wir auch die zwei kleinen Jungtiere sehen können.
Wie artenreich und wunderschön die Natur doch ist! Ich bin immer wieder aufs Neue davon begeistert und tief ergriffen. Obwohl ich sonst ja eher der Pflanzenliebhaber bin – die finde ich in ihren Bewegungen einfach deutlich berechenbarer, als Tiere – gehören Waldtiere zu meinen Lieblingstieren: Sie kommen mir freiwillig nicht zu nah, sondern haben etwas sehr Scheues und Zurückhaltendes an sich. Das passt gut zu meiner Angst vor unvorhersehbaren Attacken jeder Art...
Fredagsmys ...
Nach diesen beiden Campingplätzen möchten wir auch das Jedermanns-Recht nutzen und wild campen. Wir finden ein schön wirkendes Plätzchen im Wald am See Skiresjön. Für die Reise dorthin trennen wir uns, denn ich möchte für Annika unterwegs noch einen Neoprenanzug, Schwimmflossen und eine Schwimmbrille kaufen. Ohne diese Ausrüstung ist das Baden im kalten Wasser einfach nicht so schön, wie mit. Wir werden in Vaxjö fündig und auch ich finde im XXL Sportladen die noch dringend notwendige Winterjacke und ein paar neue Treckingschuhe, die ich sicherlich in den nächsten Monaten gut gebrauchen kann neben meinen abgelaufenen Turnschuhen ohne Grip. Außerdem muss ja auch irgendjemand den Lebensmittelvorrat für uns alle auffüllen.
Ein freundlicher Verkäufer erweitert im Verkaufsgespräch auch unseren schwedischen Wortschatz. Neben. „Hallo“ – „Hej“, „Tschüß“ – „Heyda“, „Danke“ – „Tack“ und „Nein Danke“ – „Nej Tack“ lernen wir nun „gemütlich“ – „mysigt“ und „ein schöner gemütlicher Freitag“ – „Fredagsmys“. Vielleicht wird uns das noch irgendwann nützlich sein. Man kann nie wissen!
Am Nachmittag treffen wir uns auf einem Parkplatz mit See, an dem wir sofort unsere Einkäufe testen. Auch der Moggel hüpft natürlich in sein Wasseroutfit und genießt das kühle Nass.
Wir verlassen diesen Parkplatz erst nach dem begehrten Milchreis-mit-Apfelmus-Abendessen. Nicht alle Kinder sind so pflegeleichte Beifahrer, wie Moggel, so dass wir nach ersten Erfahrungen
tagsüber große Pausen einlegen und lieber nachts mit schlafenden Kindern fahren. Letztlich kommen aber alle gut an auf dem Parkplatz im Wald, der direkt an einem kleinen, dunkelgrün schimmernden
See gelegen ist. Hier verbringen wir zwei Nächte, da der Platz genau zwischen Bullerbü und Vimmerby liegt, was zumindest Moggel und ich beides besuchen wollen.
In einen den Baum klettern ...
Die drei Höfe von Bullerbü erstrampeln wir uns mit den Rädern. Völlig geschafft von den vielen Hügeln kommen wir als fast einzige Besichtigende an und gönnen uns nach dem obligatorischen Bild in der Baumhöhle eine Himbeerlimonade. Hier also haben Lasse, Bosse, Lisa, Ole, Kerstin, Britta und Inga gelebt. Wir versuchen die Kinder den einzelnen Höfen zuzuordnen und bemerken dabei, dass Inga in Schweden gar nicht Inga, sondern Anna heißt. Und welcher Hof war nun der Südhof? Egal! Wir haben gesehen, was wir seit Monaten hören: Wie die Kinder von Bullerbü leben.
„Mama, wo sind denn die ganzen Kinder?“, fragt der Moggel. „Es ist doch so schönes Wetter! Kommen sie nicht raus ins Freie?“. Ich erinnere mich genau daran, wie auch für mich als Kind die Geschichten ganz lebendig waren. Wie ich um Jonathan aus den „Brüdern Löwenherz“ weinte und mir so viel Gold wie „Pippi“ wünschte. Ich freue mich, dass auch der Moggel in der Welt der Geschichten versinken kann. Bislang haben wir von Astrid Lindgren ja nur die „Kinder von Bullerbü“ für uns entdeckt. Ich denke, es ist an der Zeit, dies nun zu ändern.
Männer und Frauen ...
Auch Frauen können körperlich sehr stark sein. Selbst wenn kleine, mittelgroße und ganz große Jungs das ungern hören. Die nämlich haben alle am ersten Berg eine Kehrtwende zurück zu den
Wohnmobilen gemacht, während Annika und ich uns nicht nur an die Spitze des Berges geschoben haben, sondern bis nach Bullerbü selbst geradelt sind.
Für die Ewigkeit soll uns zwei Kämpferinnen das im Gedächtnis bleiben: don´t talk about it - just do it!
Ich glaube, wir haben uns das sonntägliche Eis wirklich redlich verdient nach dieser Samstagstour!